Kriegsartikel

[662] Kriegsartikel, kurze Pflichtenlehre für den Soldaten sowie ein in gemeinverständlicher Sprache abgefaßter Auszug aus dem Militärstrafgesetzbuch und allgemeine dienstliche Anordnungen. Für das deutsche Heer gelten die K. vom 22. Sept. 1902 mit Änderungen vom 14. Juni 1904, die gleichzeitig mit der Disziplinarordnung erlassen wurden. Ihnen schlossen sich die gleichlautenden K. nebst Disziplinarstrafordnung für die bayrischen und württembergischen Truppen an. Für die Marine bestehen K., Disziplinarstrafordnung und Verordnung, betreffend die Vollstreckung von Arreststrafen auf den in Dienst gestellten Schiffen und Fahrzeugen vom 23. Nov. 1872. Die K. werden jedem Soldaten vor der Vereidigung in seiner Muttersprache vorgelesen und erläutert und dies von Zeit zu Zeit wiederholt. Vgl. Keller, Erläuterungen zu den Kriegsartikeln (Berl. 1877), kleinere Erläuterungsschriften von Carnap, Estorff, Holleben, P. v. Schmidt, Stephan u. a. In Österreich gelten die K. vom 15. Jan. 1855.

K. für die Fußtruppen sind hervorgegangen aus der bei den Schweizern zu Ende des 15. Jahrh. üblichen Eidesformel; die vielfach als älteste Form der K. betrachteten Artikel von 1508 sind eine Verbindung des deutschen Söldnereides mit dem Feldeid der Schweizer, und die »Kriegsordnung« von 1526, die das damals gebräuchliche Recht darstellt, hat allen künftigen Fassungen als Unterlage gedient. Das Reich hat 1555 die 1553 beschlossene Heilbronner Kriegsordnung übernommen und damit die Einheitlichkeit gefördert, und der Speyerer Reichstag von 1570 hat diese im wesentlichen anerkannt. Für die Reiter galten anfangs andre Bestimmungen, die aus der Bestallung hervorgegangen sind, die der kriegführende Fürst mit dem abschloß, der ihm Reiter zu stellen versprach; der für jene Verträge übliche Name »Artikelsbriefe« ist auf die K. selbst übergegangen und lebt heute in dem zweiten Bestandteil des Wortes noch fort. Die Rechtsgleichheit der Reiter mit dem Fußvolk entstand im Laufe des Dreißigjährigen Krieges, im 17. Jahrh. aber wurden die deutschen K. durch die holländischen Artikel von 1590 und die schwedischen von 1621 beeinflußt. Beide haben einen ganz andern Ursprung; es sind nicht Verträge, sondern gelehrte Arbeiten und zwar militärische Strafgesetze. Die schwedischen Artikel haben in einer deutschen Bearbeitung von 1632, die auch die Kriegsordnung Christians IV. von Dänemark von 1625 verwertet, Geltung gehabt und wurden durch die braunschweigische Ordnung von 1636 verbreitet, die zuerst die für stehende Heere geeignete Fassung bietet. Von Reichs wegen 1673 anerkannt, haben die schwedischen Artikel zum Teil bis ins 19. Jahrh. Geltung gehabt. Nicht angenommen wurden sie in Brandenburg, wo Friedrich Wilhelm I. 1713 auf älterer Grundlage neue K. schuf. Vgl. Erben, Ursprung und Entwickelung der deutschen K. (»Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung«, Ergänzungsband 6, Innsbr. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 662.
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