Pâli

[330] Pâli (eigentlich »Text, heilige Schrift«), die heilige Sprache der südlichen Buddhisten, die dafür gewöhnlich den Namen Mâgadhî, d.h. Sprache von Magadha, der Landschaft am mittlern Ganges, wo Buddha seine Religion verkündete, gebrauchen. Ob das P. die Sprachen Buddhas selbst oder nur die seiner Anhänger war, die auf der dritten buddhistischen Synode 309 v. Chr. die kanonischen Bücher des Buddhismus feststellten, oder der Heimatsdialekt des buddhistischen Apostels Mahendra (Mahinda) von Ujjayinî, der 307 v. Chr. den Buddhismus nach Ceylon brachte, oder ob es vielmehr in Südindien entstanden ist, darüber sind bis jetzt die Ansichten der Kenner geteilt. Jedenfalls ist es eine der alten Volksmundarten Indiens (s. Indische Sprachen), oder vielmehr deren literarische Form, und eine Tochter des wedischen und etwa gleichzeitig mit dem klassischen Sanskrit, dem es sehr nahe steht. Auch die Schriftarten, mit denen das P. geschrieben wird, die eckige sogen. Pâliquadratschrift, die singhalesische, die birmanischen und siamesischen Schriften, sind aus dem alten indischen Alphabet abgeleitet. Die Literatur ist höchst umfangreich und noch nicht abgeschlossen, da noch jetzt in den Ländern des südlichen Buddhismus, Ceylon, Birma und Siam, von buddhistischen Gelehrten ein allerdings[330] barbarisches P. zu literarischen Zwecken gebraucht wird. Ihre große Bedeutung liegt darin, daß sie die heiligen Bücher der Buddhisten, Tipitaka, »die drei Körbe (oder Schätze)«, genannt, in ihrer ältesten Gestalt bewahrt hat. Kaum minder wichtig ist der alte Kommentar zu ihnen, Atthakathâ, den der erwähnte Mahendra ins Singhalesische übertrug, und der dann von dem berühmten Mönch Buddhaghosha im 5. Jahrh. n. Chr. wieder in P. redigiert wurde. Außer diesen als heilig angesehenen Schriften, die übrigens auch viel Profanes und unter anderm sehr interessante Märchensammlungen enthalten, gibt es zahlreiche Werke, wie z. B. eine »Die Fragen Menanders« (Königs von Baktrien im 2. Jahrh. v. Chr.) betitelte Schrift, die sehr interessante Streiflichter auf die Beziehungen zwischen indischer und griechischer Kultur wirft. und namentlich zwei historische Werke: »Mahâvamsa« und »Dîpavamsa«, die für die ältere Geschichte Ceylons, des Buddhismus und ganz Indiens höchst wichtig sind. Auch hat die Herausgabe und Übersetzung des »Mahâvamsa« durch Turnour (Ceylon 1836 u. 1837) den eigentlichen Ausgangspunkt für die Erforschung des P. und seine Literatur gebildet, um die sich in der neuern Zeit besonders Burnouf und Chr. Lassen, Fausböll, Spiegel, Hardy, A. Weber, Max Müller, Childers, Fr. Müller, Grimblot, E. Kuhn, Kern, die Ceylonesen d'Alwis und Mutu Cumara Svamy, ferner Rhys Davids, Oldenberg u.a. verdient gemacht haben. Die älteste indische Pâligrammatik wird Kachchayana zugeschrieben (Ausg. von Mason, Taungu 1868); in neuerer Zeit wurde P. grammatisch bearbeitet namentlich von MinayefGrammaire pâlie«, Par. 1874), E. Kuhn (Berl. 1875), Gray (Lond. 1883), Frankfurter (das. 1883), E. Müller (das. 1884). Ein vortreffliches Wörterbuch lieferte Childers (Lond. 1875), eine sorgfältige Übersicht über die Pâliliteratur Rhys Davids in »Buddhism« (2. Aufl., das. 1887). Die Texte des P. gibt jetzt eine Pali Text Society heraus. Vgl. R. O. Franke, Geschichte und Kritik der einheimischen Pâli-Grammatik u. – Lexikographie (Straßburg 1902) und P. und Sanskrit in ihrem historischen und geographischen Verhältnis (das. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 330-331.
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