Simplon

[482] Simplon (ital. Sempione), Hochgebirgspaß der Walliser Alpen (2010 m) zwischen Rhone- und Tocetal (Lago Maggiore), von Napoleon I. 1800–05 mit einer 65 km langen, 7,2–8,4 m breiten Straße überbaut (611 Brücken, 7 Galerien, 20 Schutzhütten), enthält ein Hospiz, in dem jährlich 12–13,000 Reisende verpflegt werden. Seit dem Herbst 1906 Eisenbahnunterführung durch den 1898–1905 erbohrten Basistunnel von 19,731 m Länge zwischen Brig und Iselle. Nordportal 685 m, Scheitel 705 m unter 2135 m hohen Gebirgsmassen, also 450 m tiefer als der St. Gotthardtunnel, Südportal 634 m, Tunnelmitte ungefähr auf der schweizerisch-italienischen Grenze, Steigung von Norden 2 pro Mille, von Süden 7 pro Mille. Die Strecke Paris-Mailand beträgt durch den St. Gotthard 1068, durch den Simplon 979 km. Die Kosten wurden von der Schweiz (Bund, Kantone, Gesellschaften) und den oberitalienischen Städten aufgebracht, der Bau wurde unter Oberaufsicht des Bundes durch die Ingenieure Brandt, Sulzer und Locher ausgeführt. Denkwürdig ist derselbe durch Anwendung eines Parallelstollens für die Ventilation, die das zwölffache Lustquantum in die Arbeitsräume lieferte als beim Gotthardtunnel, die großartigen Verpflegungsanstalten für die Arbeiter und die Effekte der Brandtschen hydraulischen Drehbohrmaschinen, insbes. durch Überwindung ganz ungeahnter, sich fortwährend steigernder, in der Natur des Gebirges liegender Schwierigkeiten. Der Gebirgsbau war viel komplizierter, als das Projekt nach dem damaligen Stand der Alpentektonik voraussah. Zahlreiche Quellen, darunter solche von 46–48° und mit Gesamtertrag bis 1200 Sekundenlitern, boten überraschende Hindernisse. Steigerte sich die Temperatur an den innersten Arbeitsstellen selten auf 25 und 27°, so betrug die Maximaltemperatur des Gesteins 54–55°, d. h. 7–8° mehr als nach Analogie des Gotthardtunnels berechnet worden war. Der Gebirgsdruck war lokal überaus groß. Der Tunnel ist eingleisig und vorherrschend mit elektrischen Lokomotiven eröffnet worden. Ein zweites Gleis wird bald in Angriff genommen. Vgl. Ed. Sulzer-Ziegler, Der Bau des Simplontunnels (in den Verhandlungen der schweizerischen naturforschenden Gesellschaft, 1905); H. Schardt, Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Simplondurchstiches. Geologische und geothermische Profile; M. Rosenmund, Über die Anlage des Simplontunnels und dessen Absteckung (»Jahrbuch der geographisch-ethnologischen Gesellschaft« in Zürich, 1904/05); Barbette, Atlante del Sempione (Turin 1906); Ferrucci, Il traforo del Sempione (das. 1906); Reckenschuß, Der Simplondurchstich (Wien 1906); Möhring, Die Simplonbahn, eine verkehrswirtschaftliche Studie (Bern 1907). Über die Geschichte der alten Simplonstraße vgl. »La route du S. et son exploitation par les diligences postales suisses« (Bern 1906).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 482.
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