Hierarchie

[305] Hierarchie, griech., heilige Herrschaft, fällt ihrer Idee nach mit der Theokratie, Gottesherrschaft, zusammen, die sich historisch beim Volke Israel am vollkommensten ausbildete, als Priesterherrschaft bei den alten Aegyptern den Staat beherrschte, in Indien durch das Braminenthum bis auf die neuere Zeit die entscheidendste Rolle spielte und bei den Bekennern des Lamaismus, namentlich in Tibet, noch jetzt spielt. Im christl. Sinne bezeichnet H. zunächst die Herrschaft aller Getauften, indem durch die Taufe alle Christen Ein Volk werden und dieses zur dereinstigen Herrschaft mit Christo berufen ist (I. Petr. 2, 9). Näher bezeichnet H. die hl. Ordnung der Gewalten im Reiche Gottes auf Erden, wie dieselbe an die Mitglieder der ordinirten Priesterschaft in der Art vertheilt ist, daß Jeder seinen bestimmten Wirkungskreis hat und kein Niederer in den eines Höhern eingreifen darf. Diese H. muß bestehen, weil das Reich Christi zwar nicht von dieser Welt stammt, aber in dieser Welt herrschend werden soll und der Bestand einer Kirche ohne geordnete Kirchenverfassung undenkbar ist. Den Grundstein der H. bildet der Primat, der in den Päpsten sich fortsetzende Petrus; mit ihm sind unzertrennbar verbunden die 3 Ordnungen der Bischöfe, Presbyter und Diakonen, deren göttliche Einsetzung das ganze christliche Alterthum bezeugt und deren jede auf die drei Vollmachten des Lehramtes (magisterium), Priesterthumes (ordo, ministerium) sowie der Regierung (jurisdictio) sich bezieht. Von dieser H. nach göttlichem Rechte wird eine H. nach kirchlichem Rechte unterschieden, doch versteht man unter dieser nur die Zwischenstufen, welche sich aus ersterer historisch entwickelten. (Vgl. Bischof, Diakon, Kirche, Priester, Primat, Theokratie. – In der griech. nicht unirten Kirche besteht die H. noch in ihrer ältesten Gestalt, jedoch ohne Anerkennung des röm. Primates, der im Orient auf die Patriarchen, in Rußland auf den weltlichen Herrscher übertragen wurde. Der Protestantismus weiß von keiner H. im eigentlichen Sinne, doch haben sich die äußeren Formen derselben namentlich in England mehr oder minder erhalten. Vgl. Cäsareopapismus.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 305.
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