Verkrümmung

[485] Verkrümmung (Curvatura, Contractura), Abweichung des Körpers u. seiner Theile hinsichtlich der Form, Stellung, Haltung u. des Bewegungsumfanges Die V-en sind Gegenstand der Orthopädie. Die Heilung der V-en ist in seltenen Fällen angeboren, zumeist durch Krankheiten der Knochen od. der Gelenke (Ankylose, s.d.), od. durch gestörte Muskelwirkung (Contractur), od. auch durch starke Vernarbungen der Weichtheile bedingt. Unter den Contracturen ist die wichtigste der sogen. Schiefe Hals (s.d.). Häufig kommen auch Klumpfüße, seltener Klumphand (s. b.) vor. Am wichtigsten sind die Rückgrathsverkrümmungen, u. zwar hinterwärts (Cyphosis), vorwärts (Lordosis) u. am gewöhnlichsten nach einer Seite (Scoliosis). Die Rückgrathsverkrümmungen sind bedingt durch Schwäche der Rückenmuskeln, welche theils angeboren, theils durch Mangel an gehöriger Ausbildung der Rückenmuskeln erworben ist od. ihren Grund in Krankheiten der Wirbel u. deren Gelenke (Englische Krankheit) hat. Skoliosis entsteht gewöhnlich aus Muskelschwäche, Lordosis u. Kyphosis durch Knochenkrankheiten. Die Krümmungen der Wirbelsäule bewirken auch eine Verschiebung des Brustkastens u. des Beckens, u. eine Krümmung erzeugt gewöhnlich eine od. zwei Gegenkrümmungen (compensirende Krümmungen). Die Rückgrathsverkrümmungen sind also nicht blos wegen der durch sie bedingten Entstellung des Körpers nachtheilig, sondern führen gewöhnlich auch mancherlei Leiden der Brust, des Unterleibes u. des Blutlaufes mit sich. Die Behandlung ist oft sehr schwierig u. zumeist langwierig u. muß, wenn sie überhaupt Erfolg haben soll, im ersten Anfang, des Übels eingeleitet werden. Außer gymnastischen Übungen u. einer kräftigenden Diät u. der Anwendung des gegen die Englische Krankheit einzuleitenden Heilverfahrens, muß die Wirbelsäule in gestreckter Richtung ausdauernd erhalten werden, wozu die sogen. Streckapparate dienen, welche in neuerer Zeit vorzüglich durch Heine u. Stromeyer vervollkommnet worden sind. Man wendet Streckstühle an, durch welche der Kopf mittelst einer über eine Rolle laufenden Schnur, an welcher ein Gewicht befestigt ist, in aufrechter Haltung getragen wird, u. Streckbetten, in welchen der Patient auf fester Matratze gleichmäßig gelagert wird. Die Ausdehnung geschieht von zwei Punkten aus; am Kopfe mittelst eines um das Kinn od. den Hinterkopf befestigten Riemens od. eines Halskragens u. eines am Becken befestigten Gurtes, welche durch zwei Federn mit den Betträndern in Verbindung stehen. Die Ausdehnung wird durch eine Kurbel mit Sperrrad beliebig hervorgebracht. Neben der Extension können auch noch Kissen, Polster u. Federapparate etc. in Anwendung kommen. Vgl. Orthopädie.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 485.
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