Liederspiel

[746] Liederspiel ist eine Gattung von Schauspiel mit Gesang und unterscheidet sich von der Operette dadurch, daß die darin vorkommenden Gesangstücke blos aus Liedern bestehen, welche entweder schon allgemein bekannt, oder vom Tonsetzer doch in der Form des Liedes neu bearbeitet und mit einer der Bestimmung des Liedes entsprechenden einfachen Instrumentalbegleitung versehen sind. Wahrscheinlich haben die Vaudeville's der Franzosen zum Liederspiel Veranlassung gegeben. Reichardt, dieser unerschöpfliche deutsche Liedercomponist, machte den ersten Versuch in dieser Gattung, um den Ungeschmack an bedeutungslosen, halsbrechenden Schwierigkeiten für die Sänger in der Oper zur edlen und rührenden Einfachheit zurückzuführen, mit dem Liederspiele »Liebe und Treue« und brachte ihn im J. 1800 in Berlin aufs Theater. Er fand zwar Beifall, aber keine ausgebreitete Nachfolge, weil sich kurz darauf die deutsche Oper schneller und eigenthümlicher Ausbildung erfreute. Nur Himmels »Fanchon oder das Leiermädchen« fand mit Recht außerordentlichen Beifall und hielt sich lange auf dem Repertoir, weil sie durch interessante Situationen und vortreffliche Lieder sehr anzog. In neuerer Zeit wurden sehr viele Übersetzungen und Nachahmungen komischer Vaudeville's der Franzosen geliefert; doch haben wir auch durch Holtei wieder einige originale Liederspiele der sentimentalen Gattung erhalten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 746.
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