[464] Traum nennen wir jene im Schlafe zur innern Wahrnehmung kommenden Vorstellungen und Empfindungen, welche die Folge einer dann vom menschlichen Willen freien, eigenthümlichen Thätigkeit der Seele sind, namentlich insofern der träumende Mensch sich nachher beim Erwachen mehr und minder deutlich bewußt bleibt, welche Bilder und Gefühle ihn ohne einen Willen beschäftigten. Die körperlichen Organe, welche diese Äußerungen einer von der Außenwelt und den Sinneseindrücken abgewendeten Seelenthätigkeit vermitteln, sind vorzugsweise im Gangliensystem (s. Nerven) zu suchen, was während des Schlafs in ununterbrochener, ja kräftigerer Wirksamkeit bleibt, während das Gehirnsystem sich unthätig verhält. Sonst könnte man eigentlich mit Gewißheit behaupten, daß die Seele beständig träume, wenn wir es uns auch nicht bewußt werden, da sie als eigenstes inneres und von dem körperlichen ganz verschiedenes Wesen ein der Ermüdung des letztern nicht unterworfenes besonderes Leben besitzt. Eine reiche Quelle von Träumen sind Vorgänge im Körper, die im Zustande des Wachens theils gar nicht oder nur als unbestimmte Empfindungen wahrgenommen werden, dort aber in bildlichen Vorstellungen auftreten, welche weit von denen im wachenden Zustande verschieden sind. So stellen sich Behinderung des Blutumlaufs, Druck auf große Gefäßstämme, Beschwerden des Athmens, oft als ein mit drückender Last auf den Schlafenden sich legendes oder setzendes Ungethüm (s.Alp) vor, und besonders leichtes Vonstattengehen der sämmtlichen Lebensverrichtungen wie ein Schweben oder Fliegen. Andere Träume erscheinen blos wie Abspiegelungen des äußern Lebens, auch als Fortsetzungen geistiger Beschäftigungen des Wachenden; bisweilen aber tauchen längst vergangene und im wachenden Zustande vergessene Personen, Vorfälle und Ideen im Traume wieder auf, und zu ihnen gesellen[464] sich dann häufig die allerfremdartigsten Bilder. Aber nur in überaus seltenen Fällen scheint der gewöhnliche Traum an das magnetische Hellsehen (s. Magnetismus) zu streifen, und dann gibt er auch wol einmal Aufschlüsse, welche im wachen Zustande vergeblich gesucht wurden. Dergleichen Fälle sind aber so außerordentlich selten, daß die einzelnen von den Millionen täglich und nächtlich geträumten Träume, welche eintreffen, wie man sagt, durchaus noch nicht für Beweise eines Zusammenhangs zwischen dem Traume und Erfolge gelten, und ebenso wenig einen Grund abgeben können, in den Träumen Vorzeichen künftiger Dinge zu sehen, daher alles sogenannte Auslegen von Träumen oder die Traumdenterei auf nichts als Aberglauben hinausläuft. Wie in den ältesten Zeiten gibt es aber bei vielen rohen Völkern noch Leute, welche ein besonderes Geschäft aus der Traumdeuterei machen, und die sogenannten Traumbücher, welche angeblich erfahrungsmäßige Auslegungen der Erscheinungen im Traume enthalten, haben selbst bei uns noch keineswegs alles Ansehen unter dem Volke verloren. Man träumt aber nicht blos im Schlafe, sondern oft auch im Wachen, wenn man sich willenlos dem natürlichen Zuge seiner Vorstellungen hingibt. Eine geistreiche Schrift über diesen Gegenstand ist G. H. v. Schubert's »Symbolik des Traums« (3. Aufl., Lpz. 1840). – Die Alten hatten auch einen Traumgott. (S. Morpheus.)