[494] Physiognŏmie heißt nach dem Griechischen das Äußere oder das Ansehen eines Menschen und namentlich das Besondere im Gesichtsausdrucke und seiner ganzen Erscheinung, von dem man auf die gewöhnliche Stimmung des Gemüths und die Eigenschaften des Geistes und Verstandes in vielen Fällen mit Wahrscheinlichkeit schließen kann. Daß sich im Äußern das Innere nach natürlichen Gesetzen ausdrücke, auf denen die Wechselwirkung des Geistigen und Körperlichen beruht, ist gewiß und wir nennen deshalb den ausdrucksvollsten Theil des menschlichen Körpers, das Gesicht oder Antlitz, den Spiegel der Seele. Indessen hat man längst anerkannt, daß zu einigermaßen wahrscheinlicher Beurtheilung eines Menschen aus dem Äußern noch andere Anhaltepunkte erfoderlich sind und daß Haltung und Bewegung des Körpers, Stimme, Handschrift und andere Äußerlichkeiten zusammen betrachtet werden müssen. Gewisse Regeln darüber aufzustellen ist ungemein schwierig, denn was sich davon etwa angeben ließe, unterliegt überaus zahlreichen Ausnahmen, und nur wer viel Lebenserfahrung besitzt und Menschen unter mannichfachen Verhältnissen sorgfältig zu beobachten die Gabe und die Gelegenheit hatte, wird mit einiger Sicherheit Andere aus ihrer Physiognomie beurtheilen können. Diese Kunst nun heißt Physiognomik, und von mehren Versuchen zu ihrer, von Andern für unmöglich erklärten wissenschaftlichen Begründung, haben die von Lavater (s.d.), sowie die der Physiognomik eine ganz veränderte Richtung gebende Schädellehre von Gall (s.d.) das meiste, jedoch vorübergehende Aufsehen in neuester Zeit gemacht. Beide sind zur Vergleichung auf zwei Tafeln (Lpz. 1830) herausgegeben worden, vom menschlichen Gesicht aber handelt besonders Sihler's »Symbolik des Antlitzes« (Berl. 1829). Übrigens hat man die Physiognomik auch zur Bestimmung des Charakters der Thiere und ganzer Thierclassen und selbst auf Pflanzen angewendet.