Polykleitos

[126] Polykleitos (Polyklet), 1) griech. Bildhauer, gebürtig aus Sikyon, angeblich Schüler des Hagelaidas (Ageladas), Hauptvertreter der Schule von Argos, war ein Zeitgenosse und Nebenbuhler des Pheidias. Sein namhaftestes Werk war ein Kolossalbild der Hera aus Gold und Elfenbein in Argos, von der wir nur eine kleine Nachbildung auf Kupfermünzen haben. Dagegen besitzen wir Kopien zweier Jünglingstatuen, des Diadumenos (s. d.), eines sich eine Binde ums Haar legenden Jünglings, und des Doryphoros (s. d.), des Speerträgers, der für die Künstler zum »Kanon« der Proportionen des menschlichen Körpers wurde, weshalb G. Schadow sein Werk von den Maßen des Menschen »Polyklet« nannte. Auch die Statue einer für den Artemistempel zu Ephesos geschaffenen Amazone, mit der P. seine Mitbewerber Pheidias, Kresilas und Phradmon besiegte, ist in Wiederholungen nachweisbar. Von seinen übrigen Werken werden noch ein Apoxyomenos (ein sich den Staub abschabender Athlet), zwei nackte, Würfel spielende Knaben und zwei Kanephoren gerühmt. Der Stil des P. zeigt in seiner Strenge der Formen, in den viereckigen Köpfen, in den schweren, untersetzten Proportionen die Eigentümlichkeiten der peloponnesischen Kunstrichtung. Er soll als der erste Figuren auf einer Hüfte ruhend gebildet und dadurch die Möglichkeit einer freiern Bewegung geschaffen haben. P. neigte sich dem Realismus zu; seine naturalistischen menschlichen Gestalten wurden mehr geschätzt als die idealisierten göttlichen. Vgl. Pierre Paris, Polyclète (Par. 1895); Mahler, Polyklet und seine Schule (Athen 1902).

2) P. der Jüngere, griech. Bildhauer und Architekt der ersten Hälfte des 4. Jahrh., war Schüler des Naukydes und in Argos tätig. Er schuf unter anderm eine Gruppe mit Apollon, Artemis und Leto, den Zeus Meilichios und mehrere Athletenstatuen. Als Architekt hat er die Tholos (einen Rundbau) und das Theater in Epidauros erbaut.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 126.
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