Tischrücken

[572] Tischrücken und Tischklopfen, die drehenden, fortrückenden und klopfenden Bewegungen, in die ein Tisch versetzt wird, wenn mehrere um ihn herum sitzende oder stehende Personen mit der Absicht, diese Bewegungen zu erzielen, ihre Hände darauf legen, wobei durch Berührung der kleinen Finger eine Art von Kette gebildet wird. Versuche dieser Art wurden zuerst in den Vereinigten Staaten gemacht; nachdem aber ein Aufsatz in der »Allgemeinen Zeitung« vom 4. April 1853 davon Kunde gegeben, wurde das Tischrücken auch diesseit des Atlantischen Ozeans faßt allerorten mit Erfolg versucht, erregte großes Aufsehen und beschäftigte jahrelang Gelehrte und Ungelehrte, namentlich in England und Frankreich. Das sogen. Tischklopfen (Geisterklopfen) bildete sich zu einem vorgeblichen Geisterverkehr aus, bei dem der Tisch durch ein- oder mehrmaliges Erheben und Aufstampfen eines Fußes je nach Abrede Ja oder Nein, die Buchstaben des Alphabets oder die Zahlen bezeichnen mußte. Ähnliche Künste waren schon bei Griechen und Römern im Gebrauch, indem man zur Erforschung der Zukunft geweihte Dreifüße in Bewegung brachte, und unter dem Kaiser Valens gab ein derartiges Verfahren den Anlaß zu großartigen Zaubereiprozessen, die Ammianus Marcellinus ausführlich geschildert hat. Auch im jetzigen China und Indien sind entsprechende magische Operationen seit uralten Zeiten im Gebrauch. Faraday zeigte, daß lediglich Selbsttäuschung im Spiel sei, insofern Personen, die ihre Hände auf den Tisch legen, bald beginnen, im Sinne sogen. »ideomotorischer Bewegungen« (s. d.) unbewußt einen beträchtlichen Druck auszuüben, der nur in eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden braucht, um selbst schwere Tische in Gang zu bringen. Die Spiritisten ließen es bald nicht mehr bei dem T. bewenden, sondern zeigten (wie z. B. Home und Slade) am Schluß ihrer Sitzungen schwebende und fliegende Tische. Über schreibende Tischchen s. Psychograph. Vgl. Scheffler, Imaginäre Arbeit (Leipz. 1866); Crookes,[572] Der Spiritualismus und die Wissenschaft (deutsch von Wittig, das. 1872); Wallace, Eine Verteidigung des modernen Spiritualismus (deutsch, das. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 572-573.
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