Sind willkührliche Zeichen, wodurch die ein Tonstük ausmachende Reyhe der Töne, nach eines jeden Höhe und Tiefe sowol, als nach seiner Dauer angedeutet wird. Sie sind für den Gesang, was die Buchstaben für die Rede. Ehe für diese beyden Sprachen die Zeichen erfunden worden, konnte weder[821] der Gesang noch Rede geschrieben werden, und man mußte sie durch wiederholtes Hören dem Gedächtnis einprägen, um sie zu wiederholen. Durch Erfindung der Noten wird der Gesang mit eben der Leichtigkeit aufgeschrieben, und andern mitgetheilet, als die Rede durch Schrift.
Nach einer sehr gewöhnlichen Namensverwechslung versteht man gar ofte durch das Wort Note den Ton selbst, den sie anzeiget; eine durchgehende Note, will sagen ein durchgehender Ton; jede Note richtig angeben, heißt jeden Ton richtig vorbringen.
Die Griechen und nach ihnen die Römer bezeichneten die Töne durch Buchstaben des Alphabets, die sie, weil bey ihrer Musik immer ein Text zum Grund lag, über die Sylben des Textes sezten. Diese Noten zeigten nur die Höhe die Töne; ihre Dauer wurde durch die Länge und Kürze der Sylben über welchen sie geschrieben waren, bestimmt. Wer etwas umständlich zu wissen verlanget, wie die Alten alles, was zum Gesange gehört, durch solche Buchstaben angezeiget haben, der findet, wenn er nicht an die Quellen selbst gehen will, eine hinlängliche Erläuterung hierüber in Rousseaus Wörterbuche.1 Wir wollen nur eine einzige kleine Probe hieher sezen.
Mehrere Arten die Noten auf oder neben die Sylben zu schreiben, findet man beym Pater Martini.2
Erst in dem eilften Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung wurd der Grund zu den izt gewöhnlichen Noten gelegt, da der Benediktiner Mönch Guido aus Arezzo anstatt der Buchstaben auf verschiedene parallel in die queer gezogene Linien bloße Punkte sezte; jeder Punkt deutete einen Ton an, und die Höhe der Linie, worauf er stund, zeigte die Höhe des Tones im System an. Aber noch war kein Unterschied der Punkte um die Dauer, oder Geltung der Note anzuzeigen. Insgemein schreibet man einem Parisischen Doktor und Chorherren Johann von Muris die Verbesserung der Aretinischen Noten zu, wodurch sie hernach allmählig ihre gegenwärtige Einrichtung bekommen haben. Dieser Doktor sezte, um nicht so viel Linien über einander nöthig zu haben, als Töne im System sind, auch zwischen die Linien Noten, wie noch gegenwärtig geschieht; ferner sezte er anstatt der Punkte kleine Viereke, die er verschiedentlich anders gestaltete, um dadurch die verschiedene Länge und Kürze jedes Tones anzuzeigen; auch soll er einige Zeichen zur Andeutung der schnellen oder langsamen Bewegung des Gesanges erfunden haben. Man findet diese Noten noch in allen Kirchenbüchern, die zweyhundert Jahr und mehr alt sind; wir halten es aber der Mühe nicht werth, die Sach umständlicher zu beschreiben.
Die Verbesserungen die von Zeit zu Zeit mit den Noten gemacht worden, bis sie die izt gebräuchliche Form bekommen haben, sind, so viel ich weiß, noch von Niemand, nach der Ordnung der Zeit, da jede Veränderung aufgekommen ist, beschrieben worden.
Damit diejenigen, welche der Musik unerfahren und doch begierig sind zu wissen, wie die unartikulirte Sprache der Leidenschaften kann aufgeschrieben werden, einigen Begriff von dieser merkwürdigen Erfindung bekommen können, wollen wir ihnen folgende Aüfklärung hierüber geben.
Zuerst muß man merken, daß alle zum Gesang, oder für Instrumente brauchbare Töne, vom Tiefsten bis zum Höchsten in Ansehung der Höhe in fünf verschiedene Classen, die man Hauptstimmen nennt, eingetheilt werden. Diese Hauptstimmen heißen von der tiefsten bis zur höchsten, der Contrabaß, der Baß, der Tenor, der Alt, und der Discant. Jede dieser Hauptstimmen begreift zwölf, bis sechszehn und mehr Töne, deren jeder von dem nächsten um einen halben Ton, in der Höhe, oder Tiefe absteht,3 und den man durch einen grössern oder kleinern Buchstaben des Alphabets, dem bisweilen noch ein anderes Zeichen hinzugefügt wird, bezeichnet. So werden die Töne des Basses durch die Buchstaben C, , D, , oder C, Cis, D, Dis u.s.f. die Töne des Tenors durch c, cis, d u.s.f. noch ohne Noten bezeichnet.
Wenn man nun eine Stimme eines Tonstüks schreiben will, so ziehet man fünf parallel laufende gerade Linien also:
diese werden ein Notensystem genennt: Will man mehrere zum Tonstük gehörige Stimmen zugleich schreiben, so ziehet man so viel Notensysteme als Stimmen sind, in mäßiger Entfernung unter einander, und verbindet sie durch einen am Anfang herunterlaufenden Strich, der im französischen Accolade genennt wird, um anzuzeigen, daß die Töne aller dieser Notensysteme zusammen gehören; z.B. [822] zu drey Stimmen die zugleich gespiehlt werden, gehören drey verbundene Systeme.
