Ehrenbürger

[412] Ehrenbürger, derjenige, dem das Bürgerrecht zur Auszeichnung von der städtischen Behörde erteilt wird. Mit dem Ehrenbürgerrecht sind in Deutschland in der Regel keine Rechtswirkungen verbunden. – In Rußland kann das Recht eines Ehrenbürgers gesetzlich verliehen werden, und zwar erblich oder persönlich. Die Rechte eines erblichen Ehrenbürgers können erworben werden durch a) Geburt, b) Bildung, c) persönliche Tätigkeit. Durch Geburt gehören zu den Ehrenbürgern: 1) die Kinder derjenigen Personen, die den persönlichen Adel erworben haben; 2) die Kinder der Offiziere und Beamten (bis zum Hauptmannsrang), die mit dem Annen- oder Stanislausorden dekoriert wurden; 3) die Kinder der Geistlichen griechischer, armenischer und lutherischer Konfession; 4) die Kinder desjenigen Mulla (s. d.), der 12 Jahre das Amt des transkaukasischen Scheich-ul-Islam oder des transkaukasischen Mufti (s. d.) bekleidet hat. Durch Bildung gehören zu den Ehrenbürgern: Personen, die eine Hochschule besucht und das Abgangsexamen bestanden haben. Durch ihre persönliche Tätigkeit endlich haben Anspruch auf das Recht eines Ehrenbürgers: 1) Künstler der kaiserlichen Theater; 2) Karäer (s. d.), die zwölf Jahre das Amt eines Geistlichen bekleidet haben; 3) Bewohner der Städte Anapa, Noworossinsk, Pots, Petrowsk und Suchurn für besondere Dienste, die sie dem Staat geleistet haben; 4) Kaufleute und deren Witwen, die den Titel Kommerzienrat oder Manufakturrat erworben haben oder mit einem russischen Orden dekoriert wurden; 5) Kaufleute und deren Familien, wenn sie die gesetzlichen Abgaben für Kaufleute der ersten Gilde (s. d.) 20 Jahre lang bezahlt haben. Die erblichen E. genießen folgende Rechte: 1) sie führen diesen Titel als Zusatz zu ihrer Namensunterschrift; 2) sie sind von der Kopfsteuer und Leibesstrafe frei; 3) sie werden nicht in die Revisionsliste eingetragen. Diese Rechte sind gegenwärtig zusammengeschmolzen. Die Kopfsteuer und die Leibesstrafe sind im ganzen Reich aufgehoben; denn vor dem Strafgesetze sind alle gleich. Die Revision der Bürger und Bauern, die direkte Steuern zu zahlen haben, ist seit fast einem halben Jahrhundert aufgehoben. Auf diese Weise ist nur noch der Titel geblieben. Auf dem Lande hat dieser insofern einen gewissen Wert, weil man nicht gern dem Stande der Kleinbürger angehören will. Für den gebildeten Russen und für die Beamten ist das Recht des Ehrenbürgers gegenstandslos, weil jeder Beamte einen gewissen Rang verliehen erhält und das Diplom einer Hochschule als solches schon eine bestimmte soziale Stellung gibt. Vgl. »Gesetzbuch (Swod Sakōnow) über die Stände« (Bd. 10 der Sammlung geltender Gesetze, russ.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 412.
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