Erhängen

[40] Erhängen (lat. Suspensio), gewaltsame Todesart, die von Selbstmördern sehr häufig, von Mördern selten gewählt wird. Der Erhängte stirbt nach einigen Minuten den Erstickungstod, indem das Strangulationsinstrument (der Strick etc.) die Zungenwurzel gegen die hintere Rachenwand andrückt und somit die Luftwege verlegt. Zunächst aber tritt sofortige Bewußtlosigkeit ein, denn das Strangulationswerkzeug drückt auf die großen Blutgefäße des Halses und verhindert den Blutkreislauf im Gehirn. Am Hals Gehängter beobachtet man sehr häufig eine Strangrinne (Strangulationsmarke), d. h. einen rinnenförmigen, bis zu 5 mm tiefen, vom Strick bewirkten Eindruck der Haut, der um den größten Teil des Halsumfanges herumgeht. Im Bereiche der Strangrinne ist oft die Oberhaut abgeschunden, und die Lederhaut liegt eingetrocknet, hornartig fest, bräunlich verfärbt zutage. Das Gesicht ist blaurot und gedunsen, noch häufiger aber blaß; die Zunge steht etwas zwischen den Lippen hervor oder ist zwischen den Zähnen eingeklemmt. Männliche Individuen erleiden zuweilen einen Samenabfluß aus der Harnröhre, auch unwillkürlicher Kotabgang aus dem Mastdarm kann erfolgen. Im Innern des Körpers findet man die Zeichen der Erstickung (s.d.). Verletzungen der Halsorgane fehlen meist, nur ganz unbedeutende Verletzungen der Kehlkopfknorpel und der Innenwand der Blutgefäße kommen vor; das Genick bricht nur, wenn der Erhängte aus großer Höhe in den Strick hineingefallen war, z. B. bei Hinrichtungen durch den Strang. Die gerichtsärztliche Beurteilung Erhängter ist zuweilen sehr schwierig, namentlich mit Rücksicht auf die Frage, ob im gegebenen Fall Mord oder Selbstmord vorliegt, oder ob ein bereits Gestorbener nachträglich aufgehängt wurde. Hierbei ist zu beachten, daß Selbstmord durch E. selbst dann möglich ist, wenn der Erhängte mit den Füßen den Boden berührt. Sogar in knieender Stellung, an Bettpfosten, Türklinken, hat man erhängte Selbstmörder angetroffen. Trifft man einen Erhängten, der noch nicht völlig erkaltet ist, so ist sofort nach Lösung der Schlinge künstliche Atmung (vgl. Unfall) einzuleiten. Oft kehrte das Leben nach stundenlang ausgeführter künstlicher Atmung noch zurück. Vgl. Casper, Handbuch der gerichtlichen Medizin (8. Aufl., bearbeitet von Liman, Berl. 1889, 2 Bde.); Straßmann, Lehrbuch der gerichtlichen Medizin (Stuttg. 1895); Esmarch, Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen (18. Aufl., Leipz. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 40.
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