[235] Bootsbau, umfaßt die Konstruktion und den Bau von Booten, die teilweise an Bord der seegehenden Schiffe Verwendung finden, teilweise auf Gewässern und an den Küsten als Vergnügungsboote, Fischerboote und Rettungsboote benutzt werden.
Die zur vorschriftsmäßigen Ausrüstung der Kauffahrtei- und Kriegsschiffe erforderlichen Boote sind vorzugsweise als Ruderboote zu betrachten, ebenso die Rettungsboote; die Fischerboote dagegen sind durchweg als Segelboote konstruiert, ebenso wie die speziell zum Segeln bestimmten Vergnügungsboote, die Segeljachten. Die Schiffsboote sind für den Verkehr mit dem Lande und zum Manöverieren des Schiffes im Hafen erforderlich. Ein gutes Schiffsboot muß große Seefähigkeit besitzen, bei genügender Fertigkeit des Verbandes sicher ein- und ausgesetzt werden können und sich leicht durch Riemen fortbewegen lassen. Auf Passagierdampfern sind die Boote in der Hauptsache zum Rettungsdienst bei Schiffsunfällen bestimmt. Bei Kriegsschiffen ist der Verwendungszweck der Boote ein vielseitiger, und haben sich daher bestimmte Gattungen ausgebildet, die wiederum in drei bis vier Größen gebaut werden. Die Dampfbeiboote dienen für alle Zwecke. Die Barkassen sind Boote schwerer Bauart und werden zum Transport schwerer Gegenstände, Anker, Landungsgeschütz u.s.w., benutzt. Die Pinassen sind etwas leichter gebaut und dienen den gleichen Zwecken; sie sind außerdem so eingerichtet, daß an Bord der Schiffe in denselben leichtere Boote verstaut werden können. Die Kutter sind von kleineren Abmessungen und in der Hauptsache Verkehrsboote, auf See werden sie als Rettungsboote verwendet. Die Gigs sind leichte Ruderboote zur Benutzung für den Kommandanten bezw. die Offiziere. Die Jollen und Dingis sind kleinere Verkehrsboote für die Mannschaft.
Die Kriegsschiffsboote werden durchweg aus Holz gefertigt, da sich dieses Material für die größte Beanspruchung der Boote beim Ein- und Aussetzen am besten bewährt hat. Desgleichen werden die Vergnügungs- und Fischerboote aus Holz gefertigt. Die Rettungsboote auf Passagierdampfern sowie auch zum großen Teil die Boote der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger werden aus kanneliertem Stahlblech (Francis' Patent) gefertigt. Von den verschiedenen Holzarten kommen Eichen für Kiel und Steven, Beplankung Spanten, Dollbaum, Duchtweger; Mahagoni, Kiefern, Zypressen und Lärchen für Außenhaut; Ulmen für Steven, Bodenwrangen; Eschen für Spanten, Duchten, Schandeck, Riemen zur Verwendung. Die Beschläge werden aus verzinktem Eisen oder Bronze gefertigt. Die Verbindung der einzelnen Teile erfolgt durch eiserne oder kupferne Nägel. Letztere, Gatnägel genannt, werden nach dem Einschlagen an der Spitze über kupferne Scheiben (Gaten) verklinkt. Der Bau von hölzernen Booten erfolgt in geschlossenen Werkstätten, da das Holzmaterial trocken und saftfrei sein muß. Man unterscheidet drei verschiedene Baumethoden, den Krawel-, Klinker- und Diagonalbau, entsprechend der Anordnung der Außenhautplanken (s. Fig. 13) [1].
Beim Krawelbau flößen die Planken stumpf aneinander, und ihre Verbindung erfolgt allein durch die Spanthölzer. Beim Klinkerbau greifen die Planken der einzelnen Gänge übereinander und werden miteinander und mit den Spanten durch Gatnägel verbunden. Der Diagonalbau verlangt eine doppelte oder dreifache Lage von Planken übereinander. Bei drei Lagen liegen die beiden inneren um 4060° geneigt und kreuzen sich im fast rechten Winkel; sie reichen vom Kiel bis zum Dollbord, die äußerste Lage ist dann wie beim Krawelbau angeordnet; bei zwei Lagen ist die innere allein nach einer Seite geneigt. Der Diagonalbau findet nur bei den größeren Kriegsschiffsbooten, Barkassen, Pinassen, Dampfbeibooten Verwendung, der Klinkerbau bei Kuttern, Jollen, Dingis und Gigs, Kauffahrteischiffbauten und Fischerbooten, der Krawelbau bei Gigs, Ruderbooten und Segeljachten.
