Besessene

[237] Besessene nannte im Alterthume vorzüglich bei Völkern, welche ein Reich und Princip des Bösen annahmen, der Wahnglaube solche Menschen, welche mit Krankheiten behaftet waren, die gleich Wahnsinn und Epilepsie sich auf eine ungewöhnliche, erschreckende Weise äußerten. Weil sie damals für ebenso unheilbar wie unerklärbar galten, hielt man sie für Wirkungen eines oder mehrer böser Geister, welche in dem Gepeinigten ihren Wohnsitz genommen hätten, und eigne Beschwörer und Zauberer gaben sich mit deren Vertreibung ab. Auch bei den Juden hielt man gewisse Kranke für Besessene und die heilige Schrift erzählt, daß Christus solche Unglückliche durch die Kraft seines Wortes heilte. Obgleich der Geist des Christenthums den Glauben an die Gewalt böser Geister über die Menschen nicht begünstigt, ging er doch auf die ersten Christen über und wurde später so allgemein, daß die Beschwörung böser Geister einen Theil der kirchlichen Liturgie ausmachte und daß der [237] Exorcismus oder die Austreibung der Teufel aus Besessenen und die Bannung böser Geister überhaupt mittels Weihwasser, Crucifix, Reliquien und Gebet noch im Mittelalter ein wichtiges und einträgliches Geschäft der Geistlichkeit war, ja selbst der neuesten Zeit sind Beispiele dieses Aberglaubens nicht fremd geblieben.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 237-238.
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