Absteifungen

[42] Absteifungen und Abspreizungen, Vorkehrungen zum Schütze der Arbeiter gegen Verschüttung und zur Verhütung von Nachfall.

In leicht beweglichem Boden ist schon bei geringer Grabentiefe eine vollständige Holzverschalung an den Wänden anzubringen, die mit zwischengestellten und angekeilten Spreizhölzern festgehalten werden muß, während bei standfestem Boden unter Umständen ohne Abspreizung bis zu 2 m Grabentiefe vorgegangen wird. Im letzteren Falle sucht man eine Art Versteifung dadurch zu erzielen, daß man von Zeit zu Zeit Butzen von Erde stehen läßt, so daß der Graben einer Reihe hintereinanderfolgender Gräben gleichsieht. Die Butzen werden dann unterhöhlt. Die Art der Absprießung richtet sich, abgesehen von der Bodenbeschaffenheit und Grubentiefe, ganz wesentlich nach dem Raumbedarf der Baugegenstände, die in den Graben abgelassen und dort zusammengefügt werden müssen. In der Regel wird die Verkleidung der Grabenwände durch horizontal eingelegte Bohlen bewirkt (Fig. 1); bei Anlagen von Gräben in[42] durchnäßtem Boden (Grundwasser) sind Vertikalbohlen (Pfähle) die zweckmäßigste Einrichtung (Fig. 2). Durch richtige Absprießung wird es möglich, selbst in engen städtischen Straßen Grabentiefen bis zu 10 m und bis zu 2 m im Grundwasser durchzuführen. Die Entfernung der Querhölzer ist so groß als möglich zu wählen, um die Baumaterialien leicht einbringen zu können; auch sollte man keine Bohlen unter 50 mm Stärke und stets kräftige Steifen verwenden. Vgl. a. Grubenausbau. – Absteifungen und Abspreizungen werden bei Gebäuden dort angewendet, wo entweder Decken oder Mauerwerk zeitweise ihrer Unterstützung beraubt, oder alte Gebäude gegen Einsturz geschützt werden sollen. Ihrer vorübergehenden Bestimmung wegen werden sie im wesentlichen aus Hölzern hergestellt, zu denen sich zum Zwecke der Kostenersparnis altes Bauholz eignet. Ein öfters vorkommendes Beispiel ist in Fig. 3 erläutert, in dem im Erdgeschoß eines Gebäudes ein gemauerter Pfeiler zur Herstellung eines Schaufensters beseitigt und letzteres durch eiserne I-Träger überdeckt werden soll. Zu diesem Zweck steckt man zunächst alte Eisenbahnschienen, nachdem die Löcher dazu gestemmt sind, unter- oder oberhalb der Balkenlage über dem Erdgeschoß durch das Mauerwerk hindurch und lagert sie zu beiden Seiten des letzteren auf Rahmhölzer, die von senkrechten Spreizen getragen werden; die letzteren erhalten eine Verspreizung durch angenagelte Bretter. In den meisten Fällen wird die Berechnung ergeben, daß die Schienen ohne Zwischenstützen nicht ausreichen, um den über dem Schaufenster befindlichen Pfeiler nebst seiner Last zu tragen (diese beträgt bei einem Gebäude mit vier Stockwerken über dem Erdgeschoß 35 bis 50 t), und weil eiserne I-Träger für diesen Zweck zu kostspielig sind, so wendet man außerdem im Aeußern höher angreifende schräge Steifen an, welche die Hauptlast aufnehmen müssen. Damit das Mauerwerk am oberen Ende der Steifen nicht zu großen Druck erhält, bringt man daselbst etwa 1515 cm starke Querstücke aus hartem Holz an. Wie leicht ersichtlich, haben die schrägen Steifen infolge ihrer lotrechten Belastung die Neigung, die Mauer nach innen zuschieben; sie müssen deshalb so gestellt werden, daß ihre Verlängerung eine Balkenlage trifft, die diesen Schub aufnimmt Diejenige Kraft, die Hölzer dem Zerknicken entgegensetzen, berechnet man gewöhnlich nach der Formel P = 10 ∙ bh3/l2; P in Tonnen, b und h Querschnittsmasse (h das kleinste) und l Länge in Zentimetern. Für provisorische Konstruktionen kann man von dem oben angegebenen P das 11/2fache nehmen. Eine 10 m lange, 25/25 cm starke Steife würde danach 6 t aushalten können, wenn man diese Steifen jedoch mit dem unteren Gerüst bei a in Fig. 3 links verbolzt, so vermindert sich ihre freie Länge fast auf die Hälfte, und sie können dann das Dreibis Vierfache tragen. Die schrägen Steifen setzen unten mit Zapfen in Schwellen (sogenannten Treibladen) ein, die den Druck auf den Boden verteilen. Letzterer besteht sehr oft aus Auffüllung; man kann ihn in diesem Falle nur mit 2 kg Druck auf 1 qcm belasten und gebraucht bei 25 cm breiten Treibladen und 40 t Druck 800 cm Holzlänge, weshalb die Treibladen dann noch auf Querschwellen zu lagern sind. An den Enden der Treibladen müssen diese durch Pfähle gegen Fortgleiten geschützt sein. Würden die Steifen die Last ohne weiteres aufnehmen, so drückten sie sich in die Schwellen, und auch die letzteren würden teilweise in den Boden gedrückt werden. Hierdurch würde ein schädliches Setzen des getragenen Pfeilers entstehen. Um dies zu vermeiden, müssen die Steifen vor Aufnahme der Last an ihren Fußpunkten mittels Keilen angetrieben werden. Senkrechte Steifen kann man etwas schräg stellen und dann antreiben. Bei den schrägen Steifen werden Keile vor ihren Zapfen in die Treibladen eingetrieben. Die Belastung der Absteifungen kann man sehr vermindern, wenn man die I-Träger über dem Schaufenster allmählich einbringt, also z.B. zuerst nur soviel ausstemmt, daß der äußerste Träger Platz findet, und erst nach dessen Einbringung mit dem Ausstemmen fortfährt. In ähnlicher Weise verfähr man auch, wenn in einem Stockwerk eine Scheidewand beseitigt, in dem oberen diese aber belassen werden soll; jedoch werden dann nur senkrechte Steifen zu beiden Seiten der Wand gebraucht, die, wenn sie auf Balkenenden treffen, auf diesen flehen können; andernfalls muß die Absteifung bis zur Kellersohle herabgeführt werden. Die Absteifungen zur Herstellung eines Schaufensters nebst Einbringen und Liefern der I-Träger kosten bei Verwendung alten Absteifungsholzes ungefähr 300–350 M. Die oben beschriebenen schrägen Steifen nebst Treibladen werden auch bei Absteifung baufälliger Gebäude verwendet, oder wenn ein Nachbargebäude[43] abgebrochen wird, und besonders dann, wenn dies mit tieferer Fundamentierung als das abzusteifende Gebäude neu gebaut werden soll. In diesem Falle wendet man auch zwischen zwei Nachbargebäuden sogenannte Sprengböcke (Fig. 4) an. Es sind dies einfache oder bei größerer Länge verstärkte Balken mit vier Kopfbändern an jedem Ende, die in ein Holzkreuz greisen. Diese, sowie die schrägen Steifen dürfen sich nur gegen Balkenlagen oder Scheidewände setzen. Zu erwähnen ist noch, daß freistehende Rüstungen zum Versetzen von Quadern für hohe Gebäudefronten auch Abspreizungen gegen Sturmangriff gebrauchen, da nach angestellten Berechnungen sein Umsturzmoment nur zu etwa einem Viertel vom Rüstungsgewicht überwunden wird.


Literatur: Baukunde des Architekten, Berlin 1903, Teil I, 1, S. 339–393.

Hacker.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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 Fig. 4.
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Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 42-44.
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