[304] Galvanometer, Vorrichtung zur Erkennung des Daseins und zur Beurteilung der Stärke schwacher galvanischer Ströme, gründet sich auf die Ablenkung einer Magnetnadel durch den Strom. Der Leitungsdraht wird, um die Wirkung des Stromes auf die Magnetnadel zu vergrößern, in zahlreichen Windungen, die durch Umspinnung des Drahtes mit Seide voneinander isoliert sind, um die Nadel herumgeführt (Fig. 1).
Da alle Windungen im gleichen Sinn auf die Nadel wirken und demnach die ablenkende Kraft bei gleichbleibender Stromstärke im Verhältnis der Anzahl der[304] Drahtwindungen vervielfacht (multipliziert) wird, nennt man eine solche Vorrichtung einen Multiplikator.
Die Magnetnadel wird an einem Kokonfaden aufgehängt, auch wendet man ein astatisches Nadelpaar (Fig. 2) an, nämlich zwei durch ein Stäbchen miteinander fest verbundene und mit den gleichnamigen Polen nach entgegengesetzten Seiten gewendete Magnetnadeln, deren eine innerhalb, die andre außerhalb des Multiplikators über ihm schwebt. Sind die Nadeln nahezu gleich stark magnetisch, so hebt sich die Wirkung des Erdmagnetismus, der jede Nadel mit ihrem Nordpol n nach N. zu richten strebt, auf das vereinte Paar nahezu auf.
Das Nadelpaar wird also nur durch eine sehr geringe Kraft in der Südnordrichtung festgehalten und schon durch einen sehr schwachen Strom aus dieser Richtung abgelenkt, um so mehr, als der in den Windungen des Multiplikators kreisende Strom nach den Regeln der elektromagnetischen Ablenkung (s. Eletrischer Strom) auf beide Nadeln in gleichem Sinne wirkt. Die Fig. 3 zeigt ein G. mit asiatischem Nadelpaar; die untere Nadel schwebt in der Höhlung eines Holzrähmchens, auf das die Drahtwindungen des Multiplikators gewickelt sind, die obere spielt auf einem in Grade eingeteilten Kreis, an dem man den Ablenkungswinkel abliest. Um störende Luftströmungen abzuhalten, ist eine Glasglocke über das Instrument gestülpt, vorder zwei Klemmschrauben mit den Drahtenden des Multiplikators und mit den Zuleitungsdrähten verbunden werden. Eine noch größere Empfindlichkeit erreicht man durch die Spiegelgalvanometer, die zu feinern Messungen gebraucht werden. Bei dem Spiegelgalvanometer von Weber (Fig. 4) schwebt ein an einem Kokonfaden aufgehängter Magnetstab innerhalb einer dicken kupfernen Hülfe, auf die der Multiplikatordraht in mehreren voneinander getrennten Lagen aufgewickelt ist, die man vermittelst Klemmschrauben in verschiedener Weise unter sich und mit den beiden Zuleitungsdrähten verbinden kann. Die Kupferhülse dämpft die Schwingungen des Magnets, indem dieser nämlich hin und her schwingt, erregt er in der Kupferhülse galvanische Ströme (s. Elektrische Induktion), die hemmend auf die Schwingungen des Magnetstabes zurückwirken und ihn sehr bald in seiner Gleichgewichtslage zur Ruhe bringen. Über dem Magnetstab und fest mit ihm verbunden ist ein kleiner Spiegel angebracht, der in folgender Weise zur Bestimmung der Ablenkung des Magnetstabes dient: Man sieht mittels eines wagerecht aufgestellten Fernrohrs senkrecht auf den kleinen Spiegel ss (Fig. 5) und erblickt darin das Bild eines quer über dem Fernrohr angebrachten, in Millimeter geteilten Maßstabes mm und zwar den Nullpunkt o gerade am Fadenkreuz des Fernrohrs.
Dreht sich nun der Magnet und mit ihm der Spiegel um einen kleinen Winkel φ, so sieht man am Fadenkreuz nicht mehr den Nullpunkt des Maßstabs, sondern denjenigen Teilpunkt (n), von dem jetzt Lichtstrahlen auf dem Wege n p o in das Fernrohr gespiegelt werden. Da man nun die Strecke on und außerdem die Entfernung op des Maßstabes von dem Spiegel kennt, so läßt sich die Größe des Winkels o p n und demnach auch die Größe des halb so großen Ablenkungswinkels leicht angeben. Im Spiegelgalvanometer von Wiedemann ist der Magnet eine kreisrunde Stahlplatte, die selbst als Spiegel dient und innerhalb einer zylindrischen massiven Kupferhülse, die als Dämpfer wirkt, aufgehängt ist. Beiderseits wirken auf den Magnet zwei längs der Zylinderachse verschiebbare Drahtrollen, die man in verschiedene Entfernungen von dem Magnet bringen sowie auch ganz auf die Kupferhülse aufschieben kann; dadurch wird die Wirkung des Stromes nach Belieben abgestuft. Das Spiegelgalvanometer von Thomson besteht aus zwei übereinander hängenden asiatischen Magneten, deren oberer am Rücken eines kleinen Spiegels befestigt ist. Jeder Magnet hat seine eigne Drahtrolle nebst dem dicken, zur Dämpfung bestimmten Kupfergehäuse. Die Drähte der beiden Rollen laufen entgegengesetzt. An der Aushängungsröhre des Kokonfadens ist ein schwacher, bogenförmig gekrümmter Magnet verschiebbar und drehbar befestigt, um dem Magnetpaar eine vom magnetischen Meridian abhängige Einstellung geben zu können. Dea Magnet eines Spiegelgalvanometers macht man astatisch, d. h. man kompensiert die Richtkraft des Erdmagnetismus durch einen oberhalb, unterhalb oder seitwärts angebrachten verstellbaren Magnet. Durch eine solche Astasierungsvorrichtung in Verbindung mit geeigneter Dämpfung läßt sich bewirken, daß der [305] Magnet des Galvanometers ohne weitere Schwingungen in die neue, abgelenkte Ruhelage übergeht oder sich ap eri odisch bewegt. Für aperiodische G. eignet sich besonders der von seiner Gestalt so genannte Glockenmagnet von Siemens in massivem, kugelförmigem Dämpfer. G. von höchster Empfindlichkeit, mit denen sich Ströme von gegen ein Billiontel Ampere nachweisen lassen, haben Paschen und du Bois und Rubens konstruiert. Die Magnete sind dabei auf die Rückseite seiner Spiegelchen geklebt und zwar mehrere (zuweilen nur 1 mm lange aus der Feder einer Taschenuhrunruhe gefertigte Stäbchen) in paralleler Stellung nebeneinander. Zur Aufhängung dient ein äußerst seiner Quarzfaden. Ein derartiges Instrument, wie es von Siemens u. Halske in Berlin konstruiert wird, ist in Fig. 6 dargestellt. Bei diesem besteht das Magnetsystem aus zwei zu einem asiatischen System vereinigten Bündeln sehr seiner Magnetstäbchen (Gewicht 100 bis 1500 mg), zwischen denen ein Spiegel (Gewicht 20100 mg) angebracht ist. Zur Aufhängung dient ein 40 mm langer Quarzfaden. Zur Dämpfung ist unten eine runde Fahne von 15 mm Durchmesser angebracht. Das Magnetgehänge spielt in der Höhlung einer Ebonitplatte, die beiderseits zur Aufnahme der Spulen mit kreisförmigen Einsenkungen versehen ist.
