[232] Jerusālem (in den Keilinschriften Ursalimmu, in den Hieroglyphen Schalam, griech. und lat. Hierosolyma, hebr. Jeruschalajim, »Wohnung des Friedens«, bei den Arabern El Kuds, »das Heiligtum«, bei den Türken Küdsi-Schêrif genannt), die alte Hauptstadt Palästinas, unter 31° 47' nördl. Br. und 35°13-östl. L., auf mehreren Hügeln über dem Bache Kidron gelegen, der östlich von der Stadt zwischen ihr und dem Ölberg durch das Tal Josaphat fließt, in einer ungeachtet des steinigen Kalkbodens doch ziemlich ergiebigen Gegend. Das Klima ist im ganzen gesund, die Hitze auch im Sommer durch Seewinde gemäßigt; nachts oft starke Abkühlung. Ein Nachteil ist der Mangel an ausreichendem Quellwasser. Der ursprüngliche altkanaanitische Name des Ortes zu Abrahams Zeit war Salem, später Jebus. Von den Jebusitern eroberte erst David die Burg Zion auf dem 743 m hohen östlichen Hügel, machte die Stadt zu seiner Residenz und vergrößerte sie beträchtlich (daher auch Stadt Davids genannt). Eigentlich war sie dem Stamm Benjamin zugeteilt worden, doch finden wir sie stets im Besitz des Stammes Juda. Nach David ward die Stadt durch Salomo vergrößert und verschönert, namentlich durch einen prächtigen königlichen Palast und, nördlich davon, den auf dem geebneten und durch hohe, aus dem Taf ausgeführte Böschungsmauern erweiterten Gipfel des Moria errichteten berühmten Tempel, der mit Hilfe tyrischer Arbeiter erbaut und 988 eingeweiht wurde (Weiteres s. Tempel). Diese Blüte währte aber nur kurze Zeit: schon unter Salomos Sohn Rehabeam wurde J. von Sisak von Ägypten (954), 90 Jahre später von arabischen und philistäischen Völkern, darauf von Joas, König von Israel (836819), geplündert. Usias (800748) brachte J. wieder zu größerm Ansehen, Hiskias (726697) und Manasse (697642) befestigten es von neuem, bis es endlich[232] 587 nach fast zweijähriger Belagerung in die Hände von Nebukadnezar fiel, geplündert und der meisten seiner Einwohner beraubt wurde. Zu jener Zeit umfaßte J. eine Bevölkerung von 1718,000 Seelen. Nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil (538) ward J. mit Benutzung der noch vorhandenen Fundamente und Trümmer durch Serubabel, Esra (seit 458) und Nehemia (455) wieder aufgebaut und mit Mauern und Türmen versehen. Auch der Tempel ward wiederhergestellt, jedach bei weitem nicht in der alten Größe und Pracht. Judas Makkabäus ließ später, nachdem er der syrischen Herrschaft über Palästina ein Ende gemacht, den von Antiochos Epiphanes 170168 geplünderten und durch Götzendienst entweihten Tempel reinigen, ausbessern und stark befestigen; aber erst Herodes d. Gr. war es, der seit 20 v. Chr. Serubabels einfachen Tempel wieder in einen Prachtbau verwandelte, der aber nie ganz vollendet wurde. Er befestigte auch die Burg Baris an der Nordwestecke der Tempelarea von neuem und nannte sie seinem römischen Patron M. Antonius zu Ehren Antonia, errichtete sich auf dem höchsten Punkte des Westhügels einen prächtigen Palast, den die drei Türme Hippikos, Phasael und Mariamne schirmten, und wo später der römische Statthalter residierte, erbaute ein Theater, den Xystos (einen von Säulenhallen umgebenen Platz, östlich vom Palast) sowie ein Rathaus. Unter Herodes' Regierung hatte J. den Höhepunkt von Glanz und Pracht erreicht; aus jener Zeit besitzen wir die Schilderung des Josephus, nach dem J. an 250,000 (?) Einw. gezählt haben soll. Zwar hatte die Stadt schon damals enge und krumme Gassen wie heute, aber jene Prachtgebäude und die Mauern mit ihren Türmen gaben ihr ein imposantes Ansehen. Außerhalb (d. h. nördlich der Stadt) dehnten sich Villen und Gärten weithin aus. Dieser Teil wurde erst durch Herodes Agrippa 4144 n. Chr. mit Mauern eingefaßt, die ungefähr den heutigen an jener Stelle entsprechen. So besaß J. eine dreifache Umwallung: die erste Mauer (Davids und Salomos) um die obere Stadt, Ophel und Moria; die zweite Mauer (erbaut von Hiskias etc., wiederhergestellt von Nehemia), die das jene Hügel trennende »Käsemachertal« und die Vorstadt im N. einfaßte, und die dritte Mauer (Agrippas), welche die Neustadt oder Bezetha umgab und im NO. und NW. je einen mächtigen Eckturm und außerdem noch 88 kleinere besaß (vgl. den Plan).
