[347] Niederländische Eisenbahnen (mit Karte).
Inhalt: I. Geschichtliches. II. Technische Anlage. III. Gesetzgebung und Verwaltung. IV. Statistisches. V. Literatur.
I. Geschichtliches. Bereits im Anfang der Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts waren in den Niederlanden die Bestrebungen auf Anlage von Eisenbahnen gerichtet. Insbesondere waren es Lieutenant-Colonel Bake und der Amsterdamer Ingenieur W. C. Brade, die sich durch weitere Verbreitung des Gedankens in Flugschriften und in der Presse große Verdienste erworben haben. Die geographischen Verhältnisse des Landes waren dem Eisenbahnbau nicht förderlich. Die ungünstigen Wasser- und Bodenverhältnisse sowie die Überbrückung der großen Ströme sowie der Kanäle und Flüsse erforderten bedeutende Kosten. Und gerade in dem Reichtum an Wasserstraßen fand die Mehrzahl der Gegner Veranlassung, den Bahnbau für die Niederlande als überflüssig zu bezeichnen. Indessen zeigte sich König Wilhelm I. als ein großer Freund der Eisenbahnen. Bereits 1832 hatte er die Idee angeregt, eine Verbindung zwischen Amsterdam und Köln über Amersfoort-Isselburg herzustellen, und es wurde der Auftrag erteilt, die Pläne für eine solche Bahn zu entwerfen. Diese waren 1833 fertig; doch waren die nötigen Geldmittel nicht zu beschaffen.
Eine im Jahre 1836 vom König berufene Kommission befürwortete entschieden die Anlage von Eisenbahnen und sprach sich in erster Reihe für eine Linie von Amsterdam über Amersfoort nach Arnheim aus, die später bis an die Grenze fortzusetzen und vom Staat zu bauen sei. In zweiter Linie befürwortete die Kommission den Bau einer Bahn nach der Münsterschen Gegend, um den Verkehr mit Bremen und den anderen Hansestädten nach Amsterdam zu ziehen, in dritter Linie eine Eisenbahn von Amsterdam nach Haarlem.
Mit kgl. Erlaß vom 1. Juni 1836 wurde die Konzession für die erste Eisenbahn von Amsterdam nach Haarlem für 33 Jahre erteilt und 1837 an die holländische Eisenbahngesellschaft (s.d.) übertragen.
Ein im Jahre 1838 der zweiten Kammer der Generalstaaten vorgelegter Gesetzentwurf für eine Bahn von Amsterdam nach Arnheim über Utrecht mit einer Seitenlinie nach Rotterdam wurde abgelehnt. Am 30. April ließ der König zum Bau der Hauptstrecke eine Anleihe aufnehmen und übernahm persönlich die Zinsgarantie dafür.
Infolge finanzieller Verwicklungen, Streitigkeiten zwischen den Aktionären und dem Gesellschaftsvorstand der niederländischen Rhein-Eisenbahn, der die Konzession übertragen war, Uneinigkeiten mit der Regierung u.s.w. wurde die Linie Amsterdam-Arnheim erst 1843/45 eröffnet und 1845 an die niederländische Rhein-Eisenbahn verkauft, die die Strecke Arnheim-Grenze 1856 und die Linie Gouda-Rotterdam 1855 eröffnete.
1846 wurde die Konzession für eine Linie von Maastricht nach der preußischen Grenze in der Richtung nach Aachen nebst Zweigstrecken der Aachen-Maastrichter Eisenbahngesellschaft erteilt und dieser 1853 auch die Konzession für eine Linie von Maastricht nach der Grenze in der Richtung von Hasselt verliehen. Der Betrieb beider Linien war von 1867 bis zum 1. Juli 1898 an die Grand Central Belge verpachtet.
Die ersten N. (holländische und Rhein-Eisenbahn) waren mit breiter Spur gebaut. Als die Aussicht auf Anschluß an die deutschen Bahnen eröffnet wurde, mußte die Spurweite auf die der deutschen Bannen (1∙435 m) gebracht werden, wofür der Rhein-Eisenbahn durch Ges. vom Mai 1852 eine Beihilfe bewilligt wurde.
Erst 1852 wurde eine Konzession für eine Linie von der belgischen Grenze über Roosendaal nach Moerdyk nebst Zweigstrecke Roosendaal-Breda in Verbindung mit einem Dampfbootdienst von Moerdyk nach Rotterdam verliehen und damit eine Verbindung mit Antwerpen und Belgien geschaffen. Die Eröffnung erfolgte 1854/55.
Am 1. Juli 1880 wurden die Linien vom niederländischen Staat angekauft und mit Ausnahme der Strecke Zevenbergen-Moerdyk dem Netz der 1863 gegründeten Gesellschaft für den Betrieb niederländischer Staatseisenbahnen einverleibt.
1856 wurde die Linie Maastricht-Grenze in der Richtung nach Lüttich konzessioniert und 1860 an die »Société anonyme des chemins de fer de Liége à Maastricht« mit dem Sitz in Brüssel übertragen, die diese Linie bis 1898 selbständig betrieben hat. Hiermit war die dritte Verbindung mit Belgien sichergestellt.
1857 setzte sich das niederländische Eisenbahnnetz aus 4 Unternehmungen mit einer Länge von 332 km zusammen.
Ein im Jahre 1857 von der Regierung vorgelegter Gesetzentwurf, durch den sie ermächtigt werden sollte, Vorarbeiten für Bahnbauten im Umfange von 1352 km vorzunehmen, wurde von den Generalstaaten dermaßen ungünstig aufgenommen, daß die Regierung auf die weitere Behandlung verzichtete. Auch der Versuch zweier Privatgesellschaften, ein nördliches und ein südliches Eisenbahnnetz mit[347] Zinsgarantie und finanzieller Beteiligung des Staates zu schaffen, scheiterte an dem Widerstand der ersten Kammer.
Ein im Jahre 1860 vorgelegter neuer Gesetzentwurf wurde von den beiden Kammern angenommen. Mit der Annahme dieses Gesetzes (18. August 1860) hatte man sich endgültig für den Staatsbau ausgesprochen.
Dieses Gesetz betraf die Anlage der Linien:
1. Von Arnheim nach Leeuwarden (eröffnet 1865 bis 1868);
2. von Harlingen nach der hannöverschen Grenze (eröffnet 18631876);
3. von Groningen nach Meppel (eröffnet 1870);
4. von Zutphen über Hengelo nach der deutschen Grenze (eröffnet 18651868);
5. von Maastricht nach Venlo (eröffnet 1865);
6. von Breda nach Venlo (eröffnet 18631866);
7. von Roosendaal nach Vlissingen (eröffnet 1863 bis 1873);
8. von Venlo nach der preußischen Grenze (eröffnet 18661867);
9. von Utrecht über's Hertogenbosch nach Boxtel (eröffnet 18681870);
10. von Breda nach Rotterdam (eröffnet 1866 bis 1877);
11. von Nieuwe diep (Den Helder) nach Amsterdam (eröffnet 18651878).
Durch die Ausführung vorstehender Linien wurde das Netz um 900 km vergrößert.
1873 wurde der Bau der Linien Arnheim-Nymegen (eröffnet 1879) und Zwaluwe-Zevenbergen (eröffnet 1876) beschlossen.
Ein Ges. vom 10. November 1875 ordnete die Anlage folgender Linien auf Staatskosten an: a) Zwolle-Almelo (eröffnet 1881), b) Elst-Dordrecht (eröffnet 18821885), c) Nymegen-Amersfoort (nur die Strecke Amersfoort-Kesteren kam in Ausführung und wurde am 18. Februar 1886 eröffnet). Die Strecke Kesteren-Nymegen fiel zusammen mit Teilstrecken der Linien Elst-Dordrecht und Arnheim-Nymegen), d) Zaandam-Enkhuizen (eröffnet 18841885), e) Leeuwarden-Stavoren (eröffnet 18831885), f) Nymegen-Venlo (eröffnet 1883), g) Schiedam-Maassluis-Hoek van Holland (eröffnet 1891 bis 1893), h) Zwaluwe's Hertogenbosch (eröffnet 18861890), i) Groningen-Delfzyl (eröffnet 1884).
Nachdem man sich 1860 für den Bau der Bahnen auf Rechnung des Staates ausgesprochen hatte, entschied man sich dafür, den Betrieb einer Privatgesellschaft zu übertragen. Durch Ges. vom 3. Juli 1863 sind die Grundlagen für die Betriebsüberlassung festgestellt und ein Übereinkommen mit der Gesellschaft für den Betrieb niederländischer Staatseisenbahnen auf die Dauer von 50 Jahren abgeschlossen worden. Die Linie von Amsterdam nach Nieuwe diep wurde unter gleichen Bedingungen der holländischen Eisenbahngesellschaft verpachtet. Der Betrieb der Linie Venlo-Grenze (Richtung Kaldenkirchen) wurde laut Vertrag von 1866 der rheinischen und bergisch-märkischen Eisenbahn übertragen. Am 24./25. Mai 1876 wurde mit dem Staat ein neuer, für die Gesellschaft günstigerer Vertrag abgeschlossen, der bis 21. Januar 1890 (s.u.) in Kraft blieb.
Auch an Stelle des mit der holländischen Eisenbahngesellschaft abgeschlossenen Übereinkommens über den Betrieb der Linie Amsterdam-Nieuwe diep trat der Vertrag vom 21. Januar 1890.
Neben den Staatsbahnlinien sind noch verschiedene Privatbahnen zur Ausführung gekommen. Zunächst wurde eine Linie von Utrecht nach Zwolle konzessioniert. Die Konzession wurde der 1860 gegründeten niederländischen Zentral-Eisenbahngesellschaft übertragen, an die 1863 auch die Konzession für die Fortsetzung von Zwolle nach Kampen verliehen wurde. Damit war eine wichtige Verbindung zwischen dem Norden und Süden des Landes geschaffen. Im Jahre 1885 hatte die niederländische Rheinbahn-Gesellschaft die Mehrzahl der Aktien der Zentral-Eisenbahngesellschaft angekauft, die 1890 mit der Übernahme der Rheinbahn in den Besitz der Staatseisenbahngesellschaft kamen.
Aus nachstehender Tabelle sind die weiter verliehenen Konzessionen ersichtlich, soweit sie ausgeführt wurden.
[349] Nachdem der Bau der Hauptlinien vollendet war, stellte sich das Bedürfnis nach Verbindungen heraus, die mehr örtlichen Zwecken zu dienen geeignet waren. Die Möglichkeit dazu wurde durch das Gesetz über die Nebenbahnen vom 9. August 1878 geboten (seither durch das Ges. vom 9. Juli 1900 ersetzt), das verschiedene Erleichterungen gewährte. Die Anlagekosten insbesonders konnten wesentlich eingeschränkt und damit nicht allein der Bau, sondern selbst bei schwachem Verkehr ein, wenn auch bescheidener Ertrag, sichergestellt werden. Auch die Pachtverträge der holländischen Eisenbahngesellschaft mit verschiedenen Lokalbahngesellschaften haben auf die Förderung der Anlage solcher Bahnen günstig eingewirkt. Hierbei wurde nicht auf den unmittelbar zu erzielenden Gewinn, sondern vielmehr auf die zukünftige Entwicklung des Verkehrs der Hauptbahn Rücksicht genommen.
Die erste Konzession dieser Art wurde 1879 verliehen für den Bau und Betrieb der Nebenbahn von Haarlem nach Zandvoort. Diese wurde der 1880 gegründeten gleichnamigen Gesellschaft übertragen. Seit 1889 ist der Betrieb an die holländische Eisenbahngesellschaft verpachtet. 1902 wurde die Bahn zur Vollbahn ausgebildet.
Dann folgten die Geldersch-Overysselschen Nebenbahnen, im Betrieb der holländischen Eisenbahngesellschaft. Es sind dies die Linien Winterswyk-Neede-Boekelo-Hengelo und Ruurlo-Neede (eröffnet 1884), Winterswyk-Zevenaar und Ruurlo-Doetinchem (eröffnet. 1885) und Boekelo-Enschedé (eröffnet 1885).
1882 wurden die Linien Dieren-Hattem, Apeldoorn-Het Loo und Apeldoorn-Almelo der kgl. niederländischen Lokaleisenbahngesellschaft konzessioniert (eröffnet 18871888). Anfänglich als Nebenbahn betrieben, ist die Linie Apeldoorn-Almelo mit Rücksicht auf später darauf einzurichtenden (und auch tatsächlich eingerichteten) Hauptbahnbetrieb als Hauptbahn angelegt.
Weiter wurden noch vor dem Abschluß des Übereinkommens vom 21. Januar 1890 konzessioniert die Nebenbahnen von Hoorn nach Medemblik (eröffnet 1887) und von Enschedé nach Oldenzaal (eröffnet 1890).
Sämtliche oben aufgeführten Nebenbahnen werden pachtweise von der holländischen Eisenbahngesellschaft betrieben.
Im Jahre 1890 erfolgte eine völlige Umgestaltung der niederländischen Eisenbahnverhältnisse. Zu ihrem Verständnis muß auf die Zeit vor dem Jahre 1870 zurückgegangen werden. Jede Bahngesellschaft beherrschte damals für sich ein eigenes Verkehrsgebiet. Die holländische Eisenbahngesellschaft hatte den Lokalverkehr und geringfügigen direkten Verkehr in der Richtung nach Belgien, die Staatsbahnen hatten nur wenige Anschlüsse und waren ebenfalls hauptsächlich auf den Lokalverkehr beschränkt. Nur die niederländische Rheinbahn besaß einen bedeutenden Verkehr mit Nord-, Süd- und Mitteldeutschland, wobei sie nur die Wasserstraße zur Mitbewerberin hatte. Dieser Zustand änderte sich, als die Rheinbahn nach Eröffnung der Linien Harmelen-Breukelen und Gouda-Den Haag der holländischen Eisenbahngesellschaft im Binnenverkehr scharfe Konkurrenz zu machen anfing und die Öffentlichkeit die Anlage von Wettbewerbslinien begehrte. Im Jahre 1870 wurde in dieser Hinsicht durch Vollendung der Linie Venlo-Utrecht, die allerdings einer eigenen durchgehenden Verbindung mit Amsterdam entbehrte, Bahn gebrochen. Mit Rücksicht darauf hatten die Staatsbahnen ihr Streben darnach gerichtet, sich einen möglichst unabhängigen Weg nach der Hauptstadt zu sichern, und es wurde bereits im folgenden Jahre mit der Rheinbahn ein Übereinkommen getroffen, kraft dessen jede Gesellschaft das Recht hatte, auf dem Netz der anderen gegen Entrichtung der Kosten der Zugkraft ihre Personen und Güter zu befördern. Als jedoch, besonders in den deutschen Verkehren, die Interessen der beiden Unternehmungen auseinander gingen, versagten auch diese Vereinbarungen. Zudem hatte die 1872 bei Mallegat zu stande gekommene Verbindung Venlo-Rotterdam, mittels deren die Staatsbahnen an letztgenannter Stelle die Konkurrenz mit der Rheinbahn wirksam aufnahmen, zur Verschlechterung der Verhältnisse beigetragen, so daß die Staatsbahnen einige Zeit vorzogen, ihre Amsterdamer Güter von Utrecht aus mit Schiffen zu befördern. Mit Eröffnung der Ostbahn (1874 bis Utrecht, 1878 bis Zutphen) waren die Staatsbahnen nunmehr auch für den Verkehr mit Norddeutschland nicht weiter von der Rheinbahn abhängig. Als 1880 die Verbindung bis Winterswyk in Betrieb gesetzt wurde und die holländische Eisenbahn damit eine selbständige Verbindung mit dem Ruhrkohlengebiet erhielt, wurde die Lage abermals verändert. Der Mangel einer gewissen Einheitlichkeit und des Zusammenhangs im Eisenbahnbetrieb, die mannigfaltigen Tarifstreitigkeiten sowohl im Nachbarverkehr als in dem Verkehr mit dem Ausland, und der mit höchster Anstrengung geführte Wettbewerb gaben zu vielen Klagen Veranlassung. Bei dieser Sachlage wurde im Jahre 1881 in den Generalstaaten die Einsetzung einer parlamentarischen Enquête zur Beratung der Frage vorgeschlagen, in welcher Weise der Betrieb einzurichten sei, damit den Bedürfnissen des Verkehrs am besten entsprochen werden könnte. Bereits in der Begründung der Vorlage wurde bemerkt, daß man die Verstaatlichungsfrage unberührt lassen wollte. Die Enquêtekommission beschäftigte sich eingehend mit der Verwaltung und dem Betrieb,[350] verhörte zahlreiche Zeugen und sprach sich in ihrem am 9. Oktober 1882 erstatteten eingehenden Bericht für Aufrechterhaltung des gegenseitigen Wettbewerbs im Interesse des Publikums aus, in dem Sinn jedoch, daß die kleineren niederländischen Bahngesellschaften im Interesse einer zweckmäßigen Verteilung des Netzes in einer der 3 großen Gesellschaften aufgehen sollten. Das Netz sollte derart verteilt werden, daß jeder der 3 größeren Eisenbahngesellschaften ein abgerundetes zusammenhängendes Gebiet unterstellt und durch gemeinschaftliche Benutzung fremder Bahnstrecken (Running power), eine oder mehrere Verbindungen zwischen den großen Hafenplätzen und der Grenze gesichert würden. Selbständige, in Wettbewerb stehende Verbindungen von der Grenze bis zu den Häfen für den internationalen Verkehr, große selbständige Routen unter einheitlicher Verwaltung für den inländischen Verkehr mit Beibehaltung des Privatbetriebs, Stärkung des Staatsaufsichtsrechts, insbesondere im Tarifwesen, waren die Grundlagen für die künftige Gestaltung des Eisenbahnwesens. Nach Veröffentlichung des Berichts trachteten die größeren Eisenbahngesellschaften mehr noch als früher, sich in ihrer Stellung zu behaupten und zu kräftigen. Hauptsächlich war jetzt das Streben darauf gerichtet, sich der Kontrolle über die kleinen Gesellschaften zu versichern.
Die zu diesem Zweck durchgeführten Maßnahmen hatten eine weitere Verwirrung und Mißstände zur Folge und die Anschauung, daß eine bessere Regelung notwendig sei, gewann mehr und mehr Boden. Als nun die Frage einer Verlängerung der Konzession der Rheinbahn (die 1898 endete) wieder auf die Tagesordnung kam, glaubte die Regierung zum Ankauf der Rheinbahn für Rechnung des Staates schreiten zu sollen. Am 15. Oktober 1890 gingen die sämtlichen Aktiven dieser Bahn auf den Staat über gegen Rückvergütung des auf die Aktien eingezahlten Betrags zuzüglich einer Prämie. Ferner verpflichtete sich der Staat, die laufenden Anleihen zu übernehmen.
