[502] Holzessig (Holzsäure), die bei der trocknen Destillation des Holzes auftretende braune, sauer und scharf empyreumatisch riechende und schmeckende, wässerige Flüssigkeit, deren Hauptbestandteil Essigsäure ist. Holz wird behufs der Gewinnung von Holzkohle, Teer und Leuchtgas der trocknen Destillation unterworfen, und in diesen Fällen erhält man den H. stets als Nebenprodukt. Die alte Meilerverkohlung, bei der nur Holzkohle gewonnen wurde, ist jetzt auf wenige Länder beschränkt, in denen das Holz geringen Wert hat. Meist wird eine rationelle Destillation ausgeführt,[502] bei der man Essigsäure, Aceton, Methylalkohol erhält, die in der Industrie so vielfache Verwendung finden (während die Benutzung der Holzkohle, z. B. zu schwarzem Schießpulver, an Bedeutung verloren hat), daß gegenwärtig die Gewinnung der flüssigen Destillationsprodukte weitaus am wichtigsten ist.
Die Ausbeute an H. bei der Verkohlung des Holzes in Retorten ist abhängig von der Art und Beschaffenheit (Wassergehalt) des Holzes, von der Chargengröße, der Art und Weise des Feuerns, der Temperatur und Zeitdauer der Verkohlung, dem Druck in der Retorte und der Konstruktion der letztern. Auf trocknem Boden gewachsene und im Winter geschlagene Laubhölzer geben die größte Ausbeute an H., und man verarbeitet daher besonders möglichst trocknes, gesundes Holz von Eichen, entrindeten Birken und speziell Rotbuchen in mehr oder weniger zerkleinertem Zustand. Nadelhölzer eignen sich weniger zur Gewinnung von H., liefern aber Terpentinöl und so viel Harz und Teer, daß besondere Vorrichtungen zum schnellen Abführen derselben aus Retorten und Kondensationsanlagen nötig werden. Bei der Verkohlung muß die Temperatur ganz langsam auf 350° gesteigert werden, wobei die entwickelten Dämpfe möglichst schnell (event. durch Saugvorrichtungen) aus der Retorte zu entfernen und den Kondensationsanlagen zuzuführen sind.
Zur Verkohlung von Laubhölzern benutzt man in Deutschland am häufigsten liegende zylinderförmige Retorten aus Schmiedeeisen, die an der Stirnseite mit einer eisernen, luftdicht schließenden Tür, am entgegengesetzten Ende mit einem Ableitungsrohr für die Destillationsprodukte versehen sind und in 24 Stunden zweimal beschickt werden. In dem Ofen liegen zwei Retorten, die von einer gemeinsamen Feuerung geheizt werden, und zur bessern Ausnutzung der Wärme stellt man mehrere derartige Ofen nebeneinander auf. Zur Heizung benutzt man das bei der Verkohlung des Holzes entwickelte Gas, außerdem Steinkohlen und unter Umständen Holzteer, der durch Dampf erhitzt und dann zerstäubt wird. Nach beendeter Verkohlung wird die Holzkohle in einem luftdicht verschließbaren Dunstsammler gebracht und die Retorte neu beschickt. Die bei der Verkohlung entwickelten Gase und Dämpfe durchströmen eine in Wasser mit beständigem Zufluß liegende Schlangenröhre, aus der Teer und H. abfließen, während die nicht verdichteten Gase in die Retortenfeuerung, zu den Verdampfpfannen, Trockenvorrichtungen etc. geleitet werden. Man läßt den Rohessig möglichst lange stehen, um den Teer recht vollständig abzuscheiden, und führt ihn dann den Destillationsapparaten zu. Bisweilen werden zur Verkohlung des Holzes auch stehende Retorten angewendet, schmiedeeiserne Zylinder, von denen je zwei eine gemeinsame Feuerung haben. Über dem Retortenofen läuft auf Schienen ein Kranwagen, der die abdestillierte, verschlossene und ausgehobene Retorte dem Kohlensammler zuführt, während ein zweiter Kranwagen eine neu beschickte Retorte in den Ofen bringt. Durch die strahlende Wärme des Mauerwerks wird die Destillation sofort wieder eingeleitet.