Doch sind diese Ansetzungen noch keineswegs über jeden Zweifel erhaben. Für immer verlor J. seine politische Bedeutung 70 n. Chr., als infolge des Aufstandes der Juden gegen die Römer Titus vom April bis September die Stadt belagerte, schrittweise eroberte und zerstörte. Erst Hadrian erbaute seit 130 an der Stelle Jerusalems eine römische (Militär-) Kolonie, die Aelia Capitolina. Doch blieb der südliche Teil des Westhügels und der Berg Ophel davon ausgeschlossen. Die neue Stadt ward bloß mit Römern bevölkert, den Juden der Aufenthalt daselbst untersagt und an der Stelle des alten Jehovatempels ein Tempel des Jupiter Capitolinus erbaut. Von nun an erfuhr J., Neubauten von Kirchen, Klöstern und Hospizen unter Konstantin d. Gr. und Justinian abgerechnet, im Altertum keine größern Veränderungen; wohl aber führte die Besitznahme Jerusalems durch die Araber unter Omar 637, dann wieder die Eroberung durch die Kreuzfahrer 1099 und endlich die durch Saladin herbeigeführte Rückkehr der Stadt unter mohammedanische Herrschaft 1187 vielfache Umgestaltungen herbei, wodurch J. nach und nach seine heutige Gestaltung[233] erhalten hat. In neuester Zeit ist ihre Topographie durch die Nachgrabungen von de Saulcy, de Vogüé, dem Palestine Exploration Fund und dem Deutschen Verein zur Erforschung Palästinas mehr und mehr klargelegt worden, wobei man den stellenweise 25 m, ja 40 m hoch aufliegenden Schutt durchdringen mußte. Namentlich sind die großartigen Aquädukte und das mit denselben in Verbindung stehende System von Zisternen und Kanälen deutlich erkennbar verfolgt worden. Eine dieser Wasserleitungen schaffte Wasser bis zum Tempelplatz, eine andre in die Vorstadt. Doch bietet die alte Topographie Jerusalems wegen der Unmöglichkeit umfassender Ausgrabungen noch immer viele schwierige und einstweilen unlösbare Fragen.
(Hierzu der Stadtplan von Jerusalem.)