Mit der holländischen Eisenbahngesellschaft wurde ebenfalls ein neues Abkommen getroffen und auch der mit der Gesellschaft für den Betrieb von Staatsbahnen abgeschlossene Vertrag von 1876 wurde in beiderseitigem Einverständnis aufgehoben.
Nunmehr hatte der Staat freie Hand, die Neueinteilung des Netzes zu regeln. Die Regierung hielt es unter Beibehaltung der von der Kommission vorgeschlagenen Grundsätze für zweckmäßig, das ganze Netz unter den 2 noch bestehenden großen Gesellschaften, der Betriebsgesellschaft der Staatsbahnen und der holländischen Eisenbahngesellschaft, zu verteilen, u.zw. in der Weise, daß der ebenfalls von der Kommission angeregte Gedanke des Mitbenutzungsrechts ausgedehnte Anwendung finden sollte.
Die holländische Eisenbahngesellschaft behielt Eigentum und Betrieb der ihr gehörenden Linien, ferner die ihr pachtweise überlassenen Strecken einschließlich der Kleinbahn Den Haag-Scheveningen. Weiter wurde ihr der ausschließliche Betrieb der bis dahin von der Staatsbahnbetriebsgesellschaft betriebenen Staatslinien von Stavoren nach Leeuwarden und von Dordrecht nach Elst und Ressen Bemmel sowie der Linie von Almelo nach Salzbergen übertragen.
Die holländische Eisenbahngesellschaft mußte der Betriebsgesellschaft der Staatsbahnen den Mitbetrieb auf den Linien von Nymegen nach Cleve, von Almelo nach Salzbergen und von Winterswyk nach Zevenaar sowie auf der von der holländischen Eisenbahngesellschaft zu bauenden Ringbahn von Rotterdam gestatten.
Die Betriebsgesellschaft der Staatsbahnen behielt den Betrieb der ihr unterstellten Staatsbahnen, ausgenommen die Linien Stavoren-Leeuwarden und Dordrecht-Elst/Ressen Bemmel, und erhielt die sämtlichen Linien der niederländischen Rhein Eisenbahn, mußte aber der holländischen Eisenbahngesellschaft die Mitbenutzung folgender Linien einräumen: Rotterdam-Dordrecht-Grenze, Hengelo-Enschedé-Grenze, Elst-Arnheim, Ressen Bemmel-Nymegen, Nymegen-Venlo, Arnheim-Emmerich und Rotterdam-Utrecht. Ferner verpflichtete sie sich, der holländischen Eisenbahngesellschaft auch den Mitbetrieb der Strecke Utrecht-Amersfoort zu überlassen. Schließlich wurde der holländischen Eisenbahngesellschaft die Verpflichtung zur Anlage einer Verbindungsbahn zwischen den Stationen Maas und Delftsche Poort zu Rotterdam auferlegt, womit der direkte Anschluß daselbst zwischen den beiden Linien Utrecht-Rotterdam und Rotterdam-Den Haag seiner Verwirklichung nahegebracht wurde. Diese Linie sollte ebenfalls von den beiden Gesellschaften gemeinschaftlich benutzt werden.
Durch diese Abmachungen wurde den beiden Eisenbahngesellschaften die Einrichtung größerer voneinander unabhängiger und selbständiger Durchgangsrouten sowohl für den Binnenverkehr als auch für den Verkehr mit dem Ausland ermöglicht.
Durch Gesetz kann zu jeder Zeit bestimmt werden, daß der Betrieb zu einer gesetzlich zu bestimmenden Frist, u.zw. spätestens ein Jahr nach Veröffentlichung des Gesetzes endigen[351] und das Eigentum der Gesellschaften verstaatlicht werden soll. Die Übernahme durch den Staat kann stattfinden:
1. Durch Übernahme des gesamten Unternehmens in dem Stand, wie es sich zur Zeit der Übernahme befindet;
2. durch Übernahme des gesamten Unternehmens, mit Ausnahme der vom Minister für Wasserbau und vom Finanzminister zu bestimmenden Gegenstände, Rechte und Verpflichtungen (das Ausschließungsrecht ist jedoch beschränkt);
3. durch Übernahme aller Aktiva, soweit sie die Staatsbahnen, somit bei der holländischen Eisenbahngesellschaft die Eisenbahnen betreffen, die am 1. Januar 1890 in ihrem Besitz waren (einschließlich der Linie Den Haag-Scheveningen).
Alle Einnahmen fallen den Gesellschaften zu; dagegen zahlen sie dem Staat für die Überlassung der Staatsbahnen einen jährlichen Pachtzins.
Über die Entwicklung des Eisenbahnwesens nach dem Zustandekommen der Verträge von 1890 ist folgendes zu erwähnen:
Am 22. September 1893 wurde der holländischen Eisenbahngesellschaft der Bau einer Vollbahn von Alkmaar über Heer Hugowaard nach Hoorn konzessioniert (23∙4 km, eröffnet 1898).
1899 wurde eine elektrische Vollbahn von Rotterdam nach Haag und nach Scheveningen konzessioniert (eröffnet 19071908) und der »Südholländischen elektrischen Eisenbahngesellschaft« übertragen. In 1908 nahm die holländische Eisenbahngesellschaft diese Bahn (32∙6 km) in Betrieb.
Schließlich wurde die Hauptbahn Weert-Eindhoven in Betrieb genommen. Diese Bahn, durch die die Linie Amsterdam-Maastricht um 22 km verkürzt wird, ist auf Staatskosten gebaut (Ges. vom 2. Januar 1905) und hat die Staatsbahngesellschaft den Betrieb pachtweise übernommen. Die Strecke wurde am 1. November 1913 eröffnet und ist 29 km lang.
Auch auf dem Gebiet des Nebenbahnwesens herrschte seit 1890 eine rege Tätigkeit.
Eröffnet wurden die folgenden Nebenbahnen:
1. Sauwerd-Roodeschool, 26∙8 km,
2. Heerlen-Herzogenrath, 26∙5 km,
3. Zwolle-Delfzyl mit Zweigbahnen, 193∙5 km,
4. Deventer-Ommen, 37∙5 km,
5. Heerlen-Schin op Geul, 9∙1 km,
6. Leeuwarden-Anjum mit Zweigbahnen, 84∙8 km,
7. Dinxperlo-Varseveld, 10∙5 km,
8. Neede-Hellendoorn, 36 km,
9. Haarlem-Leiden mit Zweigbahn, 46 km,
10. Hattem-Kampen, 18 km,
11. Enschedé-Grenze, Richtung Ahaus, 13∙9 km,
12. Coevorden-Grenze, Richtung Neuenhaus, 2∙4 km,
13. de Bilt-Zeist, 6∙7 km,
14. den Dolder-Baarn, 10∙5 km,
15. Ede-Nykerk, 29∙5 km.
Die Bahnen 15 werden von der Staatseisenbahngesellschaft, die Bahnen 611 von der holländischen Eisenbahngesellschaft und die Bahnen 1315 von der Zentral-Eisenbahngesellschaft betrieben.
Die nachstehende Tabelle enthält eine Darstellung der Entwicklung des Eisenbahnnetzes auf niederländischem Gebiet.
Über die Einführung des Staatsbahnsystems in Holland sind die Meinungen noch immer sehr geteilt. 1908 wurde in der Zweiten Kammer der Generalstaaten ein Antrag, es sollten so schnell wie möglich Maßregeln vorbereitet werden, um den staatlichen Betrieb auf den Eisenbahnen einzuführen, mit 46 : 39 Stimmen abgelehnt.
Seither wurde eine Staatskommission eingesetzt zur Untersuchung der Frage, ob und gegebenenfalls welche Veränderungen im Eisenbahnwesen vorzunehmen seien; die Mitglieder dieser Kommission entschieden sich in ihrem Bericht von 1911 für die Einführung des Betriebs durch eine Gesellschaft.
In dieser Richtung sind aber bisher noch keine Schritte unternommen worden.
Die Klein- und Straßenbahnen sind nicht nur für den Nah- und Stadtverkehr von großer Bedeutung, sondern sie haben sich in den letzten Jahrzehnten, teilweise mit staatlicher und provinzieller Unterstützung als Zufuhrwege für die Haupt- und Nebenbahnen lebhaft entwickelt. Insoweit die Kleinbahnen nicht auf Personenbeförderung innerhalb einer Gemeinde beschränkt sind, sind sie der Reichsgesetzgebung unterworfen.
Zu den vereinfachten Nebenbahnen (Höchst-Geschwindigkeit 35 km in der Stunde) gehören: die elektrische Bahn Amsterdam-Haarlem-Zandvoort (28∙2 km), Schagen-Wognum (23∙2 km), Alkmaar-Schagen (30∙8 km), Haag-Hoek van Holland, Poeldyk-Maaslandsche[352] Dam und Loosduinen-Kykduin (zusammen 34∙4 km), Egmond-Alkmaar-Bergen am Meer (19∙5 km), die Bahnen der Rotterdamsche Kleinbahngesellschaft auf Hoeksche Waard, Voorne und Putten, und Flakkee (zusammen 167∙6 km), Brouwershaven-Steenbergen (45∙6 km) und Midelburg-Domburg/Vlissingen (27∙2 km).
Ende 1911 waren zusammen 2413∙595 km Klein- und Straßenbahnen (einschließlich der vereinfachten Nebenbahnen) im Betrieb. Die 99 Bahnen (hiervon 21 kommunale Straßenbahnen) wurden von 79 Unternehmungen betrieben. Bei 23 Unternehmungen mit einer Gesamtlänge von 184∙120 km wurden Pferde, bei 34 Unternehmungen mit 1068∙081 km wurden Lokomotiven, bei 6 Unternehmungen mit 721∙364 km wurden Pferde und Lokomotiven benutzt; der Betrieb wird von 3 Unternehmungen (113∙004 km) mit Pferden und Elektrizität, von 8 Unternehmungen (80∙163 km) allein mit Elektrizität, 3 Unternehmungen (198∙936 km) mit Elektrizität und Lokomotiven, von 1 Unternehmung (41∙725 km) mit Elektrizität, Lokomotiven und Pferden und von 1 Unternehmung (6∙200 km) mit Benzollokomotiven ausgeführt.
Es wurden auf diesen Bahnen ungefähr 184,700.000 Personen und 1,419.500 t Güter befördert. Die Gesamteinnahmen betrugen 1911 (ausgenommen Haag-Scheveningen der holländischen Eisenbahngesellschaft) 14,882.750 fl.
Nur wenige von diesen Bahnen stehen im Betrieb der großen Eisenbahngesellschaften.
Die niederländische Staatsregierung befaßt sich im allgemeinen nicht mit der Anlage der Kleinbahnen. Erst wenn die Provinzen oder Gemeinden die Anlage einer Bahn finanziell unterstützen, wird von der Regierung untersucht, ob die Konzession verliehen werden kann und ob die geplante Bahn von genügend allgemeinem Interesse ist, um für ihre Anlage auch Staatsunterstützung zu gewähren.
In diesem Fall wird aus der Staatskasse ein zinsloser Vorschuß von meistens einem Drittel der Gesamtkosten verliehen. In Ausnahmefällen ist der Vorschuß auch höher. Er wird unter bestimmten, kraft Ermächtigung der Königin zu stellenden Bedingungen dem Konzessionär gegeben, nachdem von den bei der Anlage der Bahn interessierten Personen eine nach dem Urteil des Ministers für Wasserbau genügende Unterstützung unter den von diesem Minister festgestellten Bedingungen gewährt ist.
Das finanzielle Verhältnis zwischen dem Staat und der Kleinbahnunternehmung wird in einem sog. Konzessions- und Subventionsvertrag geregelt.
Bis 15. Juli 1912 waren vom Staat zinslose Vorschüsse im Höchstbetrag von 17,529.071 fl. gewährt, wovon bis zum 1. Januar 1911 9,489.585∙27 fl. ausgezahlt waren.
II. Technische Anlage. Für den Bau der Eisenbahnen bilden die in den Konzessionen und für die Staatsbahnen die mit Ministerialerlaß veröffentlichten »technischen Vorschriften für den Bau der Eisenbahnen, Kunstwerke und Hochbauten« die Grundlage. Die niederländischen Eisenbahnkonzessionen enthalten über den technischen Teil nur wenige Bestimmungen. Eigentliche »cahiers des charges« kommen in den Niederlanden nicht vor. Nur bei der Konzessionierung der Linie Amsterdam-Haarlem (1836) waren die technischen Vorschriften in einem der Konzession beigegebenen Bedingnisheft enthalten.
Die technischen Vorschriften für den Bau der Staatsbahnen schließen sich im allgemeinen den technischen Vereinbarungen des VDEV. an. Die Abweichungen finden meistens ihre Begründung darin, daß der Bahnbau in den Niederlanden infolge der natürlichen Bodenverhältnisse besondere Eigentümlichkeiten aufweist. Die Niederlande sind ein überaus wasserreiches Land. In den tiefgelegenen Provinzen besteht der Boden hauptsächlich aus den sog. »Polders«, trockengelegten und mit Dampfkraft oder Windmühlen fortwährend trocken zu haltenden Acker- und Wiesenkomplexen, jeder für sich rings mit starken Deichen und meistens schiffbaren Kanälen umgeben.
Hieraus läßt es sich erklären, daß, wenngleich der Boden meistens fruchtbares Acker- und Wiesenland ist, der Untergrund eine äußerst bewegliche, wenig tragfähige Masse bildet. Diese Bodenverhältnisse und die zahlreichen größeren Stromüberbrückungen haben die Anlage der Bahnen in manchen Teilen des Landes sehr erschwert. Im Osten ist der feste und hochgelegene Sand- oder Lehmboden überwiegend.
Die N. besitzen durchwegs günstige Richtungs- und Neigungsverhältnisse. Starke, für den Betrieb ungünstige Krümmungen kommen selten vor.
Nach den technischen Vorschriften soll der kleinste Halbmesser für die Hauptbahnen auf freier Bahn in der Regel nicht weniger als 1000 m betragen.
Der kleinste Krümmungshalbmesser auf den von der holländischen Eisenbahngesellschaft betriebenen Bahnen beträgt auf freier Strecke 300 m für die Hauptbahnen und 120 m für die Nebenbahnen; für die von der Staatseisenbahngesellschaft betriebenen Strecken 200 m. Von der ganzen niederländischen Bahnlänge liegen nahezu 82% in der Geraden.[353]
Die Linien im Norden des Landes haben besonders günstige Richtungsverhältnisse.
Die Steigungen beschränken sich meist auf die erforderlichen Anlaufsrampen für die zahlreichen, oft hoch über dem Wasserspiegel liegenden Brücken. Als zulässige Grenze war in den Konzessionen allgemein das Verhältnis 1 : 225 bezeichnet. Abweichungen sind gestattet, wenn hierdurch größere Schwierigkeiten vermieden werden können.
Die stärksten Steigungen auf den Hauptbahnen sind auf der elektrisch betriebenen Strecke Rotterdam-Haag/Scheveningen, wo Neigungen von 1 : 100 vielfach vorkommen, und auf der mit Dampfkraft betriebenen Strecke Venlo-Grenze, die auf einer Länge von 2563 m Neigungen von 1 : 120 aufweisen.
Von den Lokalbahnen weist die Lokalbahn Sittard-Herzogenrath die stärkste Steigung, nämlich 1 : 71∙5 auf.
Der Unterbau ist, wenn auch im Anfang in der Regel nur ein Gleis verlegt wurde, auf den Staatsbahnen fast durchwegs für 2 Gleise hergestellt.
Besondere Schwierigkeiten verursachte bei einzelnen Linien die Herbeischaffung des erforderlichen Schüttungsmaterials. In der Regel mußte das Material aus den längs der Bahnanlage zu grabenden Parallel- und Entwässerungskanälen gewonnen werden; diese Kanalprofile zeigen deshalb öfters sehr große Abmessungen. Auch die gestörten Wasserläufe der verschiedenen durchschnittenen »Polders« machten die Anlage größerer Seitenkanäle notwendig.
Ein interessantes Bauwerk bietet die Strecke Schiedam-Maassluis der Linie Schiedam-Hoek van Holland an der Stelle, an der die Bahn den 55 m breiten Polderkanal mit einer 88 m langen Brücke übersetzt. Hier wurde nicht allein die Brücke, sondern der ganze Bahndamm an beiden Seiten des Kanals auf Pfähle gegründet. Für die Gründung der beiden Bahndämme wurden allein etwa 3000 Pfähle von je 17 m Länge eingetrieben.
Derartige Vorkehrungen mußten auch bei der Anlage der Verbindungsbahn um Rotterdam bei Übersetzung des Rotte- und Schieflusses getroffen werden.
Die bedeutendsten Erdarbeiten sind für die Linie Roosendaal-Vlissingen erforderlich gewesen. Hier mußte die Bahn die beiden Meerengen der Ooster-Schelde (zwischen der Provinz Nordbrabant und der Insel Zuid-Beveland) und des Sloe (zwischen der letztgenannten Insel und der Insel Walcheren) übersetzen und man errichtete statt großer Überbrückungen mächtige Dämme.
Die beiden Dämme dürfen zu den bedeutendsten Kunstbauten gerechnet werden.
Der ganze Damm über die Ooster-Schelde ist 3653 m lang.
Im Brückenbau wurde gleichfalls Hervorragendes geleistet. Viele Flußbrücken zeigen für die Zeit, in der sie gebaut sind, ganz bedeutende Spannweiten. Zahlreich sind ferner die festen und beweglichen Brücken über Kanäle und Fahrstraßen. In der Strecke Leiden-Woerden (33 km) liegen nicht weniger als 126 feste Brücken, 3 Drehbrücken und 1 Klappbrücke. Die Linie Harlingen-Grenze (125 km) zählt 13 Drehbrücken von 6 oder 2 × 6 bis 2 × 8 m Lichtweite; überdies 1 Kran- und 30 feste Brücken; die Strecke Amsterdam-Rotterdam der holländischen Eisenbahngesellschaft 82, darunter 8 bewegliche Brücken. Auch auf den Linien Zaandam-Enkhuizen und Zaandam-Uitgeest sind Brücken in größerer Zahl zu verzeichnen.
