Inselflora

[868] Inselflora, die Gesamtheit der auf Inselgebieten einheimischen Pflanzenarten. Sie kann vollständig mit der Pflanzenwelt eines benachbarten Festlandes übereinstimmen, wie z. B. auf Rügen im Vergleich zu dem benachbarten Pommern, oder sich von der Festlandsflora nur durch auffallende Armut von Arten unterscheiden, wie auf den nordfriesischen Inseln, deren westbaltische Flora durch die Wirkung der Stürme und des Dünensandes allmählich verarmt ist (Reliktenflora). Ganz anders liegen die Verhältnisse auf ozeanischen, vom Festland floristisch unabhängigen Inseln,[868] auf denen, ähnlich wie auf Gebirgen (s. Hochgebirgsflora), der Reichtum an endemischen Arten mehr oder weniger groß zu sein pflegt. Dazu kommt noch ein pflanzengeographisch besonders charakteristisches Vorkommen endemischer Gattungen. Folgende von Drude zusammengestellte Tabelle gibt über die wichtigsten in dieser Beziehung ermittelten Zahlen Auskunft.

Auf echt ozeanischen Inseln pflegen die daselbst vorhandenen endemischen Arten wenigstens teilweise zu Typen zu gehören, die auf den benachbarten Festlandsgebieten entweder gar nicht oder durch stark abweichende, häufig zu andern Gattungen gehörige Formen vertreten sind. So beherbergt z. B. Juan Fernandez eine Magnoliazee (Lactoris fernandeziana), die eine besondere Untergruppe (Tribus) der Familie bildet, und deren nächste Verwandte die auf den Anden einheimische Gattung Drimys darstellt.

Tabelle

Mehrere tropische Inseln zeichnen sich durch merkwürdig abweichende, baumartige Kompositen, die Sandwichinseln durch eigentümliche strauchige Karyophylleen, die Seschellen durch eine in der Fruchtbildung isoliert dastehende Palmengattung (Lodoicea) aus. Die Galapagosinseln, deren Endemismus (s. die Tabelle) ziemlich groß ist, haben, entsprechend ihrer geographischen Lage, eine ausgesprochen amerikanische Flora. Die Pflanzenwelt der Kanaren, Madeiras und der Azoren besitzt im allgemeinen den Charakter der westlichen Mittelmeerflora, enthält aber einige Arten, wie Laurus canariensis, Arbutus canariensis, Clethra arborea, die im Mittelmeergebiet entweder, wie die jetzt nur in Amerika verbreitete Clethra, ganz fehlen oder daselbst durch andre Arten, wie Laurus nobilis, Arbutus Unedo und A. Andrachne, vertreten werden. Jene afrikanischen Inseln sind wahrscheinlich schon zur Tertiärzeit mit Florenelementen, wie Laurus, Arbutus und Clethra, besiedelt worden, die seit jener Zeit in Europa verschwunden oder umgestaltet worden sind. Die ozeanischen Inseln sind hinsichtlich ihrer endemischen Flora ebenso Erhaltungsgebiete alter wie Ursprungsstellen neuer Arten; ersteres ist besonders dann der Fall, wenn eine I. eine gewisse Zahl monotypischer (d. h. aus einer Art bestehenden) Gattungen aus ungleichartigen Familienkreisen enthält, während letzteres für Inseln anzunehmen ist, auf denen zahlreichere Arten aus näher verwandten Gattungen und Familien entwickelt sind. Ein auffallendes Merkmal vieler tropischer Inseln ist ihr Reichtum an Holzpflanzen, während die Vegetation auf arktischen oder antarktischen Inseln fast ausschließlich aus Stauden besteht. Den ozeanischen Inseln mit entsprechend hohen Bergkuppen fehlt ferner eine alpine Flora, die meist durch Anpassungsformen von Pflanzen niederer Regionen ersetzt wird. Die Besiedelung vegetationsloser Inseln mit Pflanzen beginnt nach Treubs Beobachtungen auf Krakatoa mit einer Algenvegetation, welche die Unterlage für die sich später ansiedelnden Farne liefert; an der insularen Küste erfolgt dagegen die Besamung mit Blütenpflanzen teils vom Meer aus, das die Samen herbeischwemmt, teils durch Vögel. Auf den arktischen Inseln bildet das Eis mit seinen Einschlüssen von erdhaltigen Geröllen ein wichtiges Transportmittel der Pflanzensamen. Andre Verhältnisse als die oben geschilderten herrschen auf Inseln, die, wie Madagaskar, die Sundainseln, die Inseln Polynesiens, ein selbständiges Florenreich bilden, oder, wie die Mittelmeerinseln, Großbritannien u. a., dicht nebeneinander liegende Abschnitte eines solchen einheitlichen Gebietes darstellen. Hier fehlen mehr oder weniger die Ursachen für die Florenabsonderung und die Erhaltung uralter Typen, die auf den ozeanischen Inseln herrschen. Vgl. Wallace, Island life; insular faunas, floras, etc. (Lond. 1880); Hemsley, Introduction to Reports on insular floras (»Challenger Reports, Botany«, das. 1888); Drude, Handbuch der Pflanzengeographie (Stuttg. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 868-869.
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