J. ist Hauptstadt eines selbständigen Sandschaks (17,100 qkm mit 341,600 Einw.) und gilt noch jetzt Christen, Juden und den Bekennern des Islams als eine heilige Stadt. Es liegt 725789 m ü. M. auf und an dem Abhang eines Kalkfelsens, der nur auf der Nordseite sanft ansteigt, sonst allseitig steil abfällt. Mit Jafa ist es seit 1892 durch Eisenbahn verbunden, die jährlich über 50,000 Personen und ca. 25,000 Ton. Güter befördert. Von den die Stadt umgebenden Bergen ist der Ölberg, an der Ostseite, der höchste (828 m ü. M., 148 m über dem Kidron); an ihn schließt sich südlich der Berg des Ärgernisses (Dschebel Batn el Hawa). Im S. liegt der Berg des bösen Rates. Auf drei Seiten, gegen O., S. und W., ist J. von tiefen Tälern umgeben: im O. vom Tal Josaphat (Wadi Sitti Mariam), zwischen Ölberg und dem Berg Moria, im W. und S. vom Tal Ben Hinnom (Wadi er-Rababi), das sich mit jenem vereinigt. Ein drittes, weniger tiefes, von N. nach S. gerichtetes Tal, das Tyropöon oder Käsemachertal, teilt die Stadt in eine westliche Hälfte (97 m über dem Kidron) und eine östliche mit den Hohen Moria und Bezetha. Die aus großen Werkstücken erbauten Mauern mit 34 viereckigen Türmen stammen aus der Zeit Sultan Solimans, messen etwa 4 km im Umfang und sind 12 m hoch. Von sieben Toren sind nur fünf geöffnet, das Damaskustor im N., das Stephanstor im O., das Moghrebiner oder Misttor und das Zionstor im S. und das am meisten benutzte Jafator im W. Dazu kam 1889 an der Nordwestecke das neu durchgebrochene Bâb Abd ul Hamid. Die belebtesten Gassen sind die meist überwölbten Suks (Basare), dann die zum Damaskustor führende und die die Stadt vom Jafator zum Haram von W. nach O. durchschneidende Straße. Dadurch zerfällt J. in vier Quartiere: im O. das mohammedanische mit dem Tempelplatz (Haram esch Scherif), der sogen. Via dolorosa (s. unten), zwei Kasernen und dem Konak; im NW. das christliche mit der Kirche des Heiligen Grabes, dem Hiskiasteich, den Wohnungen des lateinischen und griechischen Patriarchen, der deutschen Kirche, vielen Klöstern; im SW. das Quartier der Armenier, mit der Zitadelle, einer dritten Kaserne, der englischen Kirche und dem Jakobskloster, der Residenz des armenischen Patriarchen; endlich das Judenquartier, im Tale zwischen Haram und dem traditionellen Zion, mit mehreren Synagogen. Die schmutzigen Straßen sind eng, abschüssig und vielfach gebrochen, schlecht oder gar nicht gepflastert. Die Häuser sind aus Stein, aber klein und niedrig, oft mit Kuppeln gekrönt oder mit flachen Dächern versehen. Schmale, niedrige Türen und meist vergitterte Fenster gehen den Häusern ein gedrücktes Aussehen. Verräucherte Kaffeeschenken, düstere Basare und Sackgassen, stallartige Erdgeschosse, der Mangel an geräumigern Plätzen, die Stille der meisten Straßen vollenden das trübselige Bild der Stadt, die, vom Ölberg oder von N. gesehen, sich sonst stattlich genug ausnimmt. Erwähnenswerte öffentliche Gebäude weltlicher Bestimmung besitzt J. außer der z. T. sehr alten Zitadelle nicht. Das reichste und größte Kloster ist das armenische auf dem (traditionellen) Berge Zion, mit großer Pilgerherberge und der mit Fayencen getäfelten Kirche des heil. Jakobus.
