Hanau [1]

[711] Hanau, ehemalige Grafschaft, seit dem 12. Jahrh. im Besitz der Herren von H., die anfangs auf der jetzt verschwundenen Burg Wachen-Buchen, nachher in der jetzigen Stadt H. residierten. Nach Graf Reinhards II. Tode (1451), der seit 1429 Reichsgraf war, teilten seine Söhne Reinhard III. und Philipp I. 1480 die durch die Erwerbung der Herrschaften Münzenberg (1255) und Lichtenberg im Elsaß (1480) vergrößerte Grafschaft H. in die Grafschaft H.-Münzenberg in der Wetterau und die Herrschaft H.-Lichtenberg. Letztere, aus der Herrschaft Lichtenberg (s. d.) im Elsaß und aus einem Drittel der Grafschaft H. bestehend, fiel später größtenteils an Hessen-Darmstadt, teilweise an Frankreich (jetzt Elsaß-Lothringen). – Graf Philipp Ludwig II. von H.-Münzenberg (1580–1612) nahm vertriebene Niederländer in der Stadt H. auf. Sein ihm folgender Sohn Philipp Moritz floh nach der Schlacht bei Nördlingen, konnte erst nach der Aussöhnung mit dem Kaiser 1636 zurückkehren und starb schon 1638. Da auch sein Sohn Philipp Ludwig III. schon in seinem neunten Lebensjahr 1641 starb, so kam das Land an Johann Ernst, den Sohn des Grafen Albrecht, des Bruders von Philipp Ludwig II. und Stifters der Seitenlinie H.-Schwarzenfels und fiel nach dessen Tode (1642) auf Grund Erbvertrags von 1610 an die Linie H.-Lichtenberg. Das Haupt dieser, Graf Friedrich Kasimir, schloß infolge der Verheiratung der Gräfin Amalie Elisabeth von H. mit dem Landgrafen von Hessen-Kassel 1643 mit diesem einen Erbvertrag, demzufolge nach dem Aussterben des hanauischen Mannesstammes das fürstliche Haus Hessen H.-Münzenberg erben sollte. Friedrich Kasimir starb 1685 ohne männliche Erben; ihm folgte in H.-Münzenberg Philipp Reinhard, seines Bruders Johann Reinhard älterer Sohn, der, 1696 gefürstet, 1712, ohne Söhne zu hinterlassen, starb. H.-Lichtenberg dagegen kam an den jüngern Sohn, Johann Reinhard, der, 1696 gleichfalls gefürstet, das Direktorium der wetterauischen Grafen erhielt; auch fiel ihm 1713 H.-Münzenberg zu. Nach seinem Tode (1736), womit der ganze hanauische Mannesstamm erlosch, kam H.-Münzenberg nach dem Erbvertrag von 1643 an den Landgrafen Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel, H.-Lichtenberg dagegen an den Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt, seit 1717 mit Charlotte, der einzigen Tochter Reinhards, vermählt. Wilhelm VIII. überließ die Grafschaft H. zunächst seinem Enkel Wilhelm; darauf ward sie 1785 mit Hessen-Kassel vereinigt, 1803 aber durch Reichsbeschluß zum Fürstentum erhoben. Nach 1806 stand H. eine Zeitlang unmittelbar unter Frankreich, kam 1810 an das Großherzogtum Frankfurt, 1813 aber an Hessen. Kurfürst Friedrich Wilhelm ernannte seine Gemahlin Gertrude, geschiedene Lehmann, zur Fürstin von H. (s. unten) und seine Kinder zu Prinzen und Prinzessinen von H. 1866 kam das Fürstentum an Preußen und bildet einen Teil des Regierungsbezirks Kassel. Vgl. Hundeshagen und Wegener, Geographische Beschreibung der Grafschaft H. und Geschichte der Herren und Grafen von H. (Hanau 1782); Arnd, Geschichte der Provinz H. (das. 1858); Lehmann, Urkundliche Geschichte der Grafschaft H.-Lichtenberg (Mannh. 1862–64, 2 Bde.); Rathgeber, Die Grafschaft H.-Lichtenberg (Straßb. 1876); Wille, Die letzten Grafen von H.-Lichtenberg (Hanau 1886); »Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der[711] ehemaligen Provinz H.«, herausgegeben von Reimer (in den »Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven«, bisher 4 Bde., Leipz. 1891–97, bis 1400 reichend).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 711-712.
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