Die Spulen haben 20 oder 2000 Ohm Widerstand und lassen sich zu Systemen von 58000 Ohm kombinieren. Zur völligen Astasierung und Einstellung auf den Nullpunkt sind an einem auf dem Deckel des Instruments befestigten Stab verschiebbare Magnete (Richtmagnete) angebracht. Das Magnetsystem ist sehr leicht zugänglich, da die Aufhängevorrichtung an einem drehbaren Arm befestigt ist, so daß nach Entfernung der Spulen auf der einen Seite das System aus der Höhlung der Ebonitplatte herausgedreht werden kann. An Orten, wo größere Eisenmassen transportiert werden oder Dynamomaschinen im Betriebe sind oder elektrische Straßenbahnwagen vorbeifahren, erleiden die G. Störungen durch magnetische Kräfte, die ihren Gebrauch unmöglich machen. Man hat versucht, sie dagegen durch Umhüllen mit starken (5 kg schweren) eisernen Panzern zu schützen. Einfacher läßt sich bis zu gewissem Grade der gleiche Zweck erreichen durch Anwendung eines sogen. Drehspulengalvanometers nach Deprez-d'Arsonval, wie es Fig. 7 (ebenfalls nach der Konstruktion von Siemens u. Halske) zeigt; bei demselben befindet sich (Fig. 8 u. 9) zwischen den Polen eines starken Hufmagneten eine bewegliche Spule, durch die der Strom hindurchgeleitet wird. Während also beim gewöhnlichen G. die Spule feststeht und der Magnetstab sich dreht, steht hier der Magnet fest und die Spule ist drehbar aufgehängt. Durch Verstärkung des Magneten kann man die Empfindlichkeit außerordentlich groß machen, doch wächst damit zugleich die Dämpfung, so daß die endgültige Einstellung Stunden beanspruchen kann.
Ersetzt man, wie bei dem sog. Oszillographen, die Drehspule durch einfache, sehr leicht bewegliche Drähte, so kann man ein G. gewinnen, das noch imstande ist, den äußerst raschen Stromschwankungen der in der Technik gebrauchten Wechselströme zu folgen und die Form der Stromwelle anzuzeigen, während ein gewöhnliches G. infolge der Schnelligkeit des Stromwechsels von solchen gar nicht beeinflußt wird.
Damit dieser Zweck erreicht werde, muß die Schwingungsdauer des Galvanometers im Verhältnis zur Periode des Wechselstroms sehr klein und die Dämpfung gerade eben aperiodisch sein, auch darf es keine merkliche Selbstinduktion besitzen. Man hat Oszillographen konstruiert, deren Schwingungsdauer kleiner als eine zehntausendstel Sekunde war. Bei den Vibrationsgalvanometern (z. B. dem Optischen Telephon von Wien), die ebenfalls zur Beobachtung von Wechselströmen dienen, soll die Schwingungsdauer der des Wechselstroms gleich sein und läßt sich deshalb z. B. durch Anspannen einer Feder abändern. Andre Instrumente, die auf Wechselstrom reagieren, sind die Hitzdrahtgalvanometer, bei denen die Verlängerung eines dünnen Drahtes infolge der thermischen Ausdehnung beim Stromdurchgang beobachtet wird, ferner G., die statt einer Magnetnadel eine Nadel aus weichem Eisen oder eine Drehspule enthalten (Elektrodynamometer). Sollen nur kurze Stromstöße beobachtet werden, bei denen die Magnetnadel[306] nicht Zeit hat, sich zu bewegen, so verwendet man ballistische G. mit relativ schwerer Nadel oder Spule, großer Schwingungsdauer und geringer Dämpfung.
Derartige Instrumente ermöglichen, Elektrizitätsmengen zu messen, und finden z. B. Anwendung zur Bestimmung der Kapazität eines Kondensators. Über die in der Technik benutzten G. s. Art. »Elektrotechnische Meßinstrumente«. Nal. Kempe, Handbuch der Elektrizitätsmessungen (deutsch, Braunschw. 1883); Kohlrausch, Lehrbuch der praktischen Physik (9. Aufl., Leipz. 1901).
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