[Heiligtümer.] Die vornehmsten Heiligtümer Jerusalems sind in der sogen. Via dolorosa (»Schmerzensweg«) vereinigt, einer 1 km langen, vom Stephanstor zur Kirche des Heiligen Grabes führenden Straße, die nach der aus dem 16. Jahrh. stammenden Sage Jesus auf seinem Gange zum Tode durchwandelt haben soll, wie der Platz der Geißelung, das Haus des Pilatus, der Ort der Kreuzauflegung u. a. Die Überlieferung betreffs dieser Stationen hat übrigens im Laufe der Zeit mehrfach gewechselt. Die letzten 5 der 14 Stationen befinden sich in der Heiligen Grabeskirche selbst. Vor dem Tor derselben ist ein mit Steinplatten gepflasterter Platz, wo Händler mit Wachslichten, Jerichorosen, Rosenkränzen etc. ihre Waren anpreisen. Die Fassade der Kirche hat zwei Portale, von denen das eine jetzt zugemauert ist, darüber zwei fast ganz vermauerte Fenster mit flachen Spitzbogen. Das flache Dach wird von einer großen und einer kleinern Kuppel überragt, während sich zur Linken ein halb eingefallener Glockenturm erhebt. Jeder der verschiedenen Sekten gehören einzelne Teile des verzwickten Kirchen- und Kapellen komplexes (vgl. den Grundriß der Kirche, S. 235, in den die wichtigsten Teile eingezeichnet sind). Die erste Reliquie dieses »größten Reliquienschreins der christlichen Welt« ist eine rötliche Marmorplatte, auf der die Salbung des Gekreuzigten durch Nikodemus statt gefunden haben soll (der jetzige Stein datiert von 1808). Eine Treppe zur Rechten führt von da nach Golgatha, das 4,5 m über dem Boden der Grabeskirche liegt, den Griechen gehört und in einer Kapelle verwandelt ist, die durch weiße Marmorpfeiler geteilt wird (vgl. Mommert, »Golgatha und das Heilige Grab«, Leipz. 1900). Die Vertiefung, in der das Kreuz Christi stand, ist in Silber gefaßt. Zu beiden Seiten sieht man die Löcher, wo die Kreuze der Schächer standen, und dicht dabei im Felsen den beim Verscheiden Jesu entstandenen Riß, welcher der Legende nach bis in den Mittelpunkt der Erde hinabreicht. Eine Messingleiste verdeckt die (in Wahrheit etwa 20 cm tiefe) Spalte. Nach rechts führen 29 Stufen aus einem Rundgang (s. unten) in den östlichsten, den Abessiniern gehörigen Teil des Gebäudes, die ziemlich geräumige Helenakapelle, hinunter. Noch 13 Stufen tiefer steht in einer Felsenhöhle ein Altar über der Stelle, wo das Kreuz mit der Dornenkrone, den Nägeln etc. gefunden worden sein soll. In diesem Rundgang finden sich die kleinern Kapellen der Verspottung, der Kleiderteilung und des Kriegsknechts Longinus, der Christi Seite mit dem Spieß durchstach und, später bekehrt, hier jahrelang als Büßer gelebt haben soll. Alle diese Kapellen sind mit Lampen, meist auch mit kunstlosen Bildern ausgestattet. Dieser Rundgang mit seinen Kapellen gehört zu der von der Grabeskirche ursprünglich getrennten, 114049 erbauten Kreuzfahrerkirche, deren Hauptteil das[234] sogen. Katholikon oder Griechenchor, der imposanteste Raum des ganzen Baues, ist, in dessen Mitte eine Kugel den »Mittelpunkt der Welt« bezeichnet. Gold und Silber, Bronze und Marmor sind hier bis zur Überladung verwendet. Westlich von dieser Kirche liegt die große Rotunde der Grabeskirche; 16 Pfeiler bilden die Rippen des Rundbaues und haben Arkaden zwischen sich, die sich in einer Galerie darüber wiederholen und sich oberhalb der Hohlkehle als Nischen fortsetzen. Unmittelbar darunter befindet sich die das Heilige Grab umschließende Kapelle, ein längliches Viereck (8 × 5,5 m), das mit rötlichem Marmor überkleidet und ringsum mit Pilastern und andern Zieraten im Rokokostil geschmückt ist. Das Innere ist in zwei Abteilungen geschieden, von denen die vordere, die sogen. Engelskapelle, den Stein umfaßt, auf dem der Engel saß, der den Jesu Leichnam suchenden Frauen die Worte zurief: »Warum suchet ihr den Lebendigen bei den Toten?