[643] Lächerlich. (Schöne Künste)
Die Dinge, worüber wir lachen, haben allemal nach unserm Urtheil etwas ungereimtes, oder etwas unmögliches, und der seltsame Zustand des Gemüths der das Lachen verursachet, entsteht aus der Ungewißheit unsers Urtheils, nach welchem zwey wiedersprechende Dinge gleich wahr scheinen. In dem Augenblike, da wir urtheilen wollen, ein Ding sey so, empfinden wir das Gegentheil davon; in dem wir das Urtheil bilden, wird es auch wieder zerstöhrt. Man lacht beym Küzeln, über die Ungewißheit, ob man Schmerzen oder Wollust empfinde; bey seltsamen Taschenspielerkünsten, weil man nicht weiß, ob das was man sieht, würklich, oder eingebildet ist. Wenn ein Narr klug, ein junger Mensch alt, ein furchtsamer Hase beherzt thut; oder wenn einer etwas sucht, das er in der Hand hat; so fühlen wir uns zum Lachen geneigt; weil wir Dinge beysammen zu sehen glauben, die unmöglich zugleich seyn können. So lächelt jeder Anfänger der Geometrie, wenn er den Beweis des euklidischen Sazes von dem vermeinten Winkel, den die Tangente des Cirkels mit dem Bogen macht, gelesen hat: sein Aug sieht einen Winkel, und sein Verstand sagt ihm, daß keiner da sey. Nichts ist wunderbarer und überraschender, als daß man zwey einander gerad entgegengesezte Handlungen zugleich thun, daß man zugleich ja und nein sagen soll. Dieses scheint man doch in erwähnten Fällen zu thun, und daher kommt das Belustigende in der Sache, wenn sie blos als ein Gegenstand der Neugierde betrachtet wird. Warum lacht bisweilen ein junges unschuldiges Mädchen, wenn es seine Einwilligungen in eine Sache geben soll, die es lebhaft verlanget? Eben deswegen, weil die Schamhaftigkeit Nein, und die Liebe Ja sagt. Wie soll beydes zugleich statt haben können?
Das Lachen hat seinen Grund blos in der Vorstellungskraft, in so fern sie die Beschaffenheit der Sachen, als einen Gegenstand der Neugierde beurtheilet: so bald das Herz Antheil daran nihmt, hört [644] das Lachen auf. Ich habe bey der unvermutheten Erscheinung einer innigst geliebten Person, die man hundert Meilen entfernt glaubte, ein lautes Lachen gehört, das bald den Thränen der zärtlichsten Freude Platz machte. In dem ersten Augenblik der Erscheinung würkte blos die Vorstellungskraft, die das Seltsame und Unmögliche der Sach fühlte, daß eine Person abwesend und doch gegenwärtig seyn sollte. So bald die würkliche Gegenwart entschieden, und das Ungewisse verschwunden war, überließ man sich den Empfindungen des Herzens. Also dauert das Lachen nur, so lange die Ungewißheit dauert, und so lange die Sache räthselhaft ist. Darum belustiget sich kein Mensch mehr an den seltsamesten Taschenspielerkünsten, so bald er weiß, wie es damit zugeht; darum lachen einige Menschen über Dinge, wobey andre völlig gleichgültig bleiben; die Lacher haben nicht Scharfsinn oder Aufmerksamkeit genug, das Räthsel aufzulösen, oder die Ungewißheit zu heben. Deswegen wird schon eine künstlichere Verwiklung der Sachen erfodert, scharfsinnige, als einfältigere Menschen lachen zu machen.
Es scheinet, daß die verschiedenen Arten des Lächerlichen sich auf zwey Hauptgattungen bringen lassen, die den zwey Hauptgattungen des Wahren entgegengesetzt sind.
Die erste Gattung entstehet aus Vereinigung solcher Dinge, die nach unsern Begriffen unmöglich zugleich seyn können; weil eines das andere aufhebt. Die zweyte aus Vereinigung der Dinge, für welche kein Grund anzugeben, deren Zusammenhang unbegreiflich und abentheuerlich ist. Wir wollen der ersten Gattung den Namen des ungereimsen, der andern, des abentbeuerlichen Lächerlichen geben. Jede faßt mehrere besondere Arten in sich; aber es würde zu weitläuftig seyn, alle auseinander zu setzen. Folgendes kann zur Probe hinlänglich seyn.
Das ungereimt Lächerliche entstehet auf verschiedene Weise: zuerst aus dem Wiedersprechenden. Wenn ein Gek klug, ein Furchtsamer beherzt; eine häßliche Alte schön und jung, ein Unwissender gelehrt thut, und dergleichen; so fallen sie völlig ins Lächerliche. Beyspiele davon sind überall im Ueberfluß anzutreffen. Man macht also die Menschen lächerlich, deren Reden und Handlungen so vorgestellt werden, daß dieses Wiedersprechende darin auffält. Sehr ofte macht man uns in der Comödie lachen, wenn man Leute gerade das Gegentheil von dem thun läßt, was sie sich zu thun einbilden; oder wenn ihnen das Gegentheil von dem begegnet, was sie erwarten; wenn wir nur nicht uns im Ernst für sie intreßiren. Voltaire hält ohne Grund dieses für das einzige Lächerliche, das ein lautes Lachen erweke.1 Es fällt aber meistentheils ins Niedrige. Wenn Personen von Geschmak über dergleichen Ungereimtheiten lachen sollen, so müssen sie doch etwas feines haben, der Wiederspruch muß nicht sogleich in die Augen fallen, es muß einiger Scharfsinn dazu gehören, ihn zu fühlen, oder das Ungereimte muß seltsam und ausserordentlich seyn.
Hernach wird auch das blos Unwahre, oder Unvollkommene, wenn es bis zur Ungereimtheit steigt, lächerlich; wie man an vielen übertriebenen Carricaturen sieht. Und denn bekommt es noch einen stärkern Reiz, wenn es unter dem Schein des Ernstes noch mit Nachdruk ausgezeichnet wird. So ist die ungeheure Prahlerey des Miles gloriosus beym Plautus lächerlich, wenn er sagt:
Postridie natus sum ego – quam Jupiter ex Ope natus erat.
Und wird es noch mehr, wenn sein Knecht mit ernsthafter Mine hinzuthut:
Si hic pridie natus foret quam ille, hic haberet regnum in cœlo.2
Drittens wird dieses Lächerliche auch durch ungereimte Anwendung, oder Deutung an sich richtiger Gedanken, oder Worte hervorgebracht. Dadurch wird entweder der, dessen Worten man einen ungereimten Sinn andichtet, oder der, welcher sie auf eine ungereimte Weise versteht, lächerlich. Als Antiochus, den Hannibal gegen die Römer aufwiegelte, diesem Feldhern sein Heer zeigte, welches ungemein prächtig und reich gerüstet, sonst aber vermuthlich schlecht war, und ihn hernach fragte, ob er nicht glaubte, daß dieses für die Römer hinlänglich [645] wäre, antwortete der schlaue Carthaginenser: die Römer seyen ihm zwar als ein sehr habsüchtiges Volk bekannt, doch glaube er, daß sie sich damit begnügen werden. Hier dichtete Hannibal den Worten des Königs einen völlig ungereimten Sinn an. So sind in dem Geizigen des Moliere lächerliche Mißdeutungen, da Harpagon von seinem Schatzkästchen Dinge sagt, die ein andrer auf ein Mädchen deutet. Dieses Lächerliche steigt aufs höchste, wenn die Mißdeutungen ernstlichen Streit zwischen den Personen verursachen, die einander ihre Worte so ungereimt auslegen.
Viertens entstehet das ungereimte Lächerliche auch aus Vergleichungen der Dinge, die in keine Vergleichung kommen können; wenn große Dinge mit kleinen, oder kleine mit Großen vergliechen werden, wie wenn Scarron in dem bekannten Sinngedicht den Verfall großer und mächtiger Staaten mit seinem zerrissenen Wammes vergleicht. Die meisten Parodien gehören zu dieser Art des Lächerlichen. Auch das Naive das ins Lächerliche fällt, gehört zu dieser Art.3
Vielleicht giebt es noch mehr Arten des ungereimt Lächerlichen.
Das abentheuerlich Lächerliche, macht die zweyte Hauptgattung aus. Es bekommt seine Kraft von einer höchstseltsamen Verbindung der Dinge, davon kein Grund anzugeben ist. Dieses ist die Gattung, derer Horaz im Anfang seines Schreibens über die poetische Kunst erwähnet.
Humano capiti cervicem pictor equinam
Jungere si velit et varias inducere plumas,
Undique collatis membris et turpiter atrum
Desinat in piscem mulier formosa superne.
Spectatum admissi risum teneatis Amici?
Hieher gehören erstlich die seltsamen Abentheuer, wovon kein Mensch den Zusammenhang, einsieht, dergleichen in den Ritterbüchern und in den comischen Romanen vorkommen, poßirliche Verwiklungen und Vorfälle, dergleichen man in einigen Comödien sieht. Hernach das abentheuerliche und poßirliche in Einfällen, Reden und Handlungen solcher Menschen, die wahre Originale sind, welche ganz außer die Ordnung der Natur treten, die immer so denken und handeln, wie sonst kein Mensch thun würde. Ferner das Seltsame und Abentheuerliche in Vergleichung solcher Dinge, zwischen denen nur eine wilde und ausschweifende Phantasie, Aehnlichkeiten entdeket, die keinem ordentlich denkenden Menschen eingefallen wären. Von dieser Art des Lächerlichen findet man eine sehr reiche Aerndte in Buttlers Hudibras. Nicht nur seine Helden sind poßirliche und abentheuerliche Narren, sondern die beständigen Anspielungen der albernsten Handlungen dieser niedrigen Originale, auf sehr ernsthafte Begebenheiten und Unternehmungen derselben Zeit, machen dieses Gedicht ungemein ergötzend.
Dieses sey von der Beschaffenheit der lächerlichen Gegenstände gesagt.
Auch das Lachen selbst ist von verschiedener Art; rein und blos belustigend; oder mit andern Empfindungen vermischt, nach Beschaffenheit der Veranlassung dazu. Wenn wir das Lächerliche in zufälligen Dingen entdeken, so thut es eine ganz andere Würkung, als wenn wir es an Personen wahrnehmen, deren Einfalt oder Narrheit der Grund davon ist. Im ersten Fall ist es rein und blos belustigend, wie bey seltsamen poßirlichen Begebenheiten. Entsteht es aber aus Einfalt, so mischt sich schon ein kleiner Hang zum Spotten in dasselbe; wir sehen gerne, daß andre sich weniger scharfsinnig zeigen, als wir sind. Hat es aber Narrheit zum Grunde, oder fällt es auf Personen, denen wir nicht gewogen sind, oder die wir gar hassen, so mischt sich Spott oder Hohn darein. Schon die Freude Personen, denen wir nichts gutes gönnen, gedemüthiget zu sehen, ist hinlänglich, uns lachen zu machen.
Hieraus entsteht die verschiedene Anwendung des Lächerlichen in den schönen Künsten. Es dienet entweder zur Belustigung, oder zur Warnung, oder zur Züchtigung.
Von dem Werth und dem Rang der Werke, die blos zur Belustigung dienen, ist anderswo gesprochen worden.4 Hier ist blos der Stoff zu diesen Werken und dessen Behandlung in Betrachtung zu ziehen. Das reine Lachen entsteht aus dem Ungereimten, das keine Narrheit zum Grund hat, die wir verspotten könnten. Hieher gehören die Arten des abentheuerlichen Lächerlichen, wovon so eben gesprochen worden.
Alle Hauptzweyge der schönen Künste können dieses Lächerliche brauchen. Die Dichtkunst auf mancherley Weise, vorzüglich in scherzhaften Erzählungen, und in der Comödie; die Tanzkunst und Musik, in comischen Balleten; die zeichnenden Künste [646] auf mancherley Art, am vorzüglichsten aber in historisch-comischen Stüken.
Soll aber diese Art des Lächerlichen auf eine den schönen Künsten anständige Art gebraucht werden, so muß es nicht in das Abgeschmakte, oder grobe Niedrige fallen, sondern mit feinem Geschmak durchwürzt seyn. Es wird abgeschmakt und albern, so bald es den Schein der Würklichkeit, oder die Wahrscheinlichkeit verlieret. Nur der nie denkende Pöbel läßt sich verblenden, daß er grob erdachte Ungereimtheiten für würklich hält, und lacht, wenn in schlechten Possenspielen ein Mensch über einen andern wegstolpert, den er gar wohl gesehen hat; oder wenn er sich blind und taub stellt, wo jederman sieht, daß er es nicht ist; oder wenn jemand etwas naives sagt, oder thut, wobey jederman merkt, daß es blos possenhafte Verstellung ist. Unsere deutsche Schaubühne hat zwar glüklich angefangen, sich von solchen Possen, wovon selbst Moliere nicht rein ist, zu reinigen; aber die comischen Opern führen es nicht selten wieder ein. Um es zu vermeiden, muß der Künstler sich vor dem Uebertriebenen und Unwahrscheinlichen hüten. Der Carrikaturmahler muß dem Menschen die menschliche Physionomie lassen, und sie auf eine geschikte und wahrscheinliche Weise mit der Physionomie eines Schaafs, oder einer Nachteule verbinden, daß nicht alberne Köpfe, sondern verständige Menschen die Sache für würklich halten. Setzet man einen würklichen Katzenkopf auf einen menschlichen Körper, so ist die Sache blos unsinnig und nicht mehr lustig.
Will der Dichter oder Mahler uns mit Schilderung solcher Menschen belustigen, deren Charakter und Sitten einen lächerlichen Gegensatz mit den Unsrigen machen, so muß er uns nicht völlig alberne und abgeschmakte Menschen zeigen. Diese verachten wir auf den ersten Blik; auch keine, an deren Würklichkeit wir gleich zweifeln; denn diese ziehen unsre Aufmerksamkeit nicht an sich.
Niemand bilde sich ein, daß zu dieser Art des Lächerlichen blos eine abentheuerliche Phantasie gehöre; ohne feinen Witz und großen Scharfsinn wird keiner darin glüklich seyn. Es ist eben so schweer einen Roman, wie der Gil-Blas ist, zu schreiben, als ein Heldengedicht zu machen; und die Geschichte der Kunst selbst beweißt, wie wenig Zeichner sind, die in Carricaturen das Geistreiche eines da Vinci oder eines Hogarths zu erreichen vermocht haben. Würkliche nicht erdichtete Aehnlichkeit und Contrast, zwischen Dingen, wo wir sie nicht würden gesehen haben, sehen nur Menschen, die scharfsinniger sind, als wir, und dadurch setzen sie uns in den zweifelhaften Zustand, und in die Art der Verwundrung, die zum Lachen nothwendig ist. Die Kunst zu scherzen ist so selten, als irgend ein anderes Talent, das die Natur nur wenigen giebt.
Wichtiger ist die Anwendung des Lächerlichen zur Warnung und Besserung der Menschen. Wer Empfindung von Ehre hat, dem ist nichts fürchterlicher, als die Gefahr verachtet oder gar verspottet zu werden, und es ist kaum eine Leidenschaft mit der so viel ausgerichtet werden kann, als mit dieser. Mancher ließe sich eher sein Vermögen, oder gar das Leben rauben, als daß er lächerlich seyn wollte. Hier ist also für den Künstler Ruhm zu erwerben: er kann die Menschen von jeder Thorheit, von jedem Vorurtheil, von jeder bösen Gewohnheit heilen, und jede schädliche Leidenschaft im Zaum halten; wenn er nur die Furcht lächerlich zu werden, zu rechter Zeit in ihnen rege macht. Das Lächerliche der ersten Gattung schiket sich vorzüglich zu diesem Gebrauch; es därf nur auf Menschen, die man lächerlich machen will, angewendet werden. Die comische Schaubühne kann hiezu die beste Gelegenheit geben; denn alle andren Arten rühren weniger, weil ihnen das Schauspiel fehlt, wodurch jeder Eindruk lebhafter wird.5 Auf die spottende Comödie kann man anwenden, was Aristoteles vom Trauerspiel sagt: sie reiniget durch Narrheit von der Narrheit. In dem sie den Thoren und Narren dem öffentlichen Gelächter blos stellt, erwekt sie die Furcht lächerlich zu werden. Rousseau spricht ihr diesen Nutzen ab; aber er hat hier die Sachen in einem etwas falschen Lichte gesehen. Es giebt allerdings Narren, die nie empfinden, daß sie lächerlich sind; diese kann man nicht bessern. Aber wie mancher Mensch findet sich nicht, der blos anderer Narrheit nachahmet? Wir können Thorheiten und ungereimte Vorurtheile an uns haben, die nicht in unsern eigenen Geist erzeuget, nicht aus unsrer verkehrten Art zu sehen, entstanden sind; wir haben sie eingeführt gefunden, und es ist uns nur nicht eingefallen, sie an dem Probierstein der Vernunft zu prüfen. Kommt ein klügerer, der uns das Lächerliche davon aufdekt, so erkennen wir es, und reinigen uns davon. Mancher Mensch würde sich aus Mangel der Ueberlegung, [647] aus Leichtsinn, Thorheiten und Vorurtheilen überlassen; kommt man ihm aber mit dem Lächerlichen zuvor, so verwahrt er sich dagegen. Wie mancher verständige Gelehrte, würde nicht ein Pedant seyn, wenn nicht die Pedanterey wäre lächerlich gemacht worden? Rousseau hat nicht bedacht, daß die Narrheit nicht blos den Narren eigen ist, sondern auch Verständige anstekt; so wie das Laster nicht blos den verworfenen Menschen, in deren Herzen es entspringt, eigen ist, sondern auch gute Menschen übereilen kann. Einen gebohrnen Narren von verkehrtem Sinne, kann man freylich nicht heilen; aber verständige Menschen sind von Thorheiten und Vorurtheilen, die sie durch Anstekung gewonnen haben, zu befreyen, oder vor der künftigen Anstekung zu verwahren. Sollte dieses nicht weit leichter und natürlicher seyn, als daß sie davon angestekt werden? Ofte kommen Narrheiten eines ganzen Volks, von einem einzigen verwirrten Kopfe; warum sollten sie nicht auch, durch einen klugen Kopf vertrieben werden können? Hievon aber habe ich anderswo ausführlicher gesprochen.6
Wo man die Besserung zur Absicht hat, muß die Narrheit selbst, nicht die Person des Narren, den man bessern will, lächerlich gemacht werden. Man muß sich so gar in Acht nehmen, daß er sich nicht gleich persönlich getroffen glaube; er muß erst brav mitlachen, und erst am Ende muß man ihm sagen:
–– Quid rides? mutato nomine de te
Fabula narratur.
Ueberhaupt aber muß man um Menschen von Thorheiten zu heilen, oder dafür zu warnen, nie ganz verworfene und grobe Narren auf die Bühne bringen. Sie sind unheilbar und gehören ins Tollhaus; für andre sind sie unschädlich, weil sie nicht ansteken. Kein Mensch, der noch einigen Verstand hat, glaubt sich in dem Falle zu finden, äußerst lächerlich zu seyn, oder zu werden. Er macht also keine Anwendung auf sich, wenn ihm gar zu grobe Narrheiten vorgehalten werden. Man muß da eben so behutsam verfahren, wie bey den Drohungen mit den Strafen der Vergehungen. Einen Menschen der noch Empfindung von Ehre hat, kann man nicht durch Galgen und Rad schrecken, sie liegen außer seinem Kreis; und so ist auch das Tollhaus keine Warnung, die man verständigen Menschen geben könnte. Wer in Molieres Tartüffe, oder Harpagon sich selbst erkennt, wird dadurch nicht gebessert; denn er hat alle Scham bereits verlohren; ein feinerer Tartüffe und Harpagon aber, wendet dieses grobe Lächerliche nicht auf sich an.
Darum soll der comische Dichter, der die Menschen von Thorheiten befreyen, oder sie dafür warnen will, sowol in der Wahl des Lächerlichen, als in der Schilderung desselben vorsichtig seyn. Er soll uns nicht grobe Narrheiten, die wir selbst auch hinlänglich bemerken, sondern unsre eigene Thorheiten, die wir aus Unachtsamkeit, oder aus Mangel des Scharfsinns nicht bemerkt haben, lebhaft fühlen lassen, um uns davon zu heilen. Entdeket er ausgebreitete Thorheiten, die wir übersehen könnten, die wir noch nicht haben, aber vielleicht annehmen würden, so warne er uns bey Zeiten dafür; vor groben Narrheiten halten wir uns durch uns selbst schon genug verwahret.
Hier ist leicht zu sehen, daß nur die scharfsinnigsten Köpfe, die viel weiter, als andre, auch nicht unverständige Menschen, sehen, zu diesem Werk aufgelegt sind. Wer nicht über alle andre Menschen weg sieht, muß sich daran nicht wagen. Daher kommt es, daß comische Dichter dieser Art, so sehr selten sind. Wo es auf bloße Belustigung ankommt, wovon vorher gesprochen worden, da hat es so viel nicht auf sich; eine gute comische Laune ist dazu hinlänglich, wiewol auch diese schon eine ziemlich seltene Gab ist. Aber hier muß noch allgemeine, überwiegende Beurtheilung der Menschen und Sitten dazu kommen. Wir erinnern dieses, um junge comische Dichter zu warnen, daß sie sich nicht zu früh in dieses Feld wagen; sie mögen erst versuchen uns zu belustigen; aber ehe sie uns vom Lächerlichen zu heilen versuchen, müssen sie sehr gewiß seyn, nicht, daß sie gemeine Narren, sondern auch klügere Menschen, übersehen. Dazu gehört eine ungemeine Kenntnis der Menschen und der Welt, von den tiefsten Einsichten der Philosophie unterstüzet. Die aber diese Kenntnis und Einsicht durch langes beobachten und scharfes Nachdenken erlanget haben, besizen [648] denn selten noch die comische Laune den Gebrauch davon zu machen.
