[109] Friedenskuß (heiliger Kuß, Liebeskuß) hieß in der altchristlichen Kirche der Kuß, den man sich als Zeichen gänzlicher Aussöhnung beim Abendmahl oder auch bei andern kirchlichen Handlungen, z. B. bei der Taufe, Absolution, Ordination, gegenseitig zu geben pflegte. Da die Heiden von dieser Sitte Anlaß zu Verdächtigungen der Christen nahmen, ordneten schon die apostolischen Konstitutionen Absonderung der Geschlechter hinsichtlich des Friedenskusses an. Die Sitte erhielt sich in der abendländischen Kirche bis ins 13. Jahrh. und wurde neuerdings von den Herrnhutern wieder belebt. Auch der Kuß, den ein neugewählter Papst bei der Adoration in der Peterskirche auf die Wange jedes adorierenden Kardinals drückt, heißt F. In der griechischen Kirche tritt am Ostermorgen nach der Verkündigung der Auferstehung der höchste Geistliche der Kirche an die Galerie vor der Ikonostase, um, nachdem er sämtliche Priester umarmt, jedem Mitglied der Gemeinde, daß sich ihm nähert, seinen Kuß und Segen zu geben mit den Worten: »Christus ist erstanden!«, denen die Erwiderung folgt: »In Wahrheit, er ist erstanden!« Hierauf küssen sich die Anwesenden, jedoch nach Geschlechtern gesondert, untereinander. Nach dem russischen Hofzeremoniell küßt der Zar die Herren seiner Umgebung auf den Mund (meist die Wange), die Zarin läßt sich die Hand küssen und erwidert den Kuß durch einen Kuß auf die Stirn der Herabgebeugten (auch der Generale etc.).