«; die zweite Abteilung, ein niedriger Raum von 2 m Länge und 1,8 m Breite, enthält das heilige, ganz mit neuen Marmorplatten bedeckte Felsengrab selbst, an dem täglich Messe gelesen wird. Von der Decke des Gemachs hängen 43 Ampeln von edlem Metall herab; je 13 davon gehören den Griechen, Lateinern und Armeniern, 4 den Kopten. Durch die Arkaden des nördlichen Teiles der Rotunde gelangt man in einen den Lateinern gehörigen Vorra um, auf dessen Fußboden ein Marmorring die Stelle bezeichnet, wo der Auferstandene der Maria Magdalena als Gärtner erschien, und gleich nördlich daneben befindet sich die Kapelle, wo er sich seiner trauernden Mutter zeigte. Außerdem wird hier hinter einem Gitter die eine Hälfte der Säule verwahrt, an der Christus gegeißelt ward. Eine beträchtliche Anzahl von Heiligtümern zweiten und dritten Ranges wird außen an der Mauer gezeigt. Über die Echtheit der Örtlichkeit ist viel gestritten worden; Bestimmtes läßt sich aber nicht behaupten, ehe nicht der ganze Boden im Zusammenhang untersucht worden ist, was wiederum kaum möglich ist. Die Hauptdaten in der Geschichte der Kirche sind folgende: Zuerst ließ Konstantin d. Gr. nach der angeblichen Auffindung des Heiligen Grabes hier eine 336 geweihte Basilika errichten, die 614 von den Persern zerstört ward. Nachdem um 620 ein Abt Modestus den Bau wiederhergestellt hatte, wurde er im 10. Jahrh. zweimal durch Feuer und 1010 von den Türken völlig zerstört. Bis 1055 war indessen die Kirche wieder aufgebaut, worauf die Kreuzfahrer viel zu ihrer Erweiterung und Verschönerung taten. Diese letztern Bauten haben sich, durch spätere Zutaten entstellt oder verdeckt, bis heute erhalten. Von neuem wurde die Kirche zerstört, als 1244 die Charesmier die Stadt eroberten; gleichwohl besaß sie um 1310 wieder viele reichgeschmückte Altäre. 1664 ließ sie der griechische Patriarch gründlich ausbessern. Die Grabkuppel ward besonders durch Beiträge aus Frankreich hergestellt. Dieser Neubau ward 1719 beendet. Am 12. Okt. 1808 entstand durch eine Kerze ein Brand, der die Kirche so beschädigte, daß man sie ganz neu aufzubauen beschloß. Die Kosten wurden vornehmlich von den Griechen und Armeniern bestritten. 1810 war der Bau vollendet. Von alters her hat der konfessionelle Hader sich in der Kirche des Heiligen Grabes in widerwärtigen, oft blutigen Händeln Luft gemacht. Der stärkste Besuch findet am Abend vor dem griechischen Osterfest statt, wo das angeblich Wunder wirkende heilige Feuer vom Himmel herabgebetet wird und unter den Gläubigen das schrecklichste Gedränge, oft wilde Prügelei veranlaßt. Vgl. Mommert, Die heilige Grabeskirche zu J. in ihrem ursprünglichen Zustande (Leipz. 1898).
Die Stätte des alten jüdischen Tempels bezeichnet auf dem heiligen Tempelplatz im SO. der Stadt, dem Haram esch Scherif, eine 3 m hohe Plattform von 160 m Länge und 125155 m Breite, die mit Marmor getäfelt ist, unnd zu der marmorne Stufen führen. In ihrer Mitte steht der achteckige Felsendom (auch Omar-Moschee genannt), ein leichter, schöner Bau aus dem 7. Jahrh. mit 30 m hoher und 20 m im Durchmesser haltender Kuppel, nächst der Moschee zu Mekka die heiligste der ganzen mohammedanischen Welt, an die wie an den darin befindlichen heiligen Felsen sich viele Sagen knüpfen. Eine andre Moschee, El Aksa, ehemals die schöne, der Jungfrau Maria geweihte Basilika Justinians, liegt im südlichen Teil des Tempelplatzes.
[Bevölkerung.] Die mächtigste christliche Gemeinde in J. ist die griechische, 4000 Seelen stark; sie besitzt einen Patriarchen, 10 Klöster, die Raum für 2500 Pilger bieten, eine Mädchen- und eine Knabenschule, ein Hospital und eine Druckerei. Selbständig ist die russische Mission, der ausgedehnte Baulichkeiten (Kirchen, Pilgerhäuser, Spital) nordwestlich von der Stadt und auf dem Ölberg gehören. Die Katholiken (3800 Seelen) besitzen das Patriarchat mit großer Kirche, daneben 4 Kirchen und Kapellen, 8 Schulen, 3 Hospitäler, 4 Pilgerhäuser und 21 Klöster. Den deutschen Katholiken wurde 1898 vom deutschen Kaiser die Dormitio Sanctae Virginis geschenkt, eine den Katholiken besonders heilige Stätte, die der Sultan dem Kaiser abgetreten hatte; hier soll das dem Evangelisten Johannes gehörige Haus gestanden haben, worin die Mutter Maria seit dem Tode Jesu gewohnt habe und gestorben sei. Dort wird sich nun aus den Mitteln des »Deutschen Vereins vom Heiligen Lande« (s. d., Bd. 4) eine neue Marienkirche erheben nebst einer kleinen Herberge für vornehme Gäste (über diesen Platz vgl. Zahn, Die Dormitio Sanctae Virginis und das Haus des Johannes Markus, Leipz. 1899; Mommert, Die Dormitio und das deutsche Grundstück auf dem traditionellen Zion, das. 1900). Die armenische Kirche zählt etwa 600 Bekenner[235] unter einem Patriarchen und hat 3 Mönchsklöster (darunter das erwähnte Jakobskloster) und ein Nonnenkloster; die 200 koptischen (ägyptischen) Christen unter einem Bischof haben 2 Klöster, die Jakobiten ein kleines Kloster mit einem Bischof, desgleichen haben die wenigen (75) Abessinier einen Bischof und ein Kloster. Eine protestantische Gemeinde (ca. 400 Seelen) besteht in J. seit den 1840er Jahren. Die deutsche evangelische Gemeinde (190 Seelen) besitzt die am 31. Okt. 1898 in Gegenwart des deutschen Kaiserpaares geweihte Erlöserkirche (s. Jerusalem-Stiftung), eine Schule, das Johanniterhospiz, ein Hospital der Kaiserswerther Diakonissinnen, ein Kinderhospital, ein Aussätzigenhaus, 2 Waisenhäuser, einen deutschen Verein, die englisch-protestantische Gemeinde (140 Seelen) Kirche, Schule und Druckerei, die englische Judenmission Kirche, Schule und Spital. Die Sekte der Templer (300 Seelen, s. Tempelgesellschaft) hat ein Lyzeum mit 9 Lehrern. J. ist Sitz eines deutschen Berufskonsuls und des vom evangelischen Kirchenregiment neuerlich ins Leben gerufenen Instituts zur Erforschung der Altertümer des Heiligen Landes (Direktor Prof. Dalman).
Die Gesamtzahl der Einwohner wird auf 51,000 angegeben, davon 10,200 Christen, 10,000 Mohammedaner und 30,800 Juden. Die Verkehrssprache ist arabisch. Im allgemeinen stehen die Bewohner Jerusalems nicht im besten Ruf, indem sie für träge, ränkesüchtig, lügenhaft und feig gelten. Doch halten sie streng auf Beobachtung ihrer religiösen Gebräuche. Handel und Industrie sind unbedeutend, man treibt nur etwas Weberei und Pantoffelmacherei. Ausgeführt werden namentlich Devotionalien.
[Umgebung.] Im N. schließt sich an die Stadt eine Hochebene an; hier liegen die sogen. Königsgräber und die »Gräber der Richter«; näher der Stadt zeigt man eine Höhle, in der Jeremias seine Klagelieder gedichtet haben soll. Südwestlich vom Bahnhof breitet sich die deutsche Templerkolonie aus. Im NW. liegen die ausgedehnten Gebäude der russischen Mission, die fremden Konsulate, das evangelische Mädchenwaisenhaus Talitha Kumi etc. und eine große, meist von Juden bewohnte Vorstadt. Im W. liegen die beiden, vielleicht altjüdischen, in den Felsen gehauenen viereckigen Teiche Mamilla und Birket es Sultan im Felsental Er Rababi (Ben Hinnom), wo zahlreiche Felsengräber erhalten sind; im S. der Töpferacker (Blutacker oder Hakeldama). Auf der Ostseite der Stadt erstreckt sich das Tal des Baches Kidron oder Tal Josaphat. Ganz im SO. liegt der Teich Siloah, der von der intermittierenden Quelle Siloah gespeist wurde. Das Tal Kidron wird im O. vom Ölberg (s. d.) begrenzt, an dessen Südwestfuß das Felsendorf Kefr Silwan liegt. Nördlich davon das sogen. Grab Absaloms, Zacharias' und viele andre alte Gräber. Weiter talaufwärts kommt man nach dem den Franziskanern gehörigen Gethsemane, einem ummauerten Garten mit einigen sehr alten Ölbäumen und verschiedenen durch die Leidensgeschichte Jesu geheiligten Lokalitäten. Weiter nördlich, am Fuße des Ölbergs, zeigt man das angeblich von der heil. Helena errichtete Grabmal der Jungfrau Maria, daneben die Gräber ihrer Eltern und ihres Gatten Joseph. Vgl. Tafel »Flaggen«, Fig. 30, ferner das Nebenkärtchen auf der Karte »Palästina« und den Abschnitt »J.« in den Reisehandbüchern für Palästina von Meyer und Bädeker (s. unten); Schick, Karte der nähern (1: 10,000) und der weitern Umgebung (1: 63,360) von J. (Leipz. 1896 u. 1897).
[Spätere Geschichte.] J. blieb unter der Herrschaft der oströmischen Kaiser, bis es von dem Perser Chosrav II. 615 erobert ward. Zwar gewann der Kaiser Herakleios die Stadt im Frieden 628 wieder; doch schon 637 konnte nach zweimonatiger Belagerung Kalif Omar in die heilige Stadt einziehen. Die Araber gestatteten den Christen, die heiligen Orte zu besuchen. Aber seit sich 1076 die Seldschuken Jerusalems bemächtigt hatten, denen 1098 die ägyptischen Fatimiden folgten, sahen sich die Christen vielfachen Bedrückungen ausgesetzt. Nachdem im ersten Kreuzzug Gottfried von Bouillon 15. Juli 1099 J. erobert hatte, wurde ein eignes christliches Königreich J. gestiftet. Auf dem Throne saßen nacheinander Gottfried von Bouillon, Balduin I. (seit 1100), Balduin II. (seit 1118), unter dem die Johanniter und Tempelherren emporblühten, Fulko von Anjou (seit 1131), Balduin III. (seit 1143), Amalrich I. (seit 1162), mit dem der Verfall des Reiches begann, Balduin IV. (seit 1173), Balduin V. (seit 1184) und endlich 1186 Guido von Lusignan. Nachdem 3. Okt. 1187 die Sarazenen unter Saladin J. erobert hatten (s. Kreuzzüge), trat Guido die Krone 1193 für Cypern an Heinrich von Champagne ab; doch vermochte dieser so wenig wie seine Nachfolger Amalrich II. von Cypern und Johann von Brienne seinen Ansprüchen Geltung zu verschaffen. Kaiser Friedrich II. setzte sich zwar 1229 die Krone von J., auf die er durch Heirat mit Jolante, der Tochter Johanns von Brienne, ein Recht erworben hatte, aufs Haupt (s. Kamil); doch fiel die Stadt schon 1244 wieder in die Hände der Mohammedaner. Trotz dem führten die deutschen Kaiser bis 1806 den Titel »König von J.« 1382 bemächtigten sich die tscherkessischen Mamelucken Jerusalems; 1517 eroberte es der türkische Sultan Selim J., dessen Sohn und Nachfolger die Stadt 1534 mit der jetzigen Ringmauer umgab. Seitdem blieb J., mit Ausnahme der Jahre 183340, wo Mehemed Ali von Ägypten Syrien beherrschte, der Pforte unterworfen. Auf Anregung Friedrich Wilhelms IV. von Preußen wurde 1841 in J. ein evangelisches Bistum von England und Preußen gemeinsam errichtet und der erste Bischof (der Judenmissionar Salomon Alexander aus dem Posenschen, gest. 1845; vgl. seine Biographie von de la Roi in den »Schriften des Institutum Judaicum in Berlin«, Leipz. 1897) von England, der zweite (der Schweizer Samuel Gobat, s. d.) 1846 von Preußen, der dritte (Barclay) von England ernannt. nach dem Tode des letztern (1883) blieb die Stelle unbesetzt, und Preußen, das 1886 den Vertrag kündigte, gründete 1889 die Evangelische Jerusalem-Stiftung (s. unten). Vgl. Hechler, The J. Bishopric (Lond. 1883). Streitigkeiten über die »Heiligen Stätten« (s. d.) wurden 1853 Mitveranlassung zum Krimkrieg.
[Literatur.] Von Wichtigkeit sind die Veröffentlichungen des 1865 gegründeten Palestine Exploration Fund (insbes. die Arbeit über J. von Warren und Conder, 1884, mit 50 Tafeln; die Ergebnisse der Ausgrabungen von Bliß und Dickies seit 1894, 1898) und des Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas (gegründet 1877). Die Forschungen der englischen und amerikanischen Gelehrten sind zusammengestellt in den Werken: Wilson und Warren, The recovery of J. (Lond. 1871); »Our work in Pale stine« (das. 1872) und Besant und Palmer, J. the city of Herod and Saladin (4. Aufl., das. 1899). Von sonstigen Schriften über J. nennen wir: Sepp, J. und das Heilige Land (2. Aufl., Regensb. 1876, 2[236] Bde.) und Neue architektonische Studien etc. (Würzb. 1867); T. Tobler, Denkblätter aus J. (St. Gallen 1853); Wolff, J. nach eigner Anschauung und den neuesten Forschungen (3. Aufl., Leipz. 1872); Bartlett, Walks about the city and environs of J. (neue Ausg., Lond. 1872); Warren, Underground J. (das. 1876); de Saulcy, Jérusalem (Par. 1881); V. Guérin, Jérusalem, son histoire, sa description, ses établissements religieux (das. 1889); Schick, Die Stiftshütte, der Tempel in J. etc. (Berl. 1896); E. S. Wallace, J., the holy (Lond. 1898); Mommert, Topographie des alten J. (Leipz. 190203, Bd. lu. 2); Guy le Strange, Palestine under the Moslems (Veröffentlichung des Palestine Exploration Fund, 1890); »Regesta regni Hiersolymitani« (hrsg. von Röhricht, Innsbr. 1893 u. 1904); Dodu, Histoire des institutions monarchiques dans le royaume la-tin de Jérusalem 10991291 (das. 1894); Conder, The latin kingdom of J. (Lond. 1897); Röhricht, Geschichte des Königreichs J. (Innsbr. 1897); die Reisehandbücher »Palästina und Syrien« von Bädeker (6. Aufl., Leipz. 1904) und Meyer (4. Aufl., das. 1904); Zimmermann, Karten und Pläne zur Topographie des alten J. (Basel 1876); Guthe, Ausgrabungen bei J. (das. 1883); Schick, Karte der nähern (1: 10,000) und der weitern (1: 63,360) Umgebung von J. (Leipz. 1896 u. 1897).
Brockhaus-1911: Jerusalem [2] · Jerusalem
Eisler-1912: Jerusalem, W. · Jerusalem, Wilhelm · Jerusalem, Karl Wilhelm
Herder-1854: Jerusalem [2] · Jerusalem [1]
Meyers-1905: Jerusalem-Stiftung, Evangelische · Jerusalem
Pataky-1898: Jerusalem, Friederike
Pierer-1857: Neu-Jerusalem [2] · Neu-Jerusalem [1] · Jerusalem [4] · Kosmas von Jerusalem · Reise nach Jerusalem · Neues Jerusalem · Jerusălem · Deutsche Brüder der Kirche der Maria zu Jerusalem · Brüder des Deutschen Hauses U. L. F. in Jerusalem · Jerusalem [3] · Jerusalem [2] · Jerusalem [1]
Buchempfehlung
Nach dem Vorbild von Abraham von Franckenberg und Daniel Czepko schreibt Angelus Silesius seine berühmten Epigramme, die er unter dem Titel »Cherubinischer Wandersmann« zusammenfasst und 1657 veröffentlicht. Das Unsagbare, den mystischen Weg zu Gott, in Worte zu fassen, ist das Anliegen seiner antithetisch pointierten Alexandriner Dichtung. »Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein. Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.«
242 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro