Hierarchie

[364] Hierarchie (v. gr., d.i. heilige Herrschaft), 1) eigentlich die Würde u. Amtsgewalt des Oberpriesters; dann 2) die Gesammtheit der Priester, als der von Gott eingesetzten Verwalter der Heiligthümer, z.B. die Herrschaft, welche Priester in Ägypten u. bei den Hebräern zugleich als die höchste weltliche Obrigkeit ausübten; bei den Hebräern war die Verwaltung der Heiligthümer ein Erbe der Nachkommen Mosis u. an der Spitze stand der Hohepriester (s.d.); 3) in der christlichen Kirche die Regierung durch ihre Geistlichkeit, welche in den, mit dem Anwachs der christlichen Gemeinden u. ihrer Verbindung unter einander eintretenden Umständen ihren Grund hat. Diese führten von einer ursprünglich demokratischen zu einer aristokratischen Verfassung. Die Bischöfe erhoben sich über die Presbyter, später Metropoliten in den Hauptstädten der Provinzen über die übrigen, die Bischöfe in Rom, Constantinopel, Antiochien, Alexandrien u. Jerusalem als Patriarchen über die Metropoliten. Die durch diese hierarchischen Abstufungen ausgebildete Aristokratie befestigte sich u. blieb in der Griechischen Kirche, ging aber im Occident durch den von den Bischöfen in Rom gewonnenen Primat, den sie seit dem 9. Jahrh., bes. mit Hülfe der Pseudisidorischen Decretalen, in eine Suprematie zu verwandeln wußten, in geistliche Monarchie über, u. der Papst wurde Regent u. Herr der abendländischen Christenheit, dessen Allgewalt nur die Concilien zu beschränken befugt, aber seltener vermögend waren, als die Fürsten. Die kirchliche Suprematie der Päpste wurde durch ihre consequenten Bestrebungen, durch die Schwäche der Fürsten u. die Verwirrung des bürgerlichen Wesens seit dem 11. Jahrh., bes. durch den Papst Gregor VII, zur politischen Suprematie, u. das Hierarchische System (nach Hildebrand, dem eigentlichen Namen Gregors VII., auch Hildebrandismus genannt), welches den Staat der Kirche u. folglich alle katholischen Staaten mit ihren Fürsten dem Papste untergeordnet hatte, kam zur Ausführung u. galt vom 11. bis 13. Jahrh. ohne wirksamen Widerspruch. Seit dem 14. Jahrh. wurde die Beschränkung der hierarchischen Gewalt über die Staaten, bes. durch König Philipp den Schönen von Frankreich u. Kaiser Ludwig den Baier, durch den Aufenthalt der Päpste in Frankreich u. die Herabsetzung des Papstthums, welche das große Schisma u. die Concilien in Pisa, Costnitz u. Basel mit sich brachten, immer merklicher, bis die Reformation einen großen Theil der europäischen Christenheit von aller hierarchischen Gewalt losriß u. auch die katholisch gebliebenen Regenten beim Wachsthum ihrer Macht u. veränderten politischen Verhältnissen von den prätendirten Rechten der Päpste eins nach dem anderen abzudingen (s. Concordat) od. sich de facto zuzueignen wußten. So ist in neuerer Zeit die H. von den Regenten vielfach abhängig geworden u. selbst im inneren Kirchenregiment durch Staatsverfassungen, Polizei- u. Finanzmaßregeln modificirt u. eingeengt. Die theologische Wissenschaft des 5. u. 6. Jahrh., welche hauptsächlich die hohe Stellung des Lehramtes zu sichern suchte, heißt zuweilen die Hierarchische Theologie.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 364.
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