Varro

[1012] Varro, 1) Marcus Terentius, der größte röm. Kulturhistoriker, geb. 116 v. Chr. zu Reate im Sabinischen, gest. 27 v. Chr., bekleidete Tribunat, Ädilität und Prätur und war 67 Legat seines Freundes Pompejus im Seeräuberkrieg. In derselben Stellung kommandierte er 49 in Spanien, mußte sich aber an Cäsar ergeben. Trotzdem er sich aufs neue an Pompejus anschloß, nach der Schlacht bei Pharsalos von Cäsar begnadigt, kehrte er 46 nach Rom zurück; 43 von Antonius wie sein Freund Cicero geächtet, entging er mit genauer Not dem Tode. Von Oktavian begnadigt, lebte er bis an sein Ende geistesfrisch und literarisch tätig. Seine großartige Gelehrsamkeit umfaßte das ganze damalige Wissen, und seiner Produktivität kam kein Römer und nur wenige unter den Griechen gleich. Die Gesamtzahl seiner teils prosaischen, teils poetischen Werke betrug über 70 in mehr als 600 Büchern. Vollständig erhalten haben sich davon nur die im 80. Lebensjahr verfaßten drei Bücher über die [1012] Landwirtschaft (hrsg. von Keil, Leipz. 1884; Kommentar, das. 1891; Textausg., das. 1889) und von den 25 Büchern des Werkes »De lingua latina« Buch 5–10 (hrsg. von Spengel, 2. Aufl., Berl. 1885). Hauptsächlich galten seine Studien der heimischen Sprache, Literatur, namentlich der dramatischen (s. Plautus), Geschichte und Altertumskunde. Von seinen größern Werken erwähnen wir noch die von Spätern vielbenutzten »Antiquitates rerum humanarum et divinarum« in 41 Büchern, eine Darstellung des gesamten politischen und religiösen Lebens der Römer seit den ältesten Zeiten; die »Disciplinae« in 9 Büchern, eine Enzyklopädie der Wissenschaften (Grammatik, Dialektik, Rhetorik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Musik, Architektur, Medizin); die »Imagines« oder »Hebdomades« in 15 Büchern, die in 100 Hebdomaden 700 Porträtbildnisse berühmter Griechen und Römer mit epigrammatischen Unterschriften enthielten. Als Dichter versuchte er sich auf dem Gebiete der populär-philosophischen Satire in 150 Büchern »Saturae Menippeae« in einer zwischen Prosa und mannigfachen Versarten wechselnden Form (Sammlung der Bruchstücke von Riese, Leipz. 1865, und in Büchelers Petronius, s. d.; vgl. Norden, In Varronis saturas Menippeas observatores, Leipz. 1892). Über sein Leben schrieben Roth (Basel 1857) und Boissier (Par. 1875); über seine Schriftstellerei vgl. besonders Ritschl in den »Opuscula«, Bd. 3, S. 352 ff.

2) Publius Terentius, röm. Dichter, aus Atax in Gallien (daher Atacinus), 82–37 v. Chr., schloß sich der in seiner Zeit aufkommenden alexandrinischen Richtung der römischen Poesie an. Sein Hauptwerk, die »Argonautae«, in 4 Büchern, eine freie Nachbildung des Epos des Apollonios von Rhodos, scheint das bedeutendste auf dem Gebiete des Epos zwischen Ennius und Vergil gewesen zu sein. Sammlung der geringen Überreste seiner Dichtungen bei Baehrens, »Fragmenta poetarum Romanorum« (Leipz. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 1012-1013.
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