Nun muß man auch wissen, zu welcher Stimme jedes System gehöre. Dieses wird durch ein besonderes, im Anfang des Systems angebrachtes Zeichen, welches man den Schlüßel nennt, angedeutet. Diese Zeichen sind für einerley Stimme ofte verschieden4; hier sind nur zum Beyspiel drey angedeutet, davon das auf dem untersten System den Baß, das auf dem mittlern den Alt und das auf dem obersten den Discant bezeichnet. Jeder dieser Schlüssel hat seinen Namen von einem Ton der Stimme; der Baßschlüssel trägt den Namen F, die beyden andern, den Namen C; ein andrer wird G Schlüssel genennt.
Diese Schlüssel zeigen auch zugleich an, daß von der Linie an, auf welcher sie stehen, die Noten dieser Stimme herauf und herunter so müssen verstanden werden, daß die, welche auf der Linie des Schlüssels (F) steht, den mit dem Namen des Schlüssels bezeichneten Ton andeutet, der darüber oder darunter befindliche Raum zeiget den Ton G oder E an u.s.f. Also bezeichnen die auf dem untersten System hier geschriebenen Noten, so wie sie folgen, die Töne F, E, D, G, A der Baßstimme; die auf dem mittlern System die Töne c, H, d der Altstimme, und die auf dem obersten, die Töne der Discantstimme, die um eine Octave höher sind, als die vorhergehenden. Da von den verschiedenen Tonarten, die meisten etliche eigene Töne haben, die in andern Tonarten nicht vorkommen, folglich auf diesen fünf Linien und den vier Zwischenräumen viel mehr, als neun Töne müssen können angedeutet werden, so können sowol auf jede Linie, als auf jeden Zwischenraum drey verschiedene Töne, die um einen halben Ton von einander abstehen, geschrieben werden. Dazu hat man noch die besondern Zeichen und b, welche nach Erfordernis der Sache gleich hinter dem Schlüßel, auf oder zwischen die Linien, gesezt werden. Dieses wird die Vorzeichnung genennt. Tritt aber eine Stimme über das Liniensystem herauf oder herunter, so werden für diese besondere Fälle, noch kleinere Linien gezogen, also:
Durch diese verschiedene Mittel kann also jede Folge, der in der Musik brauchbaren Töne, nach der eigentlichen Höhe eines jeden deutlich angezeiget werden. Die Geltung der Noten aber, oder die nach Maaßgebung der geschwinden oder langsamen Bewegung des Stüks erfoderliche Dauer, wird durch die Form der Noten angedeutet. Nämlich nachdem ein Ton einen, oder mehr ganze Takte, oder nur einen halben, einen viertel, einen achtel, sechszehntel, oder einen zwey und dreyßigstel Takt dauren soll, bekommt sie eine andere Form. Ohne der ganz langen Noten von etlichen Takten, die nur in alten Kirchensachen vorkommen, zu gedenken, wollen wir nur die Ueblichsten hersezen.
Wird Brevis genannt und gilt 2 ganze Takte.
– Semibrevis – – 1 Takt.
oder Minima – – 1/2 Takt.
oder Semiminima – – 1/4 Takt.
oder Fusa, eingestrichene – 1/8 Takt.
oder zweygestrichene – 1/16 Takt.
oder dreygestrichene – 1/32 Takt.
Eine Note, die einen Punkt hinter sich hat, zeiget eine um die Hälfte längere Dauer an, als ihre Geltung ohne diesen Punkt ist: so gilt 1/4 und noch 1/8 Takt. Noten von viel kleinerer Gestalt vor größere gesezt, bedeuten Töne, die als Vorschläge dem eigentlichen Ton vorhergehen; wie
Der Takt selbst hat auch seine besondere Zeichen: so bedeutet das Anfangs des Systems stehende Zeichen den gemeinen geraden, oder vierviertel Takt; den Allabreve Takt. Die übrigen Taktarten [823] werden durch Zahlen, die hinter die Vorzeichnung gesezt werden, angezeiget; als 3/2 3/4, 3/8, 6/8 und so fort. Die untere Zahl zeiget die Gattung der dem Stük gewöhnlichen Noten an, ob es Halbe, Viertel, oder Achtel seyen, die obere aber weiset, wie viel solcher Noten auf einen ganzen Takt gehen. Die langsamere, oder geschwindere Bewegung aber wird durch übergeschriebene Worte angezeiget.5 Endlich werden auch fast alle Manieren, wodurch der Vortrag ziehrlicher oder nachdrüklicher wird; die Triller, Mordenten, Doppelschläge, das Schleifen, oder Stoßen der Töne und dergleichen, jede durch ihr besonderes Zeichen ausgedrükt.
Hieraus ist klar, daß die izt üblichen Noten überaus bequäm sind, jedes Tonstük beynahe nach seiner ganzen Beschaffenheit auszudrüken, so daß vielleicht auch künftig wenig daran wird verbessert oder vollständiger gemacht werden können. Rousseau findet zwar die ganze Methode zu notiren, zu weitläuftig, und schlägt eine andere in der That kürzere Art vor. Aber sie hat bey ihrer Kürze die Unvollkommenheit, daß sie bey weitem nicht so deutlich in die Augen fällt, als die gebräuchliche, und daß sie, besonders wo mehrere Stimmen über einander geschrieben werden, eine stärkere Anstrengung der Augen erfoderte. Er hat sie an dem oben angezogenen Orte ausführlich beschrieben.
Es bleibet freylich sowol über das genaueste Maaß der Bewegung, als über andere zum Vortrag nothwendige Stüke, noch manches übrig, das weder durch diese noch andere Noten angezeiget werden kann, sondern blos von dem Geschmak und der Kenntnis der Sänger und Spiehler abhängt. Und wenn auch jede Kleinigkeit noch so bestimmt könnte in Noten angezeiget werden, so würde doch ohne guten Geschmak und große Kenntnis kein Stük vollkommen vorgetragen werden.
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