Verordnung

[95] Verordnung, im formellen Sinne jede allgemeine Anordnung, die ohne Mitwirkung der Volksvertretung von der Regierung erlassen wird. Verordnungen werden nicht nur von dem Monarchen (allerhöchste Erlasse, Orders) und zwar im konstitutionellen Staat unter Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers, sondern auch von den Ministerien und von sonstigen Verwaltungsstellen erlassen. Sie dienen namentlich zum Zwecke der Ausführung der Gesetze (Ausführungsverordnungen). Solche Verordnungen ergehen insbes. auf dem Gebiete der Verwaltung, um die Behörden mit Anweisung darüber zu versehen, wie sie ein Gesetz zur Ausführung bringen sollen (Verwaltungsverordnungen, Anweisungen, Instruktionen, Reglements). Die Verwaltungsverordnungen unterscheiden sich von der Verfügung (Reskript, Dekret, Entscheidung, Bescheid) dadurch, daß sie sich nicht auf einen einzelnen Fall, sondern auf alle Fälle beziehen, für die ihre allgemeinen Bestimmungen anwendbar sind. Verordnungen können aber auch allgemein verbindliche Rechtssatzungen für alle Staatsangehörigen enthalten (Rechtsverordnungen). Derartige Verordnungen, die in materiellem Sinne Gesetze sind, können nur erlassen werden, wenn und soweit der Monarch und die Regierungsorgane durch Verfassung oder Gesetz dazu ermächtigt sind. Das eigentliche Verordnungsrecht, d. h. das Recht zum Erlasse von Verwaltungsverordnungen, ist ein Teil der Regierungsgewalt. Im Deutschen Reiche wird dasselbe der verfassungsmäßigen Regel nach vom Bundesrat, teilweise auch vom Kaiser, zuweilen vom Reichskanzler oder von andern Reichsbehörden ausgeübt. Die Stelle, die im gegebenen Falle die Ausführungsverordnung (Reichsverordnung) erlassen soll, wird regelmäßig in dem betreffenden Reichsgesetz selbst bezeichnet. Neben dem Verordnungsrecht des Reiches besteht auch ein Verwaltungsverordnungsrecht der Staaten zum Vollzug der Reichsgesetze. In den Bundesstaaten sind die Polizeiverordnungen von besonderer Wichtigkeit, d. h. allgemeine Anordnungen der Polizeibehörden, durch die sie unter Androhung von Hast- oder Geldstrafen gewisse Handlungen gebieten oder verbieten. Derartige Verordnungen haben vielfach einen örtlichen (bezirks-, kreis-, ortspolizeilichen) Charakter, indem sie z. B. von den Organen der Selbstverwaltung für einen Gemeindeverband (Kreis-, Bezirks-, Amtsverordnungen) erlassen werden. Die Polizeiverordnung als solche darf niemals eine Vermögensleistung um der Vermögensleistung willen auferlegen, wo nicht ausnahmsweise eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung hierfür vorliegt; denn die Polizei dient nicht Finanzzwecken. Manche Verfassungsurkunden und Gesetze enthalten die Bestimmung, daß die Regierung, wenn der Landtag nicht versammelt ist, Notverordnungen (Notstandsverordnungen, provisorische Gesetze) für besonders dringende Fälle erlassen kann. Solche Notverordnungen sind den Kammern bei ihrem nächsten Zusammentritt vorzulegen. Findet die F. nicht[95] die Zustimmung der Volksvertretung, so ist dieselbe aufzuheben (wie in Preußen) oder tritt (wie in Bayern) von selbst außer Wirksamkeit. Darüber, ob eine V. rechtmäßig erlassen ist, steht nach den meisten Staatsrechten dem Richter im Anwendungsfälle das Prüfungsrecht zu. Vgl. Arndt, Das Verordnungsrecht des Deutschen Reiches (Berl. 1884) und Das selbständige Verordnungsrecht (das. 1902); Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht in Preußen (2. Aufl., das. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 95-96.
Lizenz:
Faksimiles:
95 | 96
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika