[610] Karäer (Karaïten, hebr. Karaïm, »Bibelanhänger, Schriftgläubige«, oder, wie sie sich selbst nennen, »B'ne Mikra«, Bibeljünger), jüd. Sekte, welche die rabbinische Tradition verwirft und zum Buchstaben des mosaischen Gesetzes zurückkehrt, in der Mitte des 8. Jahrh. von Anan ben David in Babylonien gestiftet und einige Generationen hindurch nach ihrem Stifter Ananäer genannt. Im allgemeinen stets gering an Zahl, hielten sich die K. bis in die Zeit der Kreuzzüge in Palästina und wanderten nach der Einnahme Jerusalems durch die Kreuzfahrer teils nach Ägypten und Griechenland, teils nach Südarabien und über die Küstenländer der Berberei nach Spanien aus. Gegenwärtig trifft man sie nur noch zerstreut in der Krim und im Süden Rußlands (ca. 5500), wo sie im Gegensatz zu den übrigen Juden nicht nur alle Bürgerrechte, sondern sogar Vorrechte (s. Ehrenbürger) genießen, im Orient, in Nordafrika und Ägypten, wo lange Zeit in Kairo der Sitz ihres religiösen Oberhauptes war. Ihre in arabischer und hebräischer Sprache geschriebene Literatur ist ziemlich reich. Zu den ältesten Schriftstellern der K. gehören. Ahron ben Elia, Benjamin ben Mose Hawendi (Nahawendi), Daniel ben Mose al Komsi, Hassan ben Maschiach, Joseph ben Noach Habozri, Jude hadassi, Jakob ben Isak al Kirkasani, dessen Sohn Joseph Haroëh, Sahal ben Mazliach, Salman ben Jerucham,[610] Jefet ben Ali halevi u. a. Einzelne ihrer Werke sind in neuerer Zeit in Koslow (Eupatoria) gedruckt. Die K. haben keineswegs durch Verwerfung der rabbinischen Tradition die Religionsübung erleichtert und vereinfacht, sondern sie in Erschwerungen gekleidet, die, wie z B. ihr Sabbat-, Schlacht- und Ehegesetz etc., weit drückender sind als die Satzungen der Rabbiner. Scharfe Widerlegung erfuhr das Karäertum durch Saadja, Juda ha Levi, Abraham ibn Esra und David Neto. Vgl. Fürst, Geschichte des Karäertums (Leipz. 1865); Winter u. Wünsche, Die jüdische Literatur, Bd. 2, S. 65 ff. (Leipz. 1894).