Dem Bau eines Bootes liegt stets eine Zeichnung zugrunde, aus welcher der Spantenriß nebst Vor- und Hintersteven auf einer Plattform in natürlicher Größe aufgezeichnet wird. Nach diesem Riß werden die Spantmalle gefertigt und mit dem Kiel und den Steven auf einem Bock gutgestellt, wobei die Malle gegen einen Längsbalken des Werkstattsgebäudes verstrebt und[235] verkeilt werden (s. Fig. 4) [2]. Ueber diese Malle werden dann die Planken bezw. Bretter, die zuvor durch Wasserdampf geschmeidig gemacht sind, gebogen und mit denselben durch Heftnägel verbunden. Nach dem Trocknen werden die Planken nachgerichtet und an den Kanten behobelt und endgültig befestigt. Die unterste Planke, der Kielgang, wird mit dem Kiel in einer Sponnung vernagelt. Beim Diagonalbau werden die Spantmalle durch Senten, die in Ausschnitten der Malle verkeilt sind, verbunden, so daß ein vollständiges Lattenwerk von der Form des Bootes entsteht, über das dann die Diagonalplanken eichene Wagenschottbretter gebogen und am Kiel und am Dollbord befestigt werden. Die endgültige Verbindung der Plankenlagen miteinander erfolgt an den Kreuzungsstellen durch je vier Gatnägel (s. Fig, 3). Ist die Außenhaut fertiggestellt, so werden die Spantmalle entfernt, die Spanten meist gedämpft in das Boot eingebogen, wobei die Planken von außen entsprechend gestützt werden, und nach dem Erkalten mit der Beplankung durch Gatnägel vernietet. Spanten, die aus Hölzern ausgearbeitet werden, kommen seltener in Anwendung, meist nur als Bodenwrangen. Die Diagonalboote erhalten keine Spanten, sondern nur Bodenwrangen in größeren Abständen, die eingebogen werden. Die Bodenwrangen reichen bis oberhalb der Kimm, die Spanten flößen oben am Dollbaum oder Dollbord ab, der den oberen Längsverband des Bootes bildet und zugleich als Fundament für die Ruderdollen oder Rudergabeln benutzt wird. Letztere werden bei den Barkassen, Gigs (s. Fig. 5) und Dingis in Büchsen des Dollbaums eingesteckt, während bei den Pinassen, Kuttern und Jollen noch ein Setzbord oder Waschbord vorhanden ist, in denen die Rojepforten für das Einlegen der Riemen in die Rojeklampen eingeschnitten sind. Bei Booten ohne Setzbord wird der Dollbord meist mit einer dünnen Planke, dem Schandeck oder Schandeckel, belegt, zum Abschluß der Außenhautplanken. Einen weiteren Längsverband bietet der Duchtweger, auf dem die Duchten aufliegen. Bei den Pinassen sind letztere zum Losnehmen eingerichtet und mit entsprechenden Beschlägen zum Festketten versehen. Bei den übrigen Booten werden die[236] Duchten durch eiserne oder metallene Knie mit dem oberen Plankengang und dem Dollbaum verbunden. Die Duchten sind die Sitzbänke zum Rudern, und ihre Zahl ist abhängig von der Anzahl der Riemen. Einzelne Duchten werden zum Feststellen des Mastes besonders eingerichtet und mit Beschlag versehen, sie heißen Segelduchten. Der innere Boden besteht aus dem Fisch oder dem Kielschwein und den Pflichten oder Remms zu den Seiten desselben, die lose auf den Spanten aufliegen. Zum Ein- und Aussetzen der Boote werden am Kiel und an den Steven Augbolzen verschraubt, in welche die Heißstroppen eingeschäkelt werden. Die Rettungsboote (Fig. 6) werden zur Vermehrung der Schwimmfähigkeit mit Luftkästen und Korkgürteln versehen. Für den Rettungsdienst an den Küsten sind besondere Bootstypen entstanden, die, dem eigenartigen Zweck entsprechend, abweichend von den Schiffsbooten gebaut werden. Sie haben die Form der Balinieren und sind von großer Tragfähigkeit und Stabilität, so daß sie sich nach dem Kentern von selbst wieder aufrichten. Außerdem sind Vorkehrungen getroffen, das eingedrungene Seewasser selbsttätig zu entfernen. Der Boden liegt dementsprechend bei voll beladenem Boot oberhalb der Wasserlinie und sind an der tiefsten Stelle Entwässerungsrohre vorgesehen. Fig. 6 Hellt ein nach Peakeschem System erbautes Rettungsboot der Société centrale francaise dar [1]. Den Rettungsbooten in ihrer Form ähnlich sind die sogenannten Brandungs- oder Walboote konstruiert, die dazu bestimmt sind, einen Verkehr zwischen den Schiffen und Küsten mit starker Brandung zu vermitteln. Die Form der Fischerboote ist nach den Beschaffenheiten der Küsten und den Ueberlieferungen der einzelnen Nationen verschieden [5]. An den Flußmündungen, den Küsten der Ostsee und in Helgoland verwendet man flachbodige Fahrzeuge mit Seitenschwerten, in Norwegen und England sind tiefgehende Kielboote mit hohem Kiel gebräuchlich, bei Segelbooten findet man dasselbe Prinzip. Für seichte Gewässer, besonders im Binnenlande, konstruiert man flache Segelboote, sogenannte Flundertyp, mit Mittelschwert (s. Fig. 7), für tiefe Gewässer und für die See tiefgehende Kielboote mit Kiel von Eisen oder Blei [3]. Neuerdings verbindet man eine flache Schiffsform mit einem festen Mittelschwert und einem an der Unterkante desselben befestigten Bleiballast in Zigarrenform, dem sogenannten Wulstkiel [4].
Literatur: [1] Brix, Bootsbau, Berlin 1892. [2] Belitz, Seglers Handbuch, Berlin 1897. [3] Kemp, Dixon, Manual of yacht and boot sailing, London 1900. [4] Oertz, M., Ueber Segeljachten und ihre moderne Ausführung, Jahrbuch der Schiffbautechn. Gesellsch., Berlin 1902. [5] Laas, W., Stockhufen, C., Engel, C., und Janssen, Th., Arbeiten aus der Technik des Schiffbaues, Berlin 1903.
T. Schwarz.
Lueger-1904: Bootsbau [2]
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