Garten

[311] Garten. Dieser Ausdruck gehört zu den ältesten Wörtern unsrer Sprache und bezeichnete früher einen eingezäunten, verwahrten Ort, ein durch eine Hecke oder Mauer eingefaßtes Stück Feld oder Acker, welches nicht allein zu Anpflanzungen, sondern auch zu Wohnungen, Gehöften, Burgen und ganzen Städten diente, woher wohl die häufige Endigung Gard und Gart mancher Städte und Ortschaften entstanden sein mag. Jetzt bezeichnet Garten ein begrenztes Stück Land, worin Bäume, Blumen und Pflanzen aller Art mit Sorgfalt gezogen werden. Kunstmäßig getriebene Gartenkultur heißt Gartenkunst (s. d.). Die Gärtnerei zerfällt in drei Perioden: in die uralte, von den frühesten Nachrichten und Ueberlieferungen[311] bis zur Gründung des römischen Reichs; in die alte, vom Emporkommen des römischen Reichs bis zum Fall desselben, und in die neuere, von dieser Zeit bis jetzt. Von der Erstern, den fabelhaften Gärten des Alterthums, den persischen Paradiesen, den Gärten der Hesperiden, ist hier nicht der Ort zu reden. Mit dem ersten Menschenpaar war auch der erste Garten da, und allen Vermuthungen nach müssen der Feigenbaum, der Granatbaum, der Mandelbaum und der Weinstock die ersten fruchttragenden Bäume gewesen sein, denen eine besondere Pflege gewidmet wurde. In der heiligen Schrift wird oft der Gärten erwähnt; bald als Küchen-, bald als Baum-, Oel- und Weingarten. Salomo zeigt schon viel Pracht in seinen Gärten und im Hohenliede spricht er oft von den Früchten seines Gartens, und nennt unter andern Granatäpfel, Mandeln, Aloe, Zimmt u. s. w. Durch Handel und Schifffahrt hatte er Gelegenheit, seine Gärten mit fremden Schätzen auszuschmücken, auch ließ er Teiche in denselben anlegen. Ueberhaupt stimmen die ältesten Schriftsteller darin überein, daß der Garten- und Feldbau ursprünglich aus dem Morgenlande stamme, und zuerst von den Arabern, Aegyptern, Griechen, Persern und Chinesen betrieben worden sei. Denn wenn man auch der noch etwas zweifelhaften Existenz der babylonischen schwebenden oder hängenden Gärten keinen Glauben beimessen will, verdienen doch die Gärten der alten Perser im 4. Jahrhundert vor unsrer Zeitrechnung erwähnt zu werden, welche Xenophon zwar einfach, aber doch groß und geschmackvoll schildert, besonders den berühmten Garten des jüngern Cyrus in Sardes. Als merkwürdige Seltenheit führt Herodot einen Rosengarten des phrygischen Königs Midas an, und Plinius rühmt die Syrer als ausgezeichnete Gärtner. Man kannte damals zwei Arten von Gärten, ökonomische und sogenannte Lustwälder, die erstern zum Nutzen, die letztern zum Vergnügen. Außer den schon oben genannten Obstbäumen wird der Platanen, Ulmen, Oliven u. v. a. Erwähnung gethan. Als Küchengewächse[312] finden wir schon früh in Aegypten Gurken, Lauch, Zwiebeln und Melonen angeführt; und von den Gärten des Alkinous, im 9. Jahrhundert vor Christus, heißt es: »daß eine Menge Küchengewächse auf Beeten wüchsen.« Narcissen, Rosen, Veilchen, Epheu nennt man uns als sehr beliebte Blumen damaliger Zeit. Die Form, welche die Alten ihren Gärten gaben, war regelmäßig und symmetrisch. Während der zweiten Periode der Gärtnerei, der alten, vom Emporkommen des römischen Reichs bis zu seinem Verfall, gelten die Römer als Gründer derselben, während die Griechen trotz der reichen Vegetation und dem herrlichen Klima ihres Landes keineswegs als nachahmungswürdige Vorbilder hinsichtlich der Anlage und Ausschmückung ihrer Gärten aufgetreten sind. Es scheint, als ob sie anfänglich zu sehr mit Staatseinrichtungen und Kriegen überhäuft gewesen, um sich der anscheinend niedern Beschäftigung des Gartenbaues zu widmen; und selbst als sie später fast in allen andern Künsten die höchste Stufe erreichten, blieben sie doch in der Gartenkunst, wie aus dem 7. Buch der Odyssee zu sehen, fast noch unter der Mittelmäßigkeit stehen. Die Römer hingegen erhielten, besonders nachdem Lucullus fremde Gewächse aller Art aus den neu eroberten Ländern hatte bringen lassen, einen bedeutenden Ruf wegen ihrer Villen und Gärten. Der jüngere Plinius liefert sehr detaillirte Beschreibungen derselben, aus welchen hervorgeht, daß die Römer das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden wußten, und Wiesen, Felder, Gemüsepflanzungen, Baumgärten, Wälder – kurz Alles zu einem großen, schonen Ganzen vereinigten. Auch schwebende oder hängende Gärten kommen bei ihnen in dieser Zeit vor, wie die des Tiberius, welche hin- und hergeschoben und bei strenger Witterung unter Dach und Fach gebracht werden konnten. Die Gärten standen bei den Römern unter dem Schutz der Venus, und die Besorgung, Wartung und Pflege derselben lag erfahrenen Sclaven ob. Nach dem Sturz des römischen Reichs tritt die dritte Periode der Gärtnerei, die sogenannte neuere ein.[313] Zuerst sehen wir nach dem Fall der Republik durch den Einfall der Barbaren, durch die Wildheit, die vielen Drangsale und Unruhen alle Gärten und Landhäuser theils zerstört, theils verlassen. Die Vermischung so mannichfaltiger Volker in Italien verdarb den Geschmack, und das Land wurde nur für den nöthigsten Bedarf angebaut. Den Mönchen blieb es überlassen, viele Flecken in Italien, Spanien und Südfrankreich, welche seit dem Einfall der Gothen und Saracenen wüste gelegen, wieder urbar zu machen, und ihrem Fleiß und unermüdlichen Eifer verdankt ein großer Theil von Europa seine ersten Gartenanlagen. In Deutschland, wohin sich die Kultur überhaupt sehr spät ihren Weg bahnte, mögen die ersten Gärten sehr einfach gewesen sein. Nach ältern Nachrichten über das damalige Germanien war der Garten- und Feldbau noch zu Tacitus Zeiten sehr unvollkommen; man kannte von fruchttragenden und zur Nahrung dienenden Bäumen, Sträuchen und perennirenden Pflanzen nur diejenigen, welche neben den einheimischen Eichen wild in den Wäldern wuchsen; und erst später, als diese undurchdringlichen Wälder zum Theil ausgerottet worden, erwachte auch die Luft zum Gartenbaue. Deutschland hat wahrscheinlich die meisten edeln Obstbäume, Weinreben und Gartengewächse aus Südeuropa erhalten. Den Gang der Gartenkultur von dieser Zeit bis auf den heutigen Tag zu verfolgen, würde zu weit führen. Nur so Viel sei gesagt, daß die Morgenröthe des guten Geschmacks hinsichtlich der Gartenanlagen für unser Vaterland erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts anbrach. Bis dahin hatte es sich mit elenden Nachahmungen begnügt. – In neuerer Zeit kann man die Gärten in vier Abtheilungen bringen. Nämlich in Hausgärten, welche zum Nutzen und zum Vergnügen der Bewohner dienen, die nothwendigsten Lebensbedürfnisse hervorbringen, und daneben doch kleine Partien, Gehölze u. dgl. zur Zierde haben. Ferner in sogenannte Küchengärten, zum Bau der Gemüse und des Obstes, in Lustgärten oder Parks (s. d. Art.), und in botanische Gärten[314] (s. d.). Einen Garten ersterer Art am Wohnhause zu haben, gehört mit zu den größten Annehmlichkeiten des Lebens, und in der Anlage, Einrichtung und Besorgung desselben spricht sich Geist, Sinn und Geschmack des Besitzers oft deutlicher aus, als in manchen andern, näherliegenden Dingen. Die Aufsicht des Gartens, wenigstens eines Theiles desselben, gehört unstreitig den Frauen, als den Richterinnen des Geschmacks; und wer sähe die Jungfrau nicht gern im Verkehr mit ihren Schwestern, den Blumen?

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 311-315.
Lizenz:
Faksimiles:
311 | 312 | 313 | 314 | 315
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Das neue Lied und andere Erzählungen 1905-1909

Die Sängerin Marie Ladenbauer erblindet nach einer Krankheit. Ihr Freund Karl Breiteneder scheitert mit dem Versuch einer Wiederannäherung nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit der Erblindung. »Das neue Lied« und vier weitere Erzählungen aus den Jahren 1905 bis 1911. »Geschichte eines Genies«, »Der Tod des Junggesellen«, »Der tote Gabriel«, und »Das Tagebuch der Redegonda«.

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon