Polybios

[120] Polybios, berühmter griech. Geschichtschreiber, um 205–123 v. Chr., geboren zu Megalopolis in Arkadien, bildete sich unter seinem Vater, dem Strategen Lykortas, und dessen Freund Philopömen zum Staatsmann und Feldherrn und nahm bald tätigsten Anteil an den Angelegenheiten des Achäischen Bundes. Trotzdem P. jeden Konflikt mit den Römern zu vermeiden suchte, gehörte er doch zu den 1000 Achäern, die 167 als Geiseln nach Rom geführt und 17 Jahre zurückgehalten wurden. Hier ward er der vertraute Freund des Scipio Ämilianus, in dessen Gefolge er, nach kurzem Aufenthalt in der Heimat 150, der Eroberung von Karthago beiwohnte. Nach Korinths Zerstörung benutzte er sein Ansehen bei den Römern, um das Los seiner besiegten Landsleute möglichst zu lindern, und erwarb sich, nach Griechenlands Umwandlung in eine römische Provinz mit dem schwierigen Auftrage betraut, in den griechischen Städten die neue Regierungsform einzurichten, die höchste Anerkennung der Sieger und Besiegten. 134 begleitete er wieder Scipio in den Feldzug gegen Numantia. Nach dessen Tod kehrte er in die Heimat zurück. Sein großes, schon vor 150 in Rom begonnenes Geschichtswerk in 40 Büchern, von denen leider nur die 5 ersten vollständig, die übrigen in mehr oder minder umfangreichen Exzerpten erhalten sind, stellt in Buch 1 und 2 als Einleitung Roms und Karthagos Geschichte von 264 (wo das Werk des Timäos abschloß) bis 221 dar, dann in Buch 3–30 die Universalgeschichte von 220–168, der Zeit, wo Rom seine Weltherrschaft in den Kriegen gegen Hannibal, Philipp und Antiochus begründete, in Buch 31–40 die Geschichte von 168–146, dem Zeitraum, in dem sich Roms Herrschaft befestigte. Er verfolgte die Absicht, seinen Landsleuten seine durch sorgfältige Studien römischer Geschichte und Verfassung und persönliche Erlebnisse gewonnene Einsicht zu eröffnen, daß Rom seine Machtentwickelung nicht dem Glück, sondern seiner Tüchtigkeit und der Vortrefflichkeit seiner staatlichen und militärischen Einrichtungen verdanke und sein schneller Aufschwung zur Weltmacht eine historische Notwendigkeit sei. P. ist der erste Vertreter der pragmatischen Geschichtschreibung, die nicht bloß Tatsachen in chronologischer Folge erzählt, sondern auch die Gründe und Wirkungen der Begebenheiten darlegt. Das Werk beruht auf genauer Kenntnis der Kriegskunst und Politik, auf sorgfältiger und kritisch scharfer Erforschung der Überlieferung, zum Teil auf eigner Anschauung oder auf Mitteilungen von Augenzeugen und Mithandelnden; es stellt den Gang der Ereignisse mit Klarheit, gesundem Urteil und Wahrheitsliebe und mit Berücksichtigung aller Momente, besonders auch der geographischen Verhältnisse, dar, und es gehört zu den hervorragendsten Leistungen der alten Geschichtschreibung, wenn es auch in sprachlicher und stilistischer Beziehung an die Muster der attischen Prosa nicht heranreicht. Ausgaben von Schweighäuser (Leipz. 1789–95, 9 Bde.); Bekker (Berl. 1844, 2 Bde.), Hultsch (das. 1867–72, 4 Bde.; 2. Aufl. 1888 ff.), Dindorf (Leipz. 1866–68, 4 Bde.; neue Ausg. von Büttner-Wobst, 1882 ff.; 2. Aufl. 1905 ff.); Übersetzungen von Campe (Stuttg. 1857 ff., 14 Tle.), Haakh und Kraz (das. 1874, 29 Tle.) u. a. Vgl. Werner, De Polybii vita et itineribus (Berl. 1877); Nitzsch, Polybios (Kiel 1842); La Roche, Charakteristik des P. (Leipz. 1857); Markhauser, Der Geschichtschreiber P. (Münch 1858); Valeton, De Polybii fontibus et auctoritate (Utrecht 1879); v. Scala, Die Studien des P. (Stuttg. 1890, 2 Bde.); Schmidt, De Polybii geographia (Berl. 1875); Cuntz, Polybius und sein Werk (Leipz. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 120.
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