Substanz

[34] Substanz (v. lat. Substantia, gr. Hypostasis), 1) im philosophischen Sprachgebrauch das, was ist, jedoch nicht insofern es an sich selbst, sondern insofern es als der Träger gewisser Eigenschaften, als der Ausgangspunkt gewisser Wirkungen betrachtet wird. Diese (der S. inhärirenden) Eigenschaften bezeichnet man, wenn sie das Wesen der S. ausmachen, die S. also ohne sie nicht gedacht werden darf, als Attribute; wenn sie dagegen wechselnde, veränderliche, zufällige Bestimmungen sind, als Accidenzen. Da die Frage nach dem, was den wechselnden Erscheinungen zu Grunde liegt, ferner die, ob das, was ist, unmittelbar als ein Complex verschiedener Eigenschaften, als der Inhaber mannigfaltiger Kräfte angesehen werden kann, u. wie es überhaupt zugeht, daß es sich mit der Vielheit mannigfaltiger u. mehr od. weniger beharrlicher u. wechselnder Eigenschaften bekleidet, von jeher der Mittelpunkt der metaphysischen Forschung gewesen ist, so halfen die Ansichten über die Bedeutung des Begriffes der S. vielfach gewechselt; die Aristotelisch-scholastische Philosophie bis auf Wolf herab betrachtet, verführt von der natürlichen Vorstellungsart über das Verhältnis zwischen den Dingen u. ihren Eigenschaften, die Existenz von S-en, Attributen u. Accidenzen als etwas selbstverständliches; Kant sah in diesen Begriffen nur eine subjectiv unvermeidliche Vorstellungsart, welche über das Verhältniß der Dinge an sich nichts entscheidet; Locke u. Herbart haben den Begriff selbst einer prüfenden Untersuchung unterworfen u. gezeigt, der Erstere, daß diese, aus der gemeinen Ansicht in die Philosophie übergegangene Vorstellungsweise gar leinen wissenschaftlichen Werth habe, der Letztere, unter welchen Bedingungen sie nach der nöthigen Correction der gewöhnlichen Vorstellungsart einen solchen in Anspruch nehmen könne. 2) Im gewöhnlichen Sprachgebrauch nennt man S, häufig überhaupt das Wesentliche, andern Bestimmungen zu Grunde Liegende, so z.B. Stoffe u. Materialien im unverarbeiteten Zustande, namentlich chemische u. Pharmaceutische S-en im Unterschiede von ihren Verarbeitungen, Verbindungen u. Mischungen; die weichen u. harten Theile des Körpers im Gegensatz zu den Säften etc. In ähnlicher Weise nennt man die S. eines Vermögens die liegenden Gründe, Capitalien, Waaienvorräthe etc., aus denen es besteht; ja man nennt wohl sogar derbe u. nahrhafte Speisen substantiell, im Gegensatze von leichten u. unnahrhaften Leckereien etc.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 34.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: