[239] Futterbau (hierzu Tafel »Futterpflanzen I u. II«), die Kultur aller Pflanzen, die grün oder getrocknet zur Ernährung des Viehes auf der Weide und im Stall benutzt werden. Auf tiefern Entwickelungsstufen der Kultur ist der Anbau von Futterpflanzen[239] auf dem Felde sehr beschränkt, bei weiterer Kulturentwickelung gewinnt er unter gleichzeitiger Einschränkung des Getreidebaues im Verhältnis zur Ausdehnung der Viehzucht immer mehr Bedeutung. Zunächst liefern die Getreidepflanzen nebenbei Kraftfutter, die Knollen- und Wurzelfrüchte Beifutter zu Stroh und Heu; weiterhin werden besondere Futterpflanzen für den Grünfutter bedarf im Sommer, Klee, Gräser und Kleegras für den Rauhfutterbedarf im Winter angebaut, und zwar in um so zahlreichern Arten, je geringer die Futterwüchsigkeit des Bodens und Klimas sind; dabei wird von der Ackerfläche oft mehr als die Hälfte dem F. eingeräumt. Der Kunstfutterbau fand sich schon in großer Vollkommenheit bei den Griechen zu der Zeit, als der hochentwickelte Handel einer zahlreichen Bevölkerung Unterhalt gewährte und Getreide in großen Mengen vom Ausland bezogen wurde, Verhältnisse, wie sie heute England bietet, das einer enormen Lebensmitteleinfuhr bedarf, sein eignes Areal aber größtenteils zum F. verwendet und den größten und besten Viehstand unterhält. Die Griechen bauten besonders die Medicago-Arten, den Bocharaklee (Melilotus), Bohnen, Erbsen, Linsen, Wicken, Lathyrus und Mengfutter; bei den Römern, die den Weizen als Brotfrucht verwendeten, spielte der Futterroggen eine große Rolle. Später kultivierten die Niederlande, England, Südfrankreich und die Flußgebiete des Oberrheins zu einer Zeit, in der das nördliche und östliche Europa nur Wiesen und Weiden als Futterquellen kannte, in ausgedehntem Grade die bessern Futterpflanzen. Von da aus haben sich gegen Ende des 18. Jahrh., besonders durch Schubart, genannt v. Kleefeld, Thaer und andre hervorragende Landwirte, der Kleebau, die Futterrunkel und nach und nach die Gesamtheit der die intensive moderne Landwirtschaft stützenden Pflanzen des Kunstfutterbaues verbreitet. Der F. verlangt nur wenig Arbeits- und Kapitalaufwand und verbessert durch die Ernterückstände die physikalische und chemische Beschaffenheit des Bodens. Tiefwurzelnde Kleepflanzen ermöglichen im besondern die Ausnutzung des atmosphärischen Stickstoffes durch ihre Wurzelknöllchen und die Heraufbeförderung der Nährstoffe aus den tiefern in die obern Bodenschichten. Als Futterpflanzen werden angebaut aus der Familie der:
Leguminosen: Stechginfter (Ulex europaeus), Wundklee (Anthyllis vulneraria, Tafel II, Fig. 1), Luzerne (Medicago sativa, Tafel II, Fig. 4), Schwedische Luzerne (M. falcata), Sandluzerne (M. medica), Hopfenluzerne (M. lupulina, Tafel Il, Fig. 6), Bockshornklee oder Griechisches Heu (Trigonella floenum graecum), Stein-, Honig- oder Bocharaklee (Melilotus albus), Rothlee (Trifolium pratense, Tafel I, Fig. 1), Inkarnatklee (T. incarnatum, Tafel I, Fig. 3), Weißklee (T. repens, Tafel I, Fig. 2), Bastardklee, Alsike (T. hybridum, Tafel I, Fig. 4), Mittelklee (T. medium), Schoten- oder Hornklee (Lotus corniculatus), Geißraute (Galega officinalis), Serradella (Orntihopus sativus, Tafel II, Fig. 3), Süßklee, Sulla (Hedysarum coronarum), Esparsette (Onobrychis sativa, Tafel I, Fig. 5), Wicke (Vicia sativa, Tafel I, Fig. 7), Sandwicke (V. villosa), Waldplatterbse (Lathyrus silvestris), Lupine (Lupinus lutens, Tafel II, Fig. 5), Kicherling (Lathyrus sativus, Tafel I, Fig. 6), Saubohne (Vicia Faba, Tafel I, Fig. 8) etc.
Kruziferen: Raps (Brassica napus oleifera), Rübsen (B. rapa oleifera), Steck- oder Kohlrübe (B. napus rapifera), Wasserrübe (Turnips, B. rapa rapifera, Tafel II, Fig. 9), Senf (Sinapis alba), Orientalische Zackenschote (Bunias orientalis), Kohlrabi (Brassica oleracea gongyloides), Kuhkohl (B.o. acephala), Kopfkraut (B.o. capitata).
Karyophyllazeen: Spörgel (Spergula arvensis, Tafel II, Fig. 2).
Boraginazeen: Comfrey (Symphytum asperrimum).
Polygonazeen: Buchweizen (Polygonum fagopyrum, Tafel II, Fig. 7).
Umbelliferen: Mohrrübe (Daucus Carota, Tafel I, Fig. 10), Pastinake (Pastinaca sativa).
Solanazeen: Kartoffel (Solanum tuberosum).
Kompositen: Topinambur (Helianthus tuberosus, Taf. I Fig. 9).
Chenopodiazeen: Runkelrübe (Beta vulgaris, Tafel II, Fig. 8).
Kukurbitazeen: Kürbis (Cucurbita Pepo).
Gräser: Futterroggen (Secale cereale), Futterweizen (Triticum vulgare), Futtergerste (Hordeum), Futterhafer (Avena), Mohar (Setaria germanica), Riesentrespe (Bromus inermis), Zuckermohrenhirse (Sorghum saccharatum), Gemeine Mohrenhirse (S. vulgare), Rispenhirse (Panicum miliaceum), Mais (Zea Mays), verschiedene Grasarten.
Dazu kommen noch Kleegemenge, Kleegras und Mischfutter (Mischling).
Die Futterpflanzen verlangen im allgemeinen bindigen Boden in frischen Lagen; für trocknen Boden in wärmerem Klima eignen sich nur wenige Futterpflanzen, wie Luzerne, Sandluzerne, Futterroggen, Grünmais, Sorghum. Sie begnügen sich meist mit der Vorbereitung des Bodens und der Düngung, welcher der Vorfrucht gegeben wurde. Nicht kleeartige Futterpflanzen lohnen jedoch Stallmist, Stickstoffdüngung durch erhebliche Ertragssteigerung; Leguminosen bedürfen Phosphorsäure und kalihaltigen Dünger, dagegen Stickstoffdünger nicht, da sie besonders auf armem Boden, mit Hilfe des Symbiosepilzes in den Wurzelknöllchen den atmosphärischen Stickstoff heranziehen. Nach üppig gestandenen Kleefeldern, nach Lupinen findet daher das Getreide den besten Platz. Durch die im Boden verbleibenden Ernterückstände, die nach der Ernte unterpflügt werden, erfolgt eine oft sehr ausgiebige Gründüngung. Mehrjährige Futterfelder sind über Winter mit Jauche zu überfahren oder mit Stallmist als Kopfdünger zu versehen und im Frühjahr kräftig durchzueggen. Gipsdüngung auf die betauten Kleeblätter erweist sich vom besten Erfolge.
Zur Saat sind nur rein geputzte Samen zu verwenden, insbes. die Kleearten sollen vorher mit Kleeseidesortiermaschine von Kleeseidekörnern gereinigt werden. Klee und Gräser sind im Herbst oder meist auch im Frühjahr unter einer Schutzfrucht, gewöhnlich unter gedrilltes Getreide, auszusäen. Die erforderlichen Saat- und Erntemengen auf 1 Hektar (nach Krafft, in Frommes »Österreich-ungarischem Landwirtschaftskalender«, 1904) ergibt die Tabelle auf S. 241. S. auch Hülsenfrüchte.
Von den verschiedenen Kleearten verlangt besonders Wundklee leichtere, nicht mehr sicher rotkleefähige Bodenarten, Luzerne tiefgründigen Boden und wärmere Lagen, sie hält dann 410 Jahre aus und gewährt 34 Heuschnitte. Sie ist neben Grünmais eine der wertvollsten Futterpflanzen für wärmere Gebiete und wird auf den in der Nähe des Hofes gelegenen Futterfeldern gebaut, besonders wenn nicht sämtliche Grundstücke eines Gutes luzernefähig sind. Schwedische Luzerne verdient dort Beachtung, wo wegen Trockenheit und Wärme des Klimas, wegen steinigen Untergrundes weder Rotklee noch Luzerne fortkommen. Für sandigen Boden eignet sich auch die Sandluzerne, die jedoch nur auf derselben zusagenden Bodenarten zwei Heuschnitte und Weide liefert. Hopfenluzerne wird besonders zu Kleegrasmischungen, die zur Weide bestimmt sind, verwendet. Rotklee ist die verbreitetste und wertvollste Klee pflanze für bindige feuchtere Bodenarten und für Gebirgsklima, er gewährt meistens zwei Heuschnitte und zuweilen auch noch eine Weide und wird durch einen[240] oder zwei Sommer benutzt. Im zweiten Jahre wird häufig nur ein Schnitt genommen und dann das Kleeland im Juli für Wintergetreide umgebrochen. In rotkleefähigen Lagen liefert er größere Futtermengen, als von Wiesen erwartet werden können. Inkarnatklee wird schon im August gesät, gibt das Jahr darauf vor dem Rotklee einen Schnitt; er verlangt mildes Klima. Weißklee gehört zu den besten Weidepflanzen, da er, abgeweidet, sich schnell wieder reproduziert. Bastardklee gedeiht selbst auf torfigem Boden, wo keine andre Kleeart mehr vorkommt. Serradella ist eine lange nicht genug gewürdigte Futterpflanze des Sandbodens und auch für die Gründüngung von Bedeutung. Esparsette ist die einzige Futterpflanze, die noch auf trocknem. felsigem Boden fortkommt, sie verlangt kalkreichen Boden, hält 36 Jahre aus, gibt jedoch meist nur einen Schnitt und Weide. Sandwicke wird für ganz geringen Sandboden empfohlen, ebenso die schon den Römern bekannten, häufig zur Gründüngung verwendeten Lupinen und der Spörgel, Grünraps, Grünrübsen und Weißer Senf werden seltener als Futterpflanzen gebaut, häufiger als Stoppelfrucht nach der Getreideernte der Grünbuchweizen. Grünroggen (Futterroggen) liefert gegen Anfang Mai das erste Grünfutter, das jedoch bald überständig wird und durch andres Grüngetreide, wie Grüngerste, Grünweizen, ersetzt wird. Unschätzbare Futterpflanzen für trockne, aber zugleich warme Gebiete sind der in Ungarn häufig angebaute Mohar, die Wehrlose Trespe und der Grünmais. Letzterer wirft so bedeutende Grünfuttermengen wie nicht leicht eine andre Pflanze ab. Um mit ihnen die Sommergrünfütterung durchzumachen, besät man alle zehn Tage ein neues Stück Land. Eine der wertvollsten Futteraushilfen bildet das Mischfutter oder die gemeinschaftliche Ansaat von Getreide- und Hülsenfrüchten zur Grünfutter- oder Heugewinnung, besonders gewährt der Wickhafer ein zeitiges, sehr nahrhaftes Grünfutter, das nur zu kostspielig ist. Unter Verhältnissen, in denen der F. unsicher ist, verdient anstatt der Reinsaaten der Anbau eines Gemenges von Futterpflanzen die größte Beachtung, und zwar können mehrere Kleearten als Kleegemenge, oder mehrere Grasarten als Feldgras, oder vorwiegend Klee gemischt mit Gras als Kleegras, oder vorwiegend Gras gemischt mit Klee als Wechselwiesen gemeinschaftlich gesät werden. Es wird bei der Verschiedenartigkeit der Boden- und Witterungsansprüche der gemengt angebauten Pflanzen nicht nur eine Steigerung der Erträge, sondern auch eine große Sicherheit erzielt. Der erforderliche Grassame ist unter Garantie der Reinheit und Keimfähigkeit unter Kontrolle einer Samenprüfungsanstalt anzukaufen oder unter zusagenden wirtschaftlichen Verhältnissen durch eigne Grassamenzucht zu beschaffen. In rauhen Lagen mit flachgründigem Boden ist die Gewinnung von Futter nur unter Anwendung der von Wagner angegebenen Methode durchführbar.
Sie besteht in der Hauptsache darin, von solchen in der Gegend vorkommenden wildwachsenden Pflanzen, die zur Futtergewinnung geeignet sind, Samen zu sammeln und anzubauen. Je nach dem Charakter der Flora ergeben sich ebenso viele Verschiedenheiten dieses Futterbaues. Im Sauerland, wo er zuerst zur erfolgreichen Anwendung gelangte, wurden neben wilden ausdauernden Gräsern vornehmlich Vogelwicke (Vicia cracca), Zaunwicke (Vicia sepium), dann Wiesenplatterbse (Lathyrus pratensis) und weiches Labkraut (Galium mollugo) zur Ansaat verwendet. Über die Heubereitung vgl. Heu. Von den Wurzel- und Knollenfrüchten werden vornehmlich Kraut, Runkeln, Möhren, Kohlrüben, Brach- oder Stoppelrüben, Turnips, dann Kartoffeln, Pastinaken zur Winterfütterung verwendet. Über dieselben vgl. Rübenbau und Kartoffelbau. Vgl. Krafft, Pflanzenbaulehre (7. Aufl., Berl. 1902); Werner, Handbuch des Futterbaues (2. Aufl., das. 1889); Stebler und Schröter, Die besten Futterpflanzen (Bern 188390, 3 Tle.; 1. Teil in 2. Aufl. 1892); Stebler, Rationeller F. (5. Aufl., Berl. 1903); E. Birnbaum, Wiesen- und Futterbau (das. 1892).
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