[395] Teufel wird das personificirte Böse genannt, welches sich in der Welt als Grund aller Unvollkommenheit geltend zu machen scheint.
Die heidnischen Religionen, welche keinen vollkommenen, heiligen, nach Einem allmächtigen Willen die Welt beherrschenden Gott kannten, kamen auch nicht auf die Vorstellung des Bösen als Person. Eine Religion aber, wie die des Zoroaster, welche Gott als ein so reines Wesen vorstellte, daß nur das Feuer ihn würdig darzustellen vermöge, mußte, um das Dasein irdischer Unvollkommenheit, des Übels und der Sünde erklären zu können, eine dem heiligen Gott feindlich gegenüberstehende, mit ihm um die Herrschaft ringende Macht annehmen, welche sie als Ahriman personificirte. Auch der jüdischen Religion, welche einen heiligen Gott lehrte, lag die Annahme eines Teufels nahe, um das Dasein des Übels und der Sünde zu erklären, und die Vorstellungen der Hebräer nahmen in dieser Beziehung eine um so bestimmtere Gestalt an, je mehr durch seine Schicksale das hebräische Volk aus seiner ursprünglichen Abgeschlossenheit herausgerissen und mit andern orientalischen Völkerschaften bekannt wurde. Im Buche Hiob ist Satan noch ein Diener Gottes, welcher den Ankläger vor dem Throne des Allerhöchsten machte, später ist Satan der Fürst der bösen Geister, die in mancherlei Gestalten zur Qual und zum Verderben der Menschen thätig sind. Der Teufel hat schon in Gestalt einer Schlange die ersten Menschen zum Ungehorsam gegen Gott verlockt, und so ist er der Versucher, der Lügengeist, welcher die Menschen in ihr eignes Verderben lockt, indem er ihnen einen Gewinn vorspiegelt, der sich nachher als nichtig erweist. Die Hebräer kannten noch den im Schmuz wohnenden, mit seinem Hauche verpestenden Beelzebub, den Höllenfürsten Belial, den Verwüster und Verführer Samiel, den im Feuer wohnenden Lucifer, den Eheteufel Asmodi. Nicht nur leitete man im Allgemeinen alles Böse von dem Teufel ab, sondern speciell noch gewisse Krankheiten, wie Geisteszerrüttung und Nervenleiden, die sich in epileptischen Zufällen äußern. Man nannte diese ein Besessensein durch den Teufel, wahrscheinlich darum, weil in diesen Krankheiten offenbar ein fremder Wille über den Menschen Herr zu werden scheint. Jesus trat diesen Vorstellungen vom Teufel, seinem Reiche und seiner Macht nicht direct entgegen und alle neutestamentlichen Schriftsteller gehen auf dieselben ein, so jedoch, daß sie das Reich des Bösen nicht als selbständig dem Reiche des Guten, Gottes, gegenüberstehend anerkennen. Sie leiten die Existenz der bösen Geister selbst von Gott ab, indem sie dieselben als gefallene Engel bezeichnen, und der Teufel ist ein Rebell gegen Gott, der vermöge der ihm wie allen andern geistigen Wesen verliehenen Willensfreiheit von Gott abgefallen ist und dessen ursprünglich reiner Wille sich demgemäß in Bosheit und sein eignes Verderben, ewige Unseligkeit, in sich tragende Verleugnung des göttlichen Willens verkehrt hat. Der weltliche Sinn ist es, welcher den Menschen unabhängig und dem Willen Gottes entgegen zu leben hinzieht, daher heißt der Teufel ein Fürst der Welt; die durch Christus in die Welt gekommene Heilsordnung ist dem Teufel und seiner Macht direct entgegen, dieser daher der ärgste Feind jener: der Antichrist. Aber das Neue Testament lehrt auch ausdrücklich, daß durch Christus die Macht des Teufels für immer gebrochen, vernichtet und damit der Gläubige dem Tode und der Sünde enthoben sei. Jahrtausende haben dazu gehört, die Wahrheit der christlichen Offenbarung erkennend zu erschöpfen, und so hat man auch lange Jahrhunderte hindurch den Sieg Christi über den Teufel als Glaubensdogma nachgesprochen, blieb aber weit entfernt davon, denselben zu begreifen, ja es hatte den Anschein, als sei im Christenthume der Teufel erst recht zu Ansehen und Macht gekommen. Man glaubte nicht nur, daß der natürliche Mensch, wie einst die Heiden, in der Macht des Teufels befangen sei, und vertrieb ihn daher bei der Taufe ausdrücklich aus dem Täuflinge, sondern man meinte auch, daß das ganze Leben des Christen nichts Anderes als ein unausgesetzter Kampf wider den Teufel sei. Zwar bediente man sich des Namens Gottes und Christi, um den Teufel, wo man ihn zu spüren meinte, zu vertreiben, aber man hielt ihn dennoch für mächtig genug, daß er mitten in der Christenheit fortwährend sein Wesen treibe, Christen zum Abfall verlocke und mit ihnen Bündnisse eingehe, in denen für irdischen, sündigen Genuß das ewige Heil der Seele verloren gehe. Die Phantasie schuf ein unnatürliches Bild von dem Teufel, sie gab ihm einen langen Schwanz, Bocksfüße und Hörner, um von ihm abzuschrecken, vielleicht auch in Erinnerung der Faunen des Alterthums, welche die durch das Christenthum als sündhaft verworfene Sinnlichkeit repräsentirten. Die Bildung der neuern Zeit hat endlich das Ansehen des Teufels vernichtet. Was man früher als Äußerungen seiner Macht angesehen hatte, lernte man immer besser zum Theil als auf ewigen Gesetzen beruhende Naturerscheinungen, zum Theil als Gebilde einer krankhaften Phantasie, zum Theil als grundloses Vorurtheil kennen, und so fing man an, an der persönlichen Existenz des Teufels, wenigstens an der Möglichkeit sinnlicher Erscheinung desselben zu zweifeln. Thomasius und später Semler waren es vorzüglich, welche das Ansehen des Teufels untergruben. In der That ist aber die Frage nach der Existenz des Teufels und nach dessen Besiegung durch Christus erst gelöst, wenn das Böse und das Übel in der Welt seinem Ursprunge nach erklärt und dessen Vernichtung erkannt ist. Die Religion wird nie eine andere Vorstellung zulassen können als die eines gefallenen, Gott widerstrebenden Engels (geistigen Wesens), dessen Macht durch die Offenbarung Gottes an das Menschengeschlecht in diesem zerstört ist. Die Philosophie faßt diese Vorstellungen als Gedanken und kommt so auch dahin, die scheinbare Existenz des Bösen als etwas Selbständiges so zu erklären, daß einerseits das Zustandekommen dieses Scheins erklärt, andererseits die Nichtigkeit desselben aufgezeigt wird, so etwa wie der Physiker den Schatten aus dem Lichte erklärt, welcher auch ein Anderes als das Licht und doch nur durch dieses ist, sodaß er ohne dieses für sich selbst ein schlechthin Nichtiges ist. Auch für die Poesie ist der Teufel eine unsterbliche Gestalt, in welcher einerseits das hassenswerthe Anstreben wider das Gute und Heilige, andererseits aber die lächerliche Nichtigkeit aller Bosheit sich darstellt. Mit gesundem Takt hat so das christliche Volk [395] des Mittelalters den Teufel schon als lächerliche Persönlichkeit vorgestellt, die sich mit all ihrem Thun und Treiben immer im Nichtigen bewegt und der es in der Welt der Wirklichkeit nicht anders denn schlecht gehen kann. So kam die Redensart »Armer Teufel« auf und so hat uns, nur in veredelter Gestalt, Goethe in seinem Mephistopheles den Teufel als den Geist, der stets verneint, die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft, vorgestellt und wir erleben auch an Mephistopheles, daß er zuletzt getäuscht, durch sich selbst gefoppt und zum Thoren gemacht, abzieht – Die Phantasie des Volks hat dem Teufel gewisse riesige Werke zugeschrieben, deren wahren Ursprung man nicht kennt oder vergessen hat und die entweder Menschenwerk sind, oder wenn sie Naturwerke sind, den Schein von mit denkendem Verstande angelegten Werken haben. So werden drei mächtige, unförmliche Obelisken in der Grafschaft York, welche die Abbildung wiedergibt, vom Volke als Teufelspfeile bezeichnet, mit denen er nach ihm verhaßten Städten geschossen haben soll, während die Alterthumsforscher zweifelhaft sind, ob sie dieselben für Götterdenkmale der alten Briten oder für Siegesdenkmale der Römer halten sollen. Die Teufelsbrücke auf der Straße über den St.-Gotthard (s.d.) verdankt auch wol ihrem hohen Alter ihren Namen. Die Teufelsmauer im südl. Deutschland, auch Pfahlgraben oder Pfahlhecke genannt, war eine von den Römern zum Schutz gegen die von Norden eindringenden Völkerschaften angelegte Landwehr, die aus tief eingegrabenen Pfählen und dazwischen geflochtenem Buschwerk und Hecken bestand, nachher noch mit Mauerwerk und Thürmen befestigt wurde und in einer Strecke von 80 Meilen fortlief. Jetzt findet man Überreste derselben nur noch von Abensberg in Baiern bis nach Köln am Rhein. Eine andere Teufelsmauer ist die aus Sandstein und Granit bestehende Bergkette, welche sich von Blankenburg im Braunschweigischen bis Ballenstedt im Anhaltischen hinzieht und die nach Volkssagen einst vom Teufel erbaut worden sein soll.
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro