Marschland

[353] Marschland (vom niederd. die Marsch, soviel wie Niederung), in Nordwestdeutschland das niedrige, bei Flut zum Teil unter dem Meeresspiegel gelegene, fruchtbare, meist durch Dämme oder Deiche (s. Deich) gegen Überschwemmung geschützte Land längs der Flüsse und der Meeresküste. Es findet sich nur da, wo der Wechsel von Ebbe und Flut vorhanden ist. Kanäle, deren Öffnungen durch Schleusen (Siele) geschlossen werden können, dienen dazu, dem im M. sich sammelnden Wasser zur Zeit der Ebbe den Ausfluß zu gestatten und zur Zeit der Flut dem andringenden Außenwasser den Eingang zu verwehren. Der Boden, der aus dem feinsten Tonschlamm (Schlick) und Sand besteht und meist reich ist an Resten mikroskopischer Organismen (sowohl kieselschaliger Diatomeen als kalkschaliger Polythalamien, welch letztere im Binnenland fehlen), ist von fast unerschöpflicher Fruchtbarkeit; er dient zum Getreide- und besonders zum Futterbau und begünstigt in hohem Maße die Zucht von Milch- und Mastvieh, die den Reichtum aller Marschländer längs der Küste der Nordsee von der Mündung der Schelde bis nach Nordschleswig begründet. Die Ortschaften liegen an der Grenze des Marschlandes gegen die angrenzen de höher gelegene, sandige Geest (s. d.); auch werden wohl innerhalb der Marsch selbst die Häuser auf natürlichen oder künstlichen Sanderhöhungen (Warften, Werfen, Warten, Wurten, Wierten) gebaut. Kanäle und Dämme bilden die Verkehrswege im von Gräben durchschnittenen M. Das M. ist vielfach noch in täglicher, wenngleich sehr langsamer Fortbildung begriffen, indem die Flut einen Teil des mitgeführten Schlicks auf dem von ihr überschwemmten Land absetzt. An der nordwestdeutschen und niederländischen Küste entsteht das M. hinter den äußern Dünen, die zwischen Helder und Schleswig die Inselreihe parallel der Küste bilden; dort ist der Meeresboden so seicht, daß bei Ebbe große, von vielfach verzweigten Kanälen und Rinnen durchzogene Strecken über das Wasser treten, die sogen. Watten, die dann eine Verbindung zu Land zwischen mehreren Inseln, z. B. zwischen Fohr und Amrum, gestatten. Während hier der Meeresboden selbst das Material zur Verlandung (s. d.) liefert, ist es vor der Mündung der Ströme der von diesen mitgebrachte und aus dem durch die Flut aufgestauten Wasser niederfallende Schlick, der eine Bildung von M. vor den Dämmen veranlaßt (s. Delta). Was der Mensch vom M. durch Damm- und Schleusenbau mit jahrhundertelangem Fleiße sich zu eigen gemacht, entreißt ihm oft eine einzige mit Sturm verbundene Springflut wieder. Vgl. Kohl, Die Marschen und Inseln der Herzogtümer Schleswig und Holstein (Leipz. 1846); Detlefsen, Geschichte der holsteinischen Elbmarschen (Glückstadt 1891, 2 Bde.); Allmers, Marschenbuch (5. Aufl., Oldenb. 1905); Gruner, Die Marschländereien im deutschen Nordseegebiet einst und jetzt (Berl. 1903); Auhagen, Zur Kenntnis der Marschwirtschaft (das. 1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 353.
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