Kathedersozialisten

[748] Kathedersozialisten, eigentlich ein Spottname, dessen sich H. B. Oppenheim 1871 bediente, um die Bestrebungen derjenigen deutschen Professoren der Nationalökonomie als mit dem Sozialismus verwandt zu kennzeichnen, die damals gegen die vorwiegend im volkswirtschaftlichen Kongreß vertretene freihändlerische Richtung Front machten und im Gegensatz zur sogen. abstrakten Schule eine die wirklichen Erscheinungen des Wirtschaftslebens erforschende und berücksichtigende Realpolitik und eine maßvolle staatliche Sozialpolitik verlangten. Auf Anregung jener Professoren (Schmoller, v. Scheel, Schönberg, Nasse, Held u. a.) fand im Herbst 1872 eine Versammlung in Eisenach statt, die den zurzeit noch bestehenden Verein für Sozialpolitik (Näheres s. Sozialpolitik) gründete. Die Mitglieder dieses Vereins stehen übrigens keineswegs alle auf gleichem sozialpolitischen Standpunkt. Heute ist der Ausdruck K. etwas in Vergessenheit geraten, obwohl die große Mehrzahl der deutschen Volkswirtschaftslehrer die Anschauungen der K., die seitdem auf die deutsche Gesetzgebung einen leitenden Einfluß erlangt haben, teilen. Vgl. Oppenheim, Der Kathedersozialismus (2. Aufl., Berl. 1873); Ad. Wagner, Offener Brief an Herrn H. B. Oppenheim (das. 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 748.
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