Kulturtechnik

[793] Kulturtechnik, alle im Interesse der Bodenkultur auszuführenden technischen Arbeiten, die auf den Gesetzen der Ingenieurwissenschaft basieren, im engern Sinne das landwirtschaftliche Meliorationswesen, soweit es sich mit Ent- und Bewässerung der Grundstücke, mit Korrektion kleinerer, nicht schiffbarer Wasserläufe, mit Anlage von Reservoirs für Bewässerungszwecke sowie mit Wasserversorgung für kleinere Ortschaften befaßt. Noch in neuester Zeit wurden die größern landwirtschaftlichen Meliorationen, d. h. die Zu- und Ableitung des Wassers bei den Anlagen für Be- und Entwässerung, von den Wasserbauingenieuren (Meliorationsbuumeistern) ausgeführt, die in der Regel in keiner oder nur sehr geringer Beziehung zur Landwirtschaft standen und somit ihre Anlagen ausschließlich mit Berücksichtigung der hydrotechnischen Regeln herstellten. Die lokalen Arbeiten bei der Ent- und Bewässerung, d. h. also die Anlagen von Drainagen und Wässerwiesen, erfolgten in früherer Zeit durch Draintechniker, Wiesenbaumeister und Geometer, die sich die erforderliche Routine für diese Arbeiten erworben hatten. Eine gedeihliche Förderung der K., d. h. eine Ausschließung der Kräfte, die im Boden und im Wasser schlummern, zur Hebung der Bodenkultur, konnte erst in dem Fall ermöglicht werden, daß dem Kulturingenieur eine zweckmäßig geordnete Tätigkeit überwiesen wurde, in ähnlicher Weise wie den Ingenieuren des Wasserbaues die Regulierung der Flüsse und Ströme obliegt. Es handelte sich somit um eine Organisation des kulturtechnischen Dienstes unter staatlicher oder gesellschaftlicher Autorität. In Bayern, Baden und Elsaß-Lothringen, in Ungarn und einzelnen österreichischen Ländern besteht eine derartige Organisation; die Kulturingenieure sind für bestimmte Distrikte fest angestellt, stehen unter einer Zentralbehörde und haben die in ihrem Gebiet vorkommenden Meliorationsarbeiten zu entwerfen, auszuführen, bez. bei minder bedeutenden Aufgaben zu überwachen, zu welchem Zweck ihnen je nach Bedarf eine Anzahl von Unterorganen (Kreiswiesenbauaufseher, Kulturvorarbeiter) beigegeben werden. Fast überall ist man bestrebt, die K. zu fördern; namentlich wird das Studium des Faches' an landwirtschaftlichen und technischen Hochschulen (Berlin, Wien, München, Poppelsdorf) ermöglicht; auch die Finanzierung wird durch Rentenbanken oder, wie in Österreich, durch den mit dem Gesetz vom 30. Juni 1884 geschaffenen Meliorationsfonds wesentlich erleichtert. Vgl. Dünkelberg, Enzyklopädie und Methodologie der K. (Braunschw. 1883, 2 Bde.) und Die Entwickelung der K. (das. 1897); »Ausbildung und Prüfung der preußischen Landmesser und Kulturtechniker. Verordnungen und Erlasse« (3. Aufl., Berl. 1904); Vogler, Grundlehren der K. (mit andern, 3. Aufl., das. 1903 f.); Friedrich, Kulturtechnischer Wasserbau (das. 1897); Zajiček, Der Landwirt als Kulturingenieur (2. Aufl., das. 1902); Strecker, Wesen und Bedeutung der K. (Dresd. 1896); Zeitschrift: »Der Kulturtechniker«, hrsg. von Wyneken und Seyfert (Bresl., seit 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 793.
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