[753] Wahrendorf, Freiherr von W., Besitzer eines Eisenwerkes zu Aker in Schweden, construirte aus Eisen gegossene Kanonenrohre, welche in der Richtung der Seelenachse ganz durchbohrt sind. Diese Bohrung war erst glatt, bis zum Pulversack cylindrisch; der Pulversack hatte einen etwas größeren Durchmesser u. erweiterte sich nach rückwärts konisch, wo die Bohrung in einer noch größeren Erweiterung endete. Das Rohr bildete einen aus drei abgekürzten Kegeln zusammengesetzten Körper, welcher am Stoßboden sphärisch abgerundet war. Der Berschlußtheil bestand aus einem gußeisernen, etwas über einen Kaliber langen Cylinder, welcher die Seele ausfüllte u. einen Stiel hatte, an dessen Ende sich eine Schraubenmutter mit zwei kleinen Armen befand. Dieser Cylinder erhielt die Patrone in der richtigen Lage. Ein rechtwinkeliger Keil wurde von der Seite des Rohres in einen dafür passenden u. den konischen Theil der Bohrung durchschneidenden Ausschnitt eingeschoben u. hatte für den Durchgang des am Cylinder angebrachten Stieles einen Längeneinschnitt Dieser Stiel erhielt seine Führung durch ein in die größte Erweiterung eingeschobenes Verschlußstück. Zum Laden wurde das Verschlußstück abgenommen, die Ladung mit dem Cylinder vorgeschoben, der Keil eingesteckt u. die Schraubenmutter nach Einbringen des Verschlußstückes so weit angezogen, daß der ganze Mechanismus festsitzt. An dem den Stoßboden bildenden Cylinder war ein Ring angebracht, welcher nach rückwärts über denselben gebogen u. an einer Stelle geschlitzt war, dieser Ring sollte durch die Hitze des Pulvers eine solche Ausdehnung erhalten, daß der Spielraum gänzlich aufgehoben wurde. Dies Verschlußstück war mit einem Charnier versehen, damit es zur Seite umgelegt werden konnte. Das Geschoß bildeten rein sphärische Kugeln mit einem Bleiüberzug, das Kaliber war um eine Kleinigkeit größer als das des vorderen Bohrungsdurchmessers Diese Geschütze sind nun später bis zum Pulversack gezogen worden u. dazu ein mit Blei überzogenes Spitzgeschoß angewendet worden. Dabei wurde auch der Verschlußtheil abgeändert. Es wurde nämlich am Verschlußcylinder der Stiel u. der Keil weggelassen u. letzter durch einen zweiten[753] durch das Rohr U. den Verschlußcylinder gehenden Quercylinder ersetzt. Erster erhielt vorn einen etwas geschwächten konischen Zapfen, welcher mit seinem kleineren Durchmesser auf dem Cylinder sitzt, damit der gegen seinen Rand zu karniesartig gestaltete Stahlring sich in die gebildete Vertiefung eindrückt, u. darin festgehalten wird. Das Wahrendorf'sche System ist mit vielfachen Abänderungen in vielen Armeen eingeführt, bes. für Festungsgeschütze schweren Kalibers, zu denen von W. eine gußeiserne Laffete construirt hat; vgl. Spitzgeschosse.
Pierer-1857: Wahrendorf [1]