Konrad der Pfaffe

[409] Konrad der Pfaffe, altdeutscher Dichter, lebte in der ersten Hälfte des 12. Jahrh., war Geistlicher und stand in Diensten Heinrichs des Stolzen. Er verfaßte um 1135 das altdeutsche Rolandslied, eine Bearbeitung der französischen »Chanson de Roland« (hrsg. unter anderm von Gautier, Par. 1875; von Th. Müller, Götting. 1878; von Förster, Heilbr. 1886; vgl. Seelmann, Bibliographie des altfranzösischen Rolandsliedes, Heilbr. 1888). Der Inhalt des Gedichtes ist im wesentlichen folgender: Kaiser Karl d. Gr., von einem Engel gemahnt, zieht nach Spanien gegen die Heiden. Fast das ganze Land ergibt sich ihm bis auf Saragossa, wo König Marsilie thront. Auf seines Neffen Roland Rat sendet Karl dessen Stiefvater Genelun als Abgeordneten an den königlichen Gegner. Genelun, hinter Rolands Vorschlag schlimme Absicht vermutend, beschließt, jenen zu verderben. Er rät dem Heidenkönig, sich scheinbar dem Kaiser zu unterwerfen, um dann seine Feinde desto sicherer zu vernichten, heuchelt bei Karl guten Erfolg der Botschaft und überredet ihn, abzuziehen und Roland als Statthalter im eroberten Lande zurückzulassen. Die Absicht gelingt. Roland, zurückgeblieben mit dem Kreuzheer, wird im Tal Roncesvalles von den Heiden verräterisch überfallen. In furchtbarem Kampf tut er mit seinem Schwert Durendart, seinen Freund Olivier und den Erzbischof Turpin zur Seite, Wunder der Tapferkeit, erliegt aber der Übermacht. In der höchsten Not stößt er in sein elfenbeinernes Heerhorn Olifant, daß der Schall das mächtige Getümmel der Schlacht weit übertönt und bis zum fernen Kaiser dringt. Eilig zieht dieser herbei, doch zu spät; er trifft seine Paladine als Leichen, unterwirft die Heiden im Kampf und rächt dann den Verrat an Genelun, der in Aachen, wie der Schluß des Gedichtes berichtet, von Pferden zerrissen wird. Das Rolandslied bleibt in der Form hinter den bedeutendern epischen Erzeugnissen einer spätern Zeit zurück, ist aber reich an gewaltigen, echt volksmäßigen Zügen; die Glaubensfreudigkeit der Zeit spricht sich darin in oft großartiger Lebendigkeit aus. Ein Bruchstück des Gedichtes wurde zuerst in Schilters »Thesaurus antiquitatum teutonicarum«, Bd. 2 (Ulm 1727), veröffentlicht. Vollständige Ausgaben besorgten W. Grimm (mit Einleitung über die Geschichte der zugrunde liegenden Sage, Götting. 1838) und Bartsch (Leipz. 1874). Das Gedicht des Pfaffen K. erfuhr um 1250 durch den Stricker (s. d.), einen österreichischen Dichter, der dabei jedoch auch noch französische Gedichte über Karl d. Gr. benutzte, eine verbreiternde und poetisch abschwächende Bearbeitung, die unter dem Titel: »Karl« bekannt ist und sich gleichfalls bei Schilter findet (hrsg. von Bartsch, Quedlinb. 1857). Eine treuere Umarbeitung enthält das dem Anfang des 14. Jahrh. angehörende, in niederfränkischer Sprache geschriebene zyklische Gedicht »Karlmeinet« (hrsg. von Keller, Stuttg. 1858). Vgl. W. Wald, Über K., den Dichter des deutschen Rolandsliedes (Halle 1879); Golther, Das Rolandslied des Pfaffen K. (Münch. 1887). Es ist wahrscheinlich, daß von diesem K. auch die uns vorliegende Fassung der Kaiserchronik (s. d.) herrührt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 409.
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