Abbinden [3]

[4] Abbinden, das beginnende Festwerden des Kalkbreies im Mörtel.

Beim Luftmörtel geschieht dies nach der älteren Anschauung durch Wasserabgabe und Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft. Nach Hauenschild [1] bewirkt die Verdunstung des Wassers die Bildung von wahrscheinlich kristallinischem Kalkhydrat und damit einen Uebergang des breiartigen in den festen Zustand, bevor noch die Bildung von kohlensaurem Kalk erfolgte, während die Wasserentziehung durch Absaugung infolge der Porosität der Steine und durch den Druck derselben nur eine Veränderung der Plastizität ohne eigentliche Erhöhung der Festigkeit hervorzubringen vermag. Deshalb ist es von Wichtigkeit, daß beim Mauern mit porösen Steinen (Backsteinen) die Steine selbst gehörig genäßt werden, damit dem Mörtel die Feuchtigkeit nicht zu rasch entzogen wird, während anderseits das Annässen dichter Steine schädlich sein kann. Das Verdunsten darf ebenfalls nicht zu rasch erfolgen, wie dies bisweilen auf künstlichem Wege hervorgebracht wird, denn die Erfahrung lehrt, daß zu rasch festgewordener Mörtel keine dauernde Festigkeit besitzt, sondern wie Sand auseinanderfällt, weil die zu rasch sich bildende äußere Kruste zu wenig porös ist, um die richtige weitere Verdünstung des Wassers zuzulassen und damit die richtige Erhärtung des Innern zu ermöglichen. Ferner ist darauf zu achten, daß das Abbinden nicht durch Erschütterung oder Verrücken der Steine gestört wird, da derselbe Kalkbrei in Berührung mit dem Steine nur einmal abbindet, was verhältnismäßig rasch geschieht. Auch darf keine Verunreinigung der Steine vorliegen, da der Mörtel an solchen nicht anhaftet. Ist die Abänderung der Lage eines bereits eingemauerten Steins erforderlich, so müssen daher die Lager- und Stoßflächen desselben gesäubert werden, worauf der Stein mit frischem Mörtel einzumauern ist. Bei rasch abbindenden Mörteln (Zement- und Gipsmörtel) ist aus demselben Grunde nur so viel Mörtel zurzeit zu bereiten, als man bis zum erfolgenden Abbinden verbrauchen kann [2]. Niedere Temperaturen verzögern oder verhindern das Abbinden und erfordern jedenfalls besondere Vorsichtsmaßregeln [3]. Ein Abbinden von Kalkbrei erfolgt ebenfalls, wenn ihm Pulver von Aetzkalk (ungelöschter Kalk, s. Kalk) zugemischt wird, indem der letztere zur Bildung von Kalkhydrat, unter Wärmeentwicklung, dem Kalkbrei Wasser entzieht. Der Kalk wird dann fest und widersteht jeder ferneren Wassereinwirkung, so daß er als hydraulischer Mörtel gelten kann; jedoch hat Hauenschild nachgewiesen [4], daß die hydraulische Eigenschaft nur bei einem Minimum überschüssigen Wassers eintritt und nur dann, wenn der Mörtel verwendet wird, während er sich noch erhitzt. Auf dieser Erscheinung beruht das hydraulische Verhalten der früher vielfach verwendeten Mörtel von Loriot und Artus [5]. – Das Abbinden der Zementkalke (s. Kalk, Zement und Wassermörtel) besteht nach der älteren Anschauung in der sofortigen Bildung chemischer, durch Wasser nicht lösbarer Verbindungen. Nach der Kolloidtheorie Hauenschilds beruht es auf dem Widerstande, den eine gestehende Kolloidmasse, die in sich im Wasser teilweise lösliche Bestandteile einschließt, dem Lösungswasser entgegensetzt [6]. Vgl. auch Kalk und Mörtel.


Literatur: [1] Handbuch d. Arch., 1. Teil. Bd. 1, 1. Hälfte, S. 115. – Hauenschild, Zur Frage der Erhärtung des Kalkmörtels, Notizblätter des Ziegler- u. Kalkbrennervereins 1881, Nr. 1, S. 68. – [2] Handbuch d. Arch., 3. Teil, Bd. 1, S. 73. – [3] Gottgetreu, R., Phys.u. chem. Beschaffenheit der Baumaterialien, 3. Aufl., Berlin 1881, Bd. 2, S. 269. – Ausführung eines Brückenbaues bei Frostwetter, Deutsche Bauztg. 1880, S. 74. – Ausführung des Bahnhofs Friedrichstraße in Berlin, Baugewerksztg. 1885, S. 35. – [4] Handbuch d. Arch., 1. Teil, Bd. 1, 1. Hälfte, S. 126. – [5] Sax, Bautechnologie u. Bauökonomie, Wien 1814; Gottgetreu, Baumaterialien, Bd. 2, S. 213 u. 215. – [6] Ebendas., S. 218, und Handbuch d. Arch., 1. Teil, Bd. 1, 1. Hälfte, S. 117.

L. v. Willmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 4.
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