Theatiner

[447] Theatiner oder Chietiner, heißen die Mitglieder eines in der Reformationszeit für Verbesserung der Sitten des Volkes und besonders des Klerus gestifteten Ordens, weil ein Stifter und das erste Haupt desselben, nämlich Joh. Peter Caraffa, der spätere Papst Paul IV. (1555–1559), insgemein Chieti genannt wurde u. Bischof von Theate war. Den ersten Gedanken zur Stiftung des Ordens faßte der hl. Cajetan von Thiene (geb. 1480, gest. 1547), weßhalb die T. auch Cajetaner heißen, Caraffa war der erste, welchem er denselben mittheilte u. nachdem sie 2 Prälaten und Mitglieder der Bruderschaft der göttlichen Liebe gleichfalls dafür gewonnen, ward 1524 in Rom der Grund zum T. orden gelegt. Sie verzichteten auf ihre Pfründen, wollten nicht betteln, [447] sondern von der göttlichen Vorsehung d.h. von ganz freiwilligen milden Gaben leben, wurden von Clemens VII. mit Bestätigung u. Vollmachten sowie mit den Privilegien der Chorherren der Lateran-Congregation bedacht, legten am 14. September 1524 die Ordensgelübde ab und wählten den Caraffa zu ihrem Superior. Gelegentlich der Eroberung Roms durch Bourbon 1527 wurden die T. schwer mißhandelt und verlegten ihren Hauptsitz nach Venedig. Der Orden gedieh, 1546 wurden die Somasker mit ihm vereiniget, doch hatte diese Vereinigung weder einen rechten Halt noch Dauer, das meiste that für die T. Caraffa, der von Würde zu Würde und 1555 zur päpstlichen emporstieg. Sittenreinheit, wissenschaftliche Bildung, Würde und Anstand beim Gottesdienste und namentlich auch auf der Kanzel, Bekämpfung der neuen Irrlehren, Krankenpflege u. Vorbereitung der Verbrecher zum Tode, waren das, worin sich die T. auszeichneten. Ihre Blütezeit fällt in das 17. Jahrhundert; außerhalb Italien bekamen sie Häuser in Spanien, Polen, im deutschen Reich, namentlich in Bayern, 1644 durch den Cardinal Mazarin auch eines zu Paris, das aber in Frankreich das einzige blieb; als Missionäre durchwanderten T. Mingrelien, die Tartarei, Circassien u. Georgien; auch die Zahl der Gelehrten, Cardinäle, Erzbischöfe u. Bischöfe, die aus dem Schoße dieses Ordens hervorgingen, ist bedeutend. Aber die T. wurden reich, vor der glänzenden Thätigkeit der Jesuiten mußten sie in den Hintergrund zurücktreten, eine Vereinigung mit diesen gelang niemals. Gegenwärtig hat der Orden noch einige Häuser in Italien, sein berühmtestes Mitglied ist der Prediger Ventura. – Die T. inen von der unbefleckten Empfängniß der hl. Jungfrau sowie die nach diesen von Ursula Benincosa (geb. 1547, gest. 1618) gestifteten T. inen von der Einsiedelei haben sich nicht über Neapel und Palermo hinaus verbreitet.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 447-448.
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