Kugel [1]

[873] Kugel (Math.), 1) wenn sich ein Halbkreis um seinen Durchmesser als Achse dreht, so beschreibt die Kreislinie eine krumme Oberfläche, welche Sphäre od. Kugelfläche genannt wird; der von ihr umschlossene Körper heißt K. Eine K. ist also ein Körper, welcher von einer krummen Fläche allseitig begrenzt wird, deren Punkte alle an einem gewissen Punkte, dem Mittelpunkte, gleiche Entfernung haben. Der Durchmesser des Halbkreises ist die Kugelachse, seine beiden Endpunkte heißen Pole, der Mittelpunkt des Halbkreises ist zugleich Mittelpunkt der K.; alle Geraden, welche diese mit irgend einem Punkte auf der Kugelsphäre verbinden, sind einander gleich u. heißen Radien (Halbmesser), jeder Durchmesser kann Achse sein. Eine K. erscheint gewölbt (convex); denkt man sich aber dieselbe ausgehöhlt, u. sie von ihrer Mitte aus sehend, so erscheint sie concav, als Kugelhöhlung. Jeder Kugelschnitt, d.h. jeder Schnitt einer Kugel durch eine Ebene, ist ein Kreis, Kugelkreis; denn denkt man sich beliebige Punkte des Umfanges dieses Schnittes mit dem Kugelmittelpunkte u. mit dem Fußpunkte des Perpendikels verbunden, welchen man vom Kugelmittelpunkte auf die Schneidungsebene fällt, so entstehen congruente Dreiecke, daher der Fußpunkt des Perpendikels als Mittelpunkt eines Kreises erscheint. Die Kugelschnitte, deren Ebenen durch den Mittelpunkt der K. gehen, heißen größte (Normal-, Haupt-) Kreise der K., ihre Durchmesser sind Kugeldurchmesser; Achse eines solchen Kreises heißt der auf seiner Ebene senkrechte Kugeldurchmesser. Alle Normalkreise derselben K. sind einander gleich u. halbiren sowohl sie wie ihre Oberfläche; hierdurch entsteht die Halbkugel (Hemisphäre). Alle Kugelschnitte, welche nicht durch den Mittelpunkt gehen, heißen kleine (Nichtnormal- Neben-) Kreise. Ein Kugelstreifen od. sphärisches Zweieck ist der, durch zwei sich schneidende größte Kreise begrenzte Theil der Kugeloberfläche. Kugelabschnitt (Kugelsegment) heißt jedes von einer K. mittelst einer Ebene abgeschnittene Stück; der Halbkreis, welcher ihn begrenzt, ist seine Basis; das Stück der Sphäre, die Kugelhaube od. Calotte. Abgestumpfter Kugelabschnitt od. Kugelscheibe heißt jeder Theil der K., welcher zwischen zwei parallelen Kreisen enthalten ist; Kugelzone, das zwischen beiden Kreisen enthaltene Stück der Kugeloberfläche. Der Inhalt einer Kugelzone wird gefunden, wenn man den Abstand der beiden Kreisebenen, welche[873] sie begrenzen, d.i. die Höhe der Kugelzone mit dem Umfange eines größten Kreises der K. multiplicirt; Z = 2 πrh für r als Kugelhalbmesser u. h als Höhe der Zone. Kugelausschnitt (Kugelsector) ist der Theil der K., welcher von einer Kugelhaube u. der Kegelfläche begrenzt wird, welche die Basis der Kugelhaube zur Grundfläche u. den Mittelpunkt der K. zur Spitze hat. Man erhält ihn, indem man einen Kreissector eines größten Kreises um den denselben halbirenden Halbmesser als Achse dreht. Ist dieser Kreisausschnitt kleiner als ein Halbkreis, so wird der Kugelsector ein Kegel mit sphärischer Basis, wie schon bezeichnet; ist er gleich einem Halbkreis, so wird der Kugelsector zur Halbkugel, u. ist er größer als ein Halbkreis, so erhält man eine K., aus welcher ein Sector der ersten Art herausgeschnitten ist; die beiden letzteren Fälle geben also im strengen Sinne des Wortes keinen Kugelsector. Was für geradlinige Figuren der Kreis, ist für Körper die K., wenn man von eingeschriebener u. umgeschriebener K. spricht (eingeschriebene, umgeschriebene Figur). Um jedes der fünf regulären Polyeder läßt sich eine K. beschreiben, u. eben so umgekehrt. Wichtigste Sätze: a) die Sphäre einer K. ist gleichflächig einem Kreise, dessen Halbmesser gleich ist dem Durchmesser der K., od. auch gleich dem Rechteck aus dem Durchmesser u. der Peripherie eines Normalkreises od. auch gleich dem Vierfachen der Fläche eines größten Kreises; b) die Oberflächen verschiedener K-n verhalten sich zu einander, wie die Quadrate ihrer Durchmesser; c) der Inhalt einer K. ist gleich dem Inhalte eines Kegels, dessen Basis gleich der Kugeloberfläche u. dessen Höhe gleich dem Kugelhalbmesser ist, od. auch gleich einem Kegel, welcher einen größten Kreis zur Grundfläche u. das Doppelte eines Kugeldurchmessers zur Höhe hat, od. auch zwei Drittel eines Cylinders, dessen Grundfläche ein größter Kreis u. dessen Höhe ein Kugeldurchmesser ist. Wenn daher dem Durchmesser einer K. gleich ist der Durchmesser der Basis eines kreisförmigen Cylinders u. Kegels u. die Höhe der beiden letzten Körper gleichfalls einem Kugeldurchmesser gleich ist, so verhalten sich diese drei Körper, Kegel, K. u. Cylinder, wie 1: 2: 3. Dieser merkwürdige Satz heißt der Archimedische Lehrsatz; d) verschiedene K-n verhalten sich wie die Kuben über ihren Durchmesser.

Der Inbegriff der Beziehungen, welche für die K. u. namentlich für krumme Linien stattfinden, welche sich auf ihrer Oberfläche beschreiben lassen, heißt Sphärik. Nach Euklides, welcher die bis dahin bekannten Eigenschaften der K. in seinen Elementen erweist, ist Archimedes der erste, welcher in seiner Schrift Περὶ τῆς σφαίρας seine Entdeckungen niedergelegt hat. Als solche hebt er in der Einleitung ganz bes. hervor, daß die Oberfläche der K. gleich sei dem vierfachen größten Kreise derselben; daß die Calotte so groß sei als ein Kreis, dessen Halbmesser die gerade Linie vom Scheitel des Abschnittes bis an den Umfang des Grundkreises ist; daß jeder Cylinder, welcher zur Grundfläche einen größten Kreis der K. u. zur Höhe ihren Durchmesser hat, 11/2mal so groß als die K., u. daß seine ganze Oberfläche das eben so Vielfache der Kugelfläche sei. Die auf den Archimedischen Satz bezügliche Figur fand Cicero auf dem Grabsteine des Archimedes. Nach diesem haben Theodosios von Tripolis u. Menelaos (s. b.) aus Alexandrien in ihren Sphärika, die Sphärik im engeren Sinne, also die Beziehungen der Kreise, behandelt, welche sich auf der Kugelfläche construiren lassen, mit dem besonderen Zwecke, die der sphärischen Astronomie angewendeten Sätze geometrisch zu begründen u. in ein geordnetes Ganze zu vereinigen. Seitdem hatte sich immer nur der Theil der Sphärik, dessen die Astronomie bedurfte, nämlich die sphärische Trigonometrie, einer besonderen Pflege u. Ausbildung zu erfreuen. Als eine selbständige Wissenschaft, jedoch mehr mit Andeutung als Durchführung des zuletzt erwähnten Gesichtspunktes, hat man sie erst in neuester Zeit zu bearbeiten angefangen u. bereits viel Neues u. Wichtiges zu Tage gefördert, so G. F. Pohl, Die Kugelfläche als mathematisches Constructionsfeld im Gegensatze der Ebene, Berl. 1819; v. Forstner, Die sphärische Trigonometrie, ebd. 1827; K. Ferd. Schulz, Sphärik, Lpz. 1828 f., 2 Thle.; C. Gudermann, Grundriß der analytischen Sphärik, Köln 1830.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 873-874.
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