Hautgewebe

[1] Hautgewebe (Hautsystem), die gesamten oberflächlichen Zellschichten der höhern Pflanzen mit allen aus ihnen und dicht unter ihnen hervortretenden Bildungen, wie Haaren, Emergenzen, Spaltöffnungen, Kork- und Borkenschichten, nebst den Lenticellen. In der Regel besteht an jugendlichen Pflanzenteilen das H. nur aus einer einzigen Zellenschicht, der Oberhaut oder Epidermis. Ihre Zellen schließen allseitig zusammen und bilden keine Interzellularräume. Oft sind die Zellen der Epidermis mit Haaren (Trichomen) besetzt (s. Haare der Pflanzen). Die äußerste Lamelle der freien Außenwand der Epidermiszelle n (Fig. 1), desgleichen aller Haare bildet die Cuticula, die ununterbrochen über die Zellengrenzen hinläuft und daher wie ein besonderes Häutchen erscheint. Bisweilen ist die Außenwand der Epidermiszellen nach innen sehr stark verdickt, und dann sind meistens auch diese Verdickungsschichten (Kutikularschichten) kutikularisiert, mit Ausnahme einer innersten, die Zellhöhle unmittelbar auskleidenden, aus Zellulose bestehenden Schicht. Die Epidermis der meisten über dem Boden wachsenden Pflanzenteile, vorzüglich diejenige der Stengel und Laubblätter, enthält Spaltöffnungen (Fig. 1 u. 2) in mehr oder weniger großer Anzahl. Dies sind aus je zwei Schließzellen sp gebildete Organe, die direkte Öffnungen der Interzellulargänge des innern Gewebes darstellen. Die Schließzellen sind nämlich von ungefähr bohnenförmiger Gestalt, ihre beiden aneinander grenzenden Wände weichen in der Mitte auseinander, so daß zwischen ihnen eine schmale Spalte entsteht, durch welche die Epidermis durchbrochen ist. Bisweilen stehen die Schließzellen im Grunde einer trichterförmigen Vertiefung, des Vorhofs s (Fig. 1), der durch den Spalt sp mit der darunterliegenden Atemhöhle e in Verbindung steht. Die Spaltöffnungen sind oft gleichmäßig über die ganze Fläche eines Pflanzenteils verteilt; bisweilen sind nur bestimmte Streifen der Stengel oder Blätter damit besetzt. An gewissen, meist nur beschränkten Stellen spielt die Epidermis auch die Rolle eines Sekretionsorgans, wie bei den in Blüten und auch an andern Stellen des Pflanzenkörpers auftretenden Nektarien (s. d.) und bei den zur Abscheidung von Wassertropfen dienenden, als Hydathoden (s. d.) bezeichneten Organen. Die wesentlichste Lebensaufgabe des Hautgewebes besteht in dem Schutz, den es den innern Geweben der Pflanzen zu gewähren hat. Landpflanzen sind besonders der Gefahr des Wasserverlustes durch Verdunstung (Transpiration) ausgesetzt, die durch die Einrichtung der Oberhautzellen herabgesetzt werden muß; bei Wassergewächsen mit reichentwickelten innern Luftgängen muß dagegen das Eindringen von Wasser verhindert werden. Hierzu dient die Cuticula, die einen von Zellulose verschiedenen Stoff, das Kutin, enthält und je nach ihrer Dicke die Transpiration mehr oder weniger verhindert. Derselbe Stoff findet sich auch in den unter der Cuticula liegenden Kutikularschichten (s. oben). Wasserpflanzen bedürfen keiner starkkutikularisierten und verdickten Oberhautwandung, weil bei ihnen keine Transpiration nach außen stattfindet. Der Gefahr zu großen Wasserverlustes sind die Gewächse regenarmer Gebiete am meisten ausgesetzt, und daher entwickeln diese hierfür besondere Schutzeinrichtungen (s. d.). Oft wird die Verdunstung durch einen reifartigen, aus wachsähnlichen Verbindungen bestehenden Überzug noch weiter vermindert.

Fig. 1. Durchschnitt durch die Epidermis von Cycas.
Fig. 1. Durchschnitt durch die Epidermis von Cycas.

Die Seitenwandungen der Epidermiszellen haben vorwiegend eine mechanische Aufgabe. Da nämlich die Oberhaut infolge der in der Pflanze vorhandenen Gewebespannung namentlich in transversaler Richtung stark gedehnt wird, so sind Einrichtungen notwendig, welche die Epidermiszellen fest aneinander fügen.

Fig. 2. Flächenansicht der Epidermis von Evonymus.
Fig. 2. Flächenansicht der Epidermis von Evonymus.

Hieraus erklären sich die bei vielen Oberhautzellen vorkommenden welligen oder zackigen Faltungen der Seitenwände, die in ähnlicher Weise ineinandergreifen wie die Nähte von Schädelknochen. Bei manchen Pflanzen wird die Epidermis in ihren Funktionen durch eine unterhalb ihr liegende Gewebeschicht, das Hypoderm, unterstützt. In andern Fällen entwickelt sich die Epidermis selber durch auftretende[1] Querwände zu einer mehrschichtigen Zellenlage. Die Epidermis funktioniert als Schutzorgan nur an jüngern Pflanzenteilen; in die Dicke wachsende Holzpflanzen bedürfen eines stärkern Schutzmantels, des Periderms (s. d.), dessen zwei Hauptbestandteile der Kork (s. d.) und ein fortwachsendes Bildungsgewebe (Phellogen) sind. Die Wand der Korkzellen ist für Wasser und für Gase in nur sehr geringem Grade durchlässig, und das geringe Wärmeleitungsvermögen des Korkes befähigt ihn zum Schutze zarter Gewebe gegen starke Temperaturschwankungen, zugleich ist er aber vermöge seiner Elastizität imstande, dem Dickenwachstum des Stammes bis zu einer gewissen Grenze zu folgen. Der vom Phellogen aus sich neubildende Kork scheidet an ältern Stämmen die außerhalb liegenden Gewebeteile von der Wasserzufuhr ab, und diese bilden dann mit den ältern Korklagen die als Borke bekannten ausgetrockneten Gewebemassen. Um die Festigkeit dieses dritten und letzten Hautmantels der Pflanze zu erhöhen, treten in ihm nicht selten zahlreiche, stark verdickte Zellen (Sklerenchymzellen) auf, die unter Umständen, wie z. B. bei der Eiche, Birke und Weißtanne, der Borke eine steinharte Beschaffenheit geben. Die allmähliche Abschelferung des Borkenmantels wird durch lamellenartig auftretende Trennungsgewebe (Trennungsphelloide) bewirkt. Die in der Epidermis vorhandenen Spaltöffnungen sowie auch die später im Periderm auftretenden Rindenporen (Lenticellen) sind Teile des Durchlüftungsgewebes (s. d.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 1-2.
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