Dieser Schwierigkeit ist es noch mehr zuzuschreiben, als dem Mangel an Thorheiten, wie einige glauben, daß die deutsche Schaubühne noch so wenig gutes in dieser Art aufzuweisen hat. Es ist wahr, daß Deutschland blos zur Belustigung weniger comische Originale hat, als andre Länder, wo man freyer lebt und sich weniger nach andern umsieht, um es so zu machen, wie sie. Der Deutsche scheuhet sich ungeschikt zu scheinen, und hat nicht Muth genug sich ganz seinem Gutdünken zu überlassen; darum ist er weniger Original, als mancher andrer. Aber an Vorurtheilen und Thorheiten fehlet es ihm wahrlich nicht. Non deest materia, sed artifex. Es fehlet uns an Geistern, die von einer gewissen Höhe auf uns herabsehen, und dann Lust und Laune genug hätten, sich mit uns abzugeben, und uns das Lächerliche, das sie entdekt haben, vorzuzeichnen. Wieland steht hoch genug um seine Nation zu übersehen, und auch an Laune fehlet es ihm nicht. Aber er hält den Spiegel so hoch, daß nur die, die das schärfste Gesicht haben, deütlich darin sehen: man muß schon über die gemeinen Thorheiten weit weg seyn, um sich von ihm von verstekteren heilen zu lassen. Lessing scheinet einen stärkern Hang zur tragischen Muse zu haben; und sein Lachen zieht meistentheils ins bittere. Liscow würde der comischen Bühne in dieser Art große Dienste geleistet haben, wenn er sich dieses vorgenommen hätte.
Die Behandlung dieser Gattung scheinet einer der schweeresten Theile der Kunst zu seyn. Die größte Sorgfalt muß auf die Wahrscheinlichkeit gewendet werden; denn der Zwek wird nothwendig verfehlt, so bald der Zuhörer glaubt, daß es solche Narren, wie man ihm vorstellt, nicht gebe. Zugleich aber muß das Ungereimte darin völlig hervorstechen. Es wäre vielleicht nicht unmöglich die verschiedenen Arten hiebey zu verfahren, aus einander zu setzen. Im Grunde müssen sie mit den verschiedenen Arten den Irrthum zu wiederlegen übereinkommen: die Thorheit ist ein Irrthum, dessen Wiederspruch an den Tag zu bringen ist. Wollte sich hier jemand die Mühe nehmen, die Aristoteles genommen, da er seinen Elenchus geschrieben hat; so würden wir alle mögliche Arten das Lächerliche völlig einleuchtend zu machen, erkennen können. Vielleicht ist es nicht ganz ohne Nuzen, nur ein Paar Beyspiele davon anzuführen.
Eine Art zu wiederlegen ist die, da man den falschen Saz als wahr annimmt, und durch daraus gezogene wichtige Folgen, davon die letzte offenbar ungereimt ist, die Falschheit desselben zeiget. Gerade so kann man bisweilen verfahren, um die Thorheit in ein lächerliches Licht zu setzen. So würde das bekannte Gespräch zwischen dem Pyrrhus und Cineas eine schöne Scene in einer Comödie ausmachen. Dieser wollte dem Pyrrhus seine Thorheit die Römer zu bekriegen, fühlen machen.
Cineas. Die Römer sollen ein sehr kriegerisches Volk seyn – doch wir werden sie besiegen. Aber zu was soll uns denn der Sieg helfen, den die Götter uns verleihen werden?
Pyrr. Das versteht sich von selbst. Haben wir uns einmal die Römer unterworfen, so wird uns in ganz Italien niemand mehr wiederstehen weder Grieche noch Barbar. Also werden wir Meister von ganz Italien seyn.
Cin. Gut, und wenn wir nun ganz Italien werden erobert haben, was werden wir denn thun?
Pyrr. Siehst du nicht, daß wir alsdenn auch Sicilien haben können? Was sollt' uns nun hindern, diese glükliche und volkreiche Insel zu erobern.
Cin. Das läßt sich wol hören. Es ist so izt alles da in Unordnung, nachdem Agathokles Tod ist. – Dieses soll also denn das End' unsrer Eroberung seyn?
Pyrr. Du überlegest die Sachen nicht, Cineas. Dies alles soll nur ein Vorspiel grösserer Unternehmungen seyn. Wer sollte, wenn er einmal Italien und Sicilien hat, nicht nach dem so nahe liegenden Afrika und Carthago Lust bekommen? – Hast du nicht gesehen, daß Agathokles, der doch mit so wenig Schiffen, und nur, wie verstohlner Weise aus Sicilien dahin geseegelt war, sich beynahe davon Meister gemacht hat. Wer wird denn uns, da wir eine so große Macht haben, Wiederstand thun?
Cin. Kein Mensch. Denn können wir auch wieder zurükekehren, Macedonien wieder einnehmen, und über alle Griechen herrschen. Das [649] ist sicher. Aber was werden wir denn zulezt, nach allen diesen Siegen und Eroberungen thun?
Pyrr. (lächend.) Mein guter Cineas! denn wollen wir recht ruhig leben; täglich Gastereyen und Lustbarkeiten anstellen, und recht lustig seyn.
Cin. Was hindert uns denn dieses gleich izt zu thun? Warum sollen wir mit so viel Arbeit, mit so viel Gefahr, mit so viel Blutvergießen etwas in der Ferne suchen, was schon izt in unsrer Gewalt ist, da wir würklich alles besizen, was zu jenem lustigen Leben nöthig ist?
Auf eine ähnliche Weise kann man auch andre Arten der Wiederlegung anwenden, das Lächerliche herauszubringen; wovon die Induktion, oder Anführung ähnlicher Fälle keine der geringsten ist. Man könnte eine Art von Topik geben, die alle Mittel enthielte, das Lächerliche in helles Licht zu sezen; doch müßte allemal der Scharfsinn und die comische Laune beym Gebrauch derselben vorausgesezt werden. Denn ohne Genie lernt man die Kunst zu spotten, so wenig als andre Künste. Cicero wünschte ein System dieser Kunst zu haben; ob er gleich wol sah, daß die Natur das beste dabey thun müßte.7
Wiewol die Comödie die vorzüglichste Gelegenheit hat, dieses Lächerliche anzuwenden, so kann es in allen andern Arten auch gut gebraucht werden; in allen Dichtungsarten; im Gespräch, welche Art Lucian vorzüglich geliebt; im Sinngedicht. Daß es auch in den zeichnenden Künsten angehe, kann man am deutlichsten aus Hogarths Werken, besonders aus seinen Zeichnungen zum Hudibras sehen. Dem Redner kann es höchst vortheilhaft seyn: wenn er seine Gegner lächerlich zu machen weiß, so hat er seine Sache meist gewonnen; denn man ist geneigt sich auf die Seite des Lachenden zu wenden. Bisweilen vertritt auch ein Wort, wodurch ein langer Beweis der Gegenparthey lächerlich gemacht wird, die Stelle der gründlichsten Wiederlegung.
Einen sehr großen Nuzen hat die Kunst, fein über Thorheiten zu spotten, auch im gemeinen Leben; nicht nur um sich gegen Narren in Sicherheit zu sezen, sondern auch um die Menschen von Thorheiten und Vorurtheilen zu reinigen. Es ist ein wahres Glük unter seinen Bekannten einen zu haben, dem keine Thorheit entgeht, und der sie auf eine feine und nicht beleidigende Art, fühlbar zu machen weiß. So wie der Umgang mit dem schönen Geschlechte die Männer höflicher und gefälliger macht, und sie von der ihrem Geschlecht anklebenden Rauhigkeit reiniget; so dienet auch der Umgang mit feinen Spöttern, uns von Thorheiten zu befreyen.
Aber es wäre zu wünschen, daß diese Gabe zu spotten nur redlichen Menschen zu theil würde; weil leicht ein großer Mißbrauch davon gemacht wird Rousseau hat Molieren mit Recht vorgeworfen, daß er oft einen unsittlichen Gebrauch davon gemacht habe; und wer kennet nicht berühmte Spötter, die verehrungswürdige Gegenstände lächerlich zu machen suchen? Vergeblich hat der berühmte Graf Schaftesbüry sich bemüht die Welt zu bereden, daß das Lächerliche, das man Wahrheit und Verdienst anzuhängen sucht, nicht darauf hafte; sondern vielmehr ein Probierstein desselben sey.8 Die Erfahrung lehret das Gegentheil. Cicero merkt irgendwo an, daß er so viel über jemand gelacht habe, daß er beynahe selbst darüber zum Narren worden sey.9 Um so viel leichter ist es, wenn man ofte versucht, sich etwas von der lächerlichen Seite vorzustellen, es zulezt lächerlich zu finden. Man hat ja Beyspiele genug, daß aus Scherz Ernst wird. Also ist es doch immer gefährlich, in Dingen, die man verehren soll, etwas Lächerliches zu suchen. Mancher, der gewohnt ist, die possenhafte Aeneis des Scarrons zu lesen, wird schweerlich die Aeneis selbst mit dem Ernste lesen können, den er sonst dabey würde gehabt haben.
Wir haben noch die dritte Anwendung des Lächerlichen zu betrachten, da es zur Züchtigung der Boßheit gebraucht wird. Cicero hat diese wichtige Anwendung des Lächerlichen verkannt; er sagt ausdrüklich, man müsse Missethäter härter, als mit Spott bestrafen.10 Aber dieses geht nicht allemal an. Es giebt Bösewichte, die über die Geseze erhaben sind; andre sind eine Pest der menschlichen Gesellschaft, und wissen ihre Boßheit so listig auszuüben, [650] daß man die Geseze gegen sie gar nicht brauchen kann. Diese können nur mit der Geisel des Spötters gezüchtiget werden; es ist die einzige Art sich an ihnen zu rächen. Bessern kann man sich nicht dadurch; dieses ist auch nicht die Absicht des Spötters, er will ihnen nur wehe thun; und er thut wol daran. Denn kann doch noch das gute daraus erfolgen, daß der Bösewicht in allgemeine Verachtung kommt, die ihm in fernerer Ausübung seiner Boßheit doch große Hindernisse in dem Weg legen kann. Wer in allgemeiner Verachtung steht, ist selten fürchterlich.
Wer unternihmt einen großen Missethäter, dem man durch die Geseze nicht beykommen kann, verächtlich zu machen, hat auch nicht nöthig in seinen Spöttereyen so sehr sorgfältig zu seyn. Auch der Pöbel muß seiner spotten; folglich ist alles, was ihn beschimpfen kann, gut gegen ihn. Können feinere Köpfe nicht lachen, wann Tartüffe sich in seiner verliebten Tollheit so grob hintergehen läßt; so sehen sie es doch gerne, daß der Pöbel darüber lacht. Auch die unwahrscheinlichste Narrheit, der man ihn beschuldiget, kann gute Würkung thun. Aristophanes beschuldiget den Sokrates in seinen Wolken so viel grober Narrheiten, daß kein Verständiger darüber wird gelacht haben; aber manchem einfältigen Manne mag der Philosoph dadurch verächtlich worden seyn.
Die sogenannte alte Comödie in Athen, gab den Dichtern Gelegenheit das Lächerliche zu diesem Gebrauch anzuwenden. Vielleicht war nie ein Mensch in dieser Art Spötterey geschickter, als Aristophanes. Unsre heutigen Staatsverfassungen haben diesen Gebrauch entweder völlig, oder doch größtentheils gehemmet. Hievon aber wird an einem andern Orte gesprochen werden.11
1 | J'ai cru remarquer qu' il ne s'élève presque jamais des éclats de rire universels qu' à l'occasion d'une meprise – Il y a bien d'autres genres de comique – mais je n'ai jamais vu ce qui s'apelle rire de tout son coeur – que dans ces cas approchans de ceux, dont je viens de parler. In der Vorrede zum Ensant prodigue. |
2 | Mil. Glor. Act. IV. s. 2. |
3 | S. ⇒ Naiv. |
4 | S. ⇒ Scherzhaft. |
5 | S. ⇒ Schauspiel. |
6 | S. Reflexions philosophiques sur l'utilité de la poesie dramatique, in den Memoires der Preuß. Academie der Wissenschaften für das Jahr 1760. S. 337 u. s. f. |
7 | Cujus utinam artem aliquam haberemus! sed domina natura est. De Oratore Lib. II. |
8 | Essay on the freedom of Wit and Humer. |
9 | Adeo illum risi, ut pene sim sactus ille. |
10 | Facinorosos majori quadam vi quam ridiculi vulnerari volunt. De Orat. L. II. |
11 | S. ⇒ Satyre. |
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