Es bestehen ferner 30 große Brücken in der Mitte und im Süden des Landes. Die Maas wird 11mal überschritten. Die ältesten jetzt noch bestehenden Brücken sind die Ysselbrücken bei Zwolle und Zutphen und die Lekbrücke bei Kuilenburg. (Die 1855 gebaute Brücke über die Yssel bei Westervoort wurde durch eine neue Brücke ersetzt.) Die größten Brücken sind die über das »Hollandsch Diep« bei Moerdyk mit 1469∙3 m, über die Waal bei Zalt-Bommel mit 869∙94 m, ferner über die Maas bei Hedel mit 718∙5 m, über die Waal bei Nymegen mit 686∙67 m, über den Lek bei Kuilenburg mit 670∙25 m, über den Rhein bei Rhenen mit 527∙5 m, über die Merwede bei Dordrecht mit 473∙24 m und über den Yssel bei Deventer mit 511∙42 m Spannung zwischen den Widerlagern.
Interessant sind die beiden großen Drehbrücken über den Nordseekanal in der Nähe von Velzen (185∙4 m, wovon der bewegliche Teil 2 Öffnungen von je 64 m Lichtweite bildet) und in der Nähe von Zaandam (270 m, der bewegliche Teil ebenso wie bei der Velzer Brücke). Vgl. den Art. »Drehbrücken«, Bd. III, S. 420.
Die größte Spannweite besitzt die Brücke bei Kuilenburg, welche das eigentliche Flußbett der Lek in einer einzigen Spannung von 150 m überbrückt (gebaut 18661868).
Die meisten beweglichen Brücken sind Drehbrücken. Die Kranbrücken sind teilweise durch Drehbrücken ersetzt; 2 wurden im Jahre 1914 gegen Zugklappbrücken ausgewechselt.
Der Oberbau der N. ist nach verschiedenen Formen ausgeführt. Die Regierung hat in den Konzessionen keine Vorschriften gegeben[354] und nur das geringste Schienengewicht festgesetzt.
Während im Anfang des Eisenbahnwesens nur Flußeisenschienen verlegt wurden, finden jetzt nur mehr Stahlschienen Verwendung. Wie überall, ist man auch in den Niederlanden genötigt gewesen, allmählich die anfangs leichteren Stahlschienen durch schwerere zu ersetzen.
Als Unterlage werden nur hölzerne Querschwellen verwendet.
Beim Bau der Staatsbahnen wurden ursprünglich fast ausschließlich in der freien Strecke mit Kreosot getränkte Buchen- und Kiefernschwellen, in Weichen Eichenschwellen verlegt. Eiserne Schwellen werden schon seit vielen Jahren nicht mehr verwendet. Während die Staatseisenbahngesellschaft ihre Schwellen mit Teeröl tränkt, verwendet die holländische Eisenbahngesellschaft Chlorzink.
Ende 1913 hatten die Staatsbahnen 880, die holländische Eisenbahngesellschaft 660 km Doppelgleise im Betrieb.
Die Stationsanlagen der N. waren anfangs sehr einfach. Auf den Zwischenstationen und Haltepunkten waren vielfach nur hölzerne Wärterbuden vorhanden.
Gegenwärtig sind die Stationen zumeist mit bequemen und zweckmäßigen Empfangsgebäuden versehen. Früher wurden viele in Riegelmauerwerk gebaut. Diese Bauweise wurde indessen aufgegeben und durch Steinbau ersetzt.
In der Regel ist bei den Staatsbahnen eine vollständige Trennung der Anlagen für den Personen- und Güterverkehr durchgeführt, mindestens für wichtigere Stationen. Güterschuppen und Laderampen liegen meist auf der dem Empfangsgebäude entgegengesetzten Bahnhofseite. Ist die Bahn nicht hoch über dem Straßenplan der Stadt gelegen, so werden die Gütereinrichtungen wenn möglich an der Stadtseite hergestellt.
In den letzten Jahren sind vielfache Erweiterungs- und Neubauten ausgeführt worden. Bei den größeren Umbauten wie Haag, Haarlem, Almelo u.s.w. wurde die Inselform gewählt. Insbesondere wird diese Form von der holländischen Eisenbahngesellschaft bevorzugt.
Sämtliche Stationen sind mit zentralen Weichen- und Signalstell- oder Weichenverriegelungseinrichtungen versehen. Das Signalsystem ist dem deutschen sehr ähnlich, nur werden statt Scheibensignalen als Vorsignale Flügelsignale angewendet, deren Flügel bei Langsamfahrt unter 45° nach unten geneigt ist. Bei den niederländischen Staatsbahnen dienen die sämtlichen Signale zwischen den äußeren Weichen größerer Bahnhöfe sowohl für Zug- als auch für Rangierfahrten. Auf den Linien der holländischen Eisenbahngesellschaft werden die Hauptsignale nur für den Zugverkehr benutzt.
Einzelne Stationen sind mit pneumatischen oder elektrischen Kraftstellwerken ausgerüstet.
Das Betriebsmaterial der N. entspricht im allgemeinen den Anforderungen der modernen Technik. Insbesondere wurden mit Rücksicht auf die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit der Schnellzüge schwere Maschinen beschafft.
III. Gesetzgebung und Verwaltung. In den ersten Zeiten des Betriebs waren die Eisenbahnen den gesetzlichen Bestimmungen des gewöhnlichen Landtransports unterworfen. Die Lücken wurden so gut wie möglich durch Bestimmungen in den einzelnen Konzessionen beseitigt. Obwohl selbst die Eisenbahnverwaltungen wiederholt auf eine einheitliche Regelung in einem Eisenbahngesetz bei der Regierung antrugen, unterblieb eine solche bis 1859, in welchem Jahre das erste Gesetz, enthaltend »Bestimmungen über die Benutzung der Eisenbahnen«, in Kraft trat. In dieses Gesetz wurde, ungeachtet der lebhaften Bedenken der Regierung, ein Artikel über die Einsetzung eines Staatsaufsichtsrats (Raad van Toezicht op de Spoorwegdiensten) aufgenommen.
Das 1859er Gesetz wurde 1875 durch ein neues ersetzt. Nach diesem Gesetz steht dem Staat das Recht zu, jede Linie nach 20jährigem Betrieb anzukaufen.
Auf Grund des 1875er Gesetzes wurde mit kgl. Erlaß vom 27. Oktober desselben Jahres ein allgemeines Reglement für den Dienst auf den Eisenbahnen und mit kgl. Erlaß vom 9. Januar 1876 ein allgemeines Reglement für den Transport auf den Eisenbahnen erlassen. Beide sind jetzt durch neue ersetzt. Das Reglement für den Dienst ist von 1913, jenes für den Transport von 1901.
Das Lokalbahnwesen wurde durch Ges. vom 9. August 1878 geregelt und mit kgl. Erlaß vom 31. Januar 1879 ein vorläufiges allgemeines Reglement für den Dienst und den Transport auf diesen Eisenbahnen eingeführt. Die darin enthaltenen Bestimmungen wurden durch das Ges. vom 28. Oktober 1889 und das mit kgl. Erlaß vom 26. Mai 1890 festgestellte Reglement ersetzt. 1900 (Ges. vom 9. Juli 1900) erfolgte eine Neuordnung betreffend die Neben- und Kleinbahnen und die vereinfachten Nebenbahnen. Kraft dieses Gesetzes wurden 1902 ein Lokalbahn-, ein Kleinbahn- und ein vereinfachtes Lokalbahnreglement erlassen.
Der Aufsichtsrat, der unmittelbar dem Minister für Wasserbau unterstellt ist, besteht aus mindestens 3 und höchstens 7 Mitgliedern[355] und einem Sekretär. Er hat die Aufgabe, die gehörige Unterhaltung der Bahnanlagen und ordnungsmäßige Ausführung des Betriebs zu überwachen. Für den Dienst auf der Strecke sind dem Aufsichtsrat Distriktinspektoren beigegeben. Für die Beaufsichtigung des rollenden Materials stehen dem Rat 2 Maschineningenieure und ein Adjunkt-Ingenieur zur Seite. Ein Hauptingenieur und 4 Ingenieure überwachen die Unterhaltung der größeren Bauobjekte, Brückenkonstruktionen u.s.w. Für die elektrischen Einrichtungen der Eisenbahnen ist ein besonderer Ingenieur eingesetzt. Schließlich sind außer dem Verwaltungspersonal noch 3 Ärzte mit dem Amtstitel Geneeskundig Inspecteur beim Rat bestellt, die die von den Eisenbahnverwaltungen auf den Stationen und im Zug zur Hilfeleistung bei Bahnunfällen getroffenen Einrichtungen fortwährend zu überwachen haben.
Bei den Staatsbahnen, bei denen ehemals die Geschäftsleitung von einer aus mehreren Mitgliedern zusammengesetzten Direktion geführt wurde, ruht die gesamte Verwaltung jetzt in Händen eines Generaldirektors, der unter Kontrolle des Aufsichtsrats steht. Dieser wählt aus seiner Mitte einen Ausschuß, der dem Generaldirektor zur Seite ist. Die Verwaltung der holländischen Eisenbahngesellschaft wird von einer aus 2 Mitgliedern zusammengesetzten Direktion geführt. Die Zentralbahn hat die Verwaltungsorganisation der Staatsbahnen angenommen. Der Generaldirektor der Staatsbahnen ist zugleich Direktor der Zentralbahn. Der Vorstand der Nordbrabant-Deutschen Bahn ist aus 3 Direktoren zusammengesetzt.
Besondere Erwähnung verdient die Zentralkontrolle, der sich die niederländische Staatseisenbahngesellschaft, die Nordbrabant-Deutsche Bahn und die niederländische Zentralbahn angeschlossen haben.
Nebenstehende Tabelle enthält eine Übersicht der Betriebsergebnisse der N. für die Jahre 19031911.
IV. Statistisches. Die Länge der N. betrug 1911: 3746 km. Die größte Längenzunahme fällt in das Jahrzehnt 18801890. 1880 war die Länge 1,845.571 m und 1890 2,632.621 m.
Bis Ende 1911 wurde vom Staat, der Betriebsgesellschaft und der holländischen Eisenbahngesellschaft zusammen ein Betrag von 387,440.019 fl. für Bau, Verbesserungen und Neuanlage der Staatsbahnen verwendet; f. d. km im Durchschnitt 214.198 fl.
Die kilometrischen Kosten schwanken zwischen 59.421 (Groningen-Meppel) und 661.816 fl. (Rotterdam-Breda).
Gegenüber diesen erheblichen Ausgaben hat der Staat aus den Eisenbahnen nur geringe Einnahmen gezogen.
In der Zeit von 18901909 betrugen die Zinsen, die der Staat für sein in die Eisenbahnen gestecktes Kapital (Ende 1890 rd. 300 Mill. Gulden) bekam, nur 79,582.037 fl., also jährlich nur 4,188.528 fl.
Auch die Dividenden der 2 großen Gesellschaften waren ziemlich niedrig.
Im Durchschnitt betrug die Dividende von 1891 bis 1909 bei der Staatseisenbahnbetriebsgesellschaft 3∙86% und bei der holländischen Eisenbahngesellschaft 3∙48%. In den letzten Jahren wird sie etwas günstiger. Die Dividenden[356] der Betriebsgesellschaft und der holländischen Eisenbahngesellschaft betrugen 1911 4%, 1912 5 und 41/2%.
Daß keine besseren Ergebnisse erzielt werden können, hat hauptsächlich seinen Grund in den hohen Anlagekosten der Bahnen und den geringen Einnahmen aus dem Güterverkehr; die Niederlande sind das einzige Land, in dem auf den Eisenbahnen die Einnahmen aus dem Personenverkehr denen aus dem Güterverkehr ungefähr gleich sind. Bei dem Wettbewerb der zahlreichen Wasserwege müssen eben die Eisenbahnen, besonders für den Massenverkehr, unterliegen;
Der Betriebskoeffizient ist verhältnismäßig hoch (1911 bei der Staatsbahnbetriebsgesellschaft 73∙94, bei der holländischen Eisenbahn 67∙85).
Literatur: Statistiek van het vervoer op de spoorwegen en tramwegen, uitgegeven door het Departement van Waterstaat; Jaarverslagen van den Raad van Toezicht op de Spoorwegdiensten; van Citters en van Roosendaal: Wetten balinten enz: betreffende de Spoorwegen in Nederland; Glasers Ann. 1886, Bd. I, S. 2, 87 ff.; Arch. f. Ebw. 1883, S. 571; 1892, S. 459 ff., 756 ff., 929 ff. Dr. Junckers Nieboer, Geschiedenis der Nederlandsche Spoorwegen. 1907. Dr. Overmann, Das Eisenbahnwesen in Holland. 1910; Neuere Eisenbahnpolitik in Holland. Arch. f. Ebw. 1912, S. 40.
Nieboer.
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