Gott

[245] Gott, das übermenschliche, völlig mangellose, ewig lebendige Wesen, welches durch seinen allmächtigen Willen in unendlicher Weisheit die Welt und den Menschen schafft und erhält, und das sich dem Menschen, dem es von seinem eignen Wesen gegeben, aus freier Gnade mittheilt, sich ihm offenbart und dadurch denselben seiner eignen Vollkommenheit und Seligkeit näher bringt. Die wahre Religion ist es, welche diejenige Lehre vom göttlichen Wesen enthält, welche Gott selbst in seiner Offenbarung dem Menschen von sich mitgetheilt hat. Gott ist zunächst Schöpfer und Erhalter der Welt und des Menschengeschlechts, und zwar Beides aus eigener freier Willensbestimmung, also aus Liebe, und wird in dieser Beziehung der Vater der Menschen genannt. Seine unergründliche Liebe bestimmt ihn aber auch, zunächst die Menschen als Wesen, welche über ihren eignen Zustand Bewußtsein haben, nicht in der Vereinzelung, in welcher sie dem Irrthum, der Sünde und dem Tode verfallen, weil sie ein eignes Scheinleben gegen das allein ewig wahre Leben in Gott ergreifen, beharren zu lassen, sondern indem er selbst sich herabläßt, sie zu sich herauszuziehen, sie vom Irrthum, Sünde und Tod zu erretten, und so ist er der Erlöser des Menschengeschlechts, als welcher wir ihn in der Person Jesu Christi verehren. In den begnadigten Menschen, den Christen, lebt er nun fortan, wie sie in ihm, indem der Geist des Menschen seines göttlichen Ursprungs sich bewußt und dadurch geheiligt wird, und so ist er der heilige Geist, und die Menschen selbst erheben sich zur Gemeinschaft der Heiligen. Diese der christlichen Religion angehörige Lehre von der Dreieinigkeit Gottes (s. Drei) ist vielfach misverstanden und in Folge dieser Misverständnisse bestritten worden, obschon sie allein geeignet ist, eine würdige Vorstellung vom Wesen Gottes zu geben.

Das Dasein eines Gottes anzunehmen, drängt den Menschen nicht blos die überzeugende Kraft der Offenbarung, sondern ist eine unabweisbare Foderung der Vernunft, die sich selbst bei dem ungebildetsten Menschen geltend macht. Die Vorstellungen von Gott können unvollkommen, kindisch, ja falsch sein, aber sie finden sich bei allen auch noch so rohen Völkern. Nur wenige, nicht auf einer niedrigen Culturstufe stehende, sondern durch viehische Laster zur Thierheit heruntergekommene Stämme hat man entdeckt, bei denen sich keine Spur von einem Glauben an Gott vorfand, sowie es einzelne in Sünden und Lastern untergegangene Individuen gibt, welche sich zur Beschwichtigung ihres empörten Gewissens überreden möchten, es gebe keinen Gott, denn sie fühlen, daß ein Gott, mit dessen Annahme sich der Begriff der Gerechtigkeit verbindet, nur ein fürchterlicher strafender Richter für sie sein könne, solange sie in ihren Sünden verharren. Solche Menschen hat man Atheisten genannt. Vernunft und Offenbarung lehren, daß es nur Einen Gott gebe; aber die sinnliche Vorstellung hat bei vielen Völkern, zu denen das Licht der Offenbarung noch nicht gedrungen ist, zur Annahme mehrer Götter verleitet, welche Annahme Pylytheismus, Vielgötterei, genannt wird. Wahre Vernunft und Religion lehren ferner, daß Gott ein Wesen sein müsse, welches über die sichtbare Welt erhaben sei, so daß diese nur durch seinen Willen da sei, ohne ihn aber alsbald in Nichts versinken müßte; dennoch hat die ungebildete Phantasie Welt und Gott häufig also vermengt, daß man das göttliche Wesen mit der Welt, d.h. der Vielheit der einzelnen Dinge, für gleichbedeutend genommen hat, welche Richtung als Pantheismus bezeichnet wird. Der menschliche Verstand hat sich bei der unbedingten Foderung der Vernunft zur Annahme Gottes nicht begnügt, sondern hat das Dasein desselben sich zu beweisen gesucht, welches nur dann zum nicht selbst gotteslästerlichen Unternehmen wird, wenn von der größern oder geringern Vollständigkeit eines solchen Beweises der Glaube an Gott nicht abhängig gemacht wird. Denn der menschliche beschränkte Verstand wird niemals das unendliche Wesen Gottes völlig zu begreifen im Stande sein und daher jeder derartige Beweis nur unvollständig ausfallen können.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 245.
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