Zur Verkohlung der Nadelhölzer, bei der Terpentinöl und Harz so abgeleitet werden müssen, daß sie in den eigentlichen Holzdestillationsprozeß gar nicht eintreten, benutzt man die HesselschenThermokessel, stehende Retorten, die fest eingemauert sind und nur von der Mantelfläche, nicht vom Boden aus, geheizt werden. Von dem mittlern, freiliegenden Teil des Bodens führt ein Ableitungsrohr nach dem Teersammelgefäß. Außerdem ist jede Retorte mit Vorrichtung zur Einführung von direktem, eventuell überhitztem Dampf und dicht über dem Boden mit einer Einrichtung zum Herausnehmen der Kohle versehen. Die leichter flüchtigen Destillationsprodukte passieren einen oder mehrere Teerscheidekörper, aus denen der hier verdichtete Teer ebenfalls in den Teersammler fließt. Die aus dem Teerscheidekörper entweichenden Dämpfe und Gase gelangen in zwei Kühlsysteme, von denen eins das Terpentinöl, das andre den H. und leichtern Teer verdichtet. Die nicht verdichteten Gase gehen in die Feuerung. Zur Gewinnung des Terpentinöls wird bei Beginn der Destillation mäßig gefeuert und in die Retorten direkter, nötigenfalls überhitzter Dampf geleitet, der die Terpentinöldämpfe fortführt; sie werden mit Kalkmilch gewaschen und dann im Kühler verdichtet. Sobald kein Terpentinöl mehr erscheint, stellt man den Dampf ab und führt nun die Destillation durch Außenfeuerung zu Ende. Das rohe Terpentinöl wird in mit überhitztem oder gewöhnlichem Dampf geheizten Destillationsapparaten von Kreosot getrennt und schließlich in Kolonnenapparaten rektifiziert. Aus dem harzhaltigen Teer wird Kienöl abgeschieden.
Abfallhölzer aus Sägemühlen, Holzfarbstoff- und Gerbstoffabriken finden nur geringe Verwendung als Brennmaterial, Verpackungsmaterial, zur Herstellung von Desinfektionspulvern, Oxalsäure, Füllung von Puppenbälgen etc. Sehr große Mengen bleiben unbenutzt, können aber vorteilhaft auf H. verarbeitet werden. Die möglichst trocknen (etwa 15 Proz. Wasser enthaltenden) Sägespäne preßt man in einem Zylinder unter einem Druck von 10001500 Atmosphären in Scheiben, die durch besondere Einrichtungen vielfach durchbohrt werden. Diese Scheiben verkohlt man in liegenden Retorten und gewinnt eine Kohle, die hinreichend fest ist, um transportiert werden zu können. Man führt auch in den Retortenhals vorgewärmte Luft ein, die anfangend auf die Gase und Dämpfe in der Retorte wirken und vorhandenen Aldehyd, der niemals zur Verdichtung gelangt, zu Essigsäure oxydieren soll. Vgl. Klar, Die moderne Holzdestillation (in der Zeitschrift »Die chemische Industrie«, 1897). Nach ältern Angaben erhält man aus dem Holz von
Der rohe H. (Acetum pyrolignosum crudum), vom spez. Gew. 1,0151,03, enthält 59 Proz. Essigsäure, 610 Proz. Holzgeist, außerdem Buttersäure, Aceton, Essigsäuremethyläther, Phenol (Karbolsäure), Ammoniaksalze, Brandöle und Brandharze. Er wirkt stark fäulniswidrig und dient zur Konservierung von Fleisch und Wurst (Schnellräucherung), von Holz und Tauen, zum Einbalsamieren (schon bei den Ägyptern), in der Veterinärpraxis bei Klauenseuche, Maulfäule, Räude, Krätze, auch als äußerliches Arzneimittel bei Wunden, Krebsgeschwüren, Frostbeulen etc., zur Bereitung von holzessigsaurem Eisen (durch Auflösen von Eisenfeilspänen etc.), Bleizucker,[503] essigsaurer Tonerde, essigsaurem Kalk und essigsaurem Natron. Für den innerlichen Gebrauch bei Magenerweichung, Tuberkulose etc. bereitet man durch fraktionierte Destillation den rektifizierten H. (Acetum pyrolignosum rectificatum), eine klare, farblose oder gelbliche Flüssigkeit von brenzligem, saurem Geruch und Geschmack. Die bei weitem größte Menge des Holzessigs wird auf Essigsäure (s. d.) verarbeitet, wobei man Methylalkohol und Aceton als Nebenprodukte gewinnt.
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