Attila

[138] Attĭla oder Etzel, die Geißel Gottes genannt, war seit 433 König der Hunnen, die damals die Gegend nördl. von der Donau und dem schwarzen Meere inne hatten. A. folgte als Anführer der Hunnen seinem Onkel Ruas oder Rugilas gemeinschaftlich mit seinem Bruder Bleda, den er aber später ermordet haben soll. Bei seinem Heere wußte er den Glauben zu erwecken, daß er ein geheimnißvolles, höheres Wesen sei. Ihn unterstützte hierbei sein wild herumrollendes Auge, dessen durchbohrenden Blick nicht leicht Jemand ertrug, mehr aber noch die Sage, daß er auf eine wunderbare Weise das Schwert des Kriegsgottes erhalten habe. Nach einem erfolglosen Zuge gegen Persien und nach der Besiegung einiger sarmatischen und deutschen Völkerschaften fiel er mit seinen Schaaren in das morgenländ. Kaiserreich ein, obgleich ihm vom Kaiser Theodosius das Versprechen des Friedens mit einem jährlichen Tribute von 700 Pfund Goldes abgekauft war. Siebzig Städte und Vesten wurden zerstört und Konstantinopel selbst rettete allein die Unwissenheit A.'s in der Belagerungskunst. Ein dreifach erhöhter Tribut schützte das Kaiserreich nur kurze Zeit vor seinem Ubermuthe, der sich noch steigerte. als der vom Kaiser gedungene Mörder A.'s sich diesem entdeckte. Um die Schuld von sich abzuwälzen, war[138] Theodosius genöthigt, Gesandte an A. zu schicken. Dieser empfing sie, auf seinem Throne sitzend, umgeben von gefangenen Fürstentöchtern, die an den Gewändern mongol. Krieger arbeiteten, mit stolzer Miene und rächte sich am Kaiser blos durch verächtliche Worte. Entschlossener trat gegen A. des Theodosius Nachfolger, Marcian, auf und rettete dadurch das Reich vom Untergange. Durch den Vandalenkönig Genserich dazu veranlaßt, wandte sich A. jetzt nach den westl. Provinzen des Kaiserreichs, wozu ihn noch überdies ein heimlicher Heirathsantrag der Honoria, einer Schwester Kaiser Valentinian III., veranlaßte, die ihm die Hälfte des Reichs als Mitgift versprach. Durch überwundene Völkerschaften bis auf 700,000 M. vergrößert, wälzte sich seine Horde durch Belgien und Gallien. Mehr als 20 Städte, unter ihnen Mainz, Worms, Speier, Trier und Strasburg wurden verwüstet; von dem volkreichen Metz blieb nur die Kapelle des h. Stephan stehen. Erst in der Gegend von Orleans fand A. Widerstand. Der röm. Feldherr Aëtius stellte sich ihm mit einem aus Römern, Westgothen, Alanen, einigen gallischen und deutschen Stämmen bestehenden Heere bei Chalons an der Marne, 451, entgegen. Schon schien der Sieg sich auf A.'s Seite zu neigen, als Torismund, des in der Schlacht gefallenen Westgothenkönigs Theodorich Sohn, mit einer tapfern Schaar eine glückliche Entscheidung herbeiführte. Auf dem Schlachtfelde sollen gegen 300,000 Menschen geblieben sein. Die Nacht und die Unentschlossenheit der Sieger retteten A., der schon beschlossen hatte, sich hinter der Wagenburg den Flammentod zu geben. Hierauf wandte sich A. nach Italien. Eine Menge herrlicher Städte, unter ihnen Aquileja, Padua, Vicenza, Mailand und Verona, wurden zerstört, das nördl. Italien verwüstet und selbst Rom würde sich ihm ergeben haben, wenn er es angegriffen hätte. Papst Leo der Große unterhandelte mit A. den Frieden, der sich mit einem Lösegelde begnügte und dem Versprechen, daß die Honoria ihn ausgeliefert werde. A. kehrte zurück mit seinen Scharen und starb in Calabrien 454 nach einer verschwelgten Nacht mit der ihm neuvermählten schönen Ildiko an einem Blutsturze.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 138-139.
Lizenz:
Faksimiles:
138 | 139
Kategorien: