Masse [1]

[317] Masse. Unter Masse (genauer träger Masse) versteht man die Eigenschaft der Materie, insbesondere der materiellen Punkte, unter der Wirkung derselben Kraft eine verschiedene Beschleunigung anzunehmen. Die Masse eines materiellen Punktes ist um so größer, je kleiner die ihm von derselben Kraft erteilte Beschleunigung ist.

Als Maßstab für die Massen dient die Masse des Urkilogramms in Paris, und die Vergleichung der Massen erfolgt an der Wage unter Vermittlung der Schwerkraft; die Massen verhalten sich wie die Gewichte am selben Orte. Das Gewicht G (die Kraft, welche der Masse m die Beschleunigung g = 9,81 der Schwere erteilt) ist G = mg, mithin die Masse m = G : g. Technische Masseneinheit ist daher jene Masse, deren Gewicht an einem bestimmten Ort ebensoviel Kilogramm beträgt als die Erdbeschleunigung Meter. Träge Massen werden ausschließlich durch positive Zahlen ausgedrückt. Die in der Lehre von der Elektrizität und vom Magnetismus üblichen Massen verschiedenen Vorzeichens sind ganz andern Charakters; Elektrizität und Magnetismus sind nur Träger von Kräften (ähnlich wie die gemeine Masse Träger der Schwerkraft), besitzen aber keine träge Masse. Ihr Vorzeichen bedeutet nur den Sinn der von ihnen ausgehenden Kraftwirkung.

Unter der Masse eines Punktsystems versteht man die Summe der Massen aller seiner Punkte. Die Punktsysteme sind zweierlei Art: solche, welche aus diskreten Punkten bestehen und kontinuierliche Punktsysteme. Ein kontinuierliches Punktsystem (eine kontinuierliche Linie, Fläche oder ein kontinuierlicher Körper) heißt homogen, wenn alle seine Punkte gleiche Masse haben; heterogen, wenn dies nicht der Fall ist. Ein Punkt eines kontinuierlichen Punktsystems ist als ein verschwindendes Linien-, Flächen- oder Körperelement anzusehen, je nachdem das Punktsystem linien-, flächenartig oder körperlich ist. Bei homogenen kontinuierlichen Systemen versteht man unter spezifischer Masse die Summe aller Massen der Raumeinheit (Linien-, Flächen- oder Volumeneinheit). Ist daher M die Masse des Raumes V vom System, so ist die spezifische Masse ρ = M/V. Besteht das System aus einem Aggregat von Massen M', M'', M''' ..., deren Volumina V', V'', V''' ... sind, so ist die mittlere spezifische Masse ρ desselben die Masse der Raumeinheit nach Ausgleichung der Massen ohne Aenderung des Gesamtvolumens, so daß ρ (V' + V'' + V''' + ...) = M' + M'' + M''' + ... ist. – Bei heterogenen kontinuierlichen Systemen ist die spezifische Masse von Punkt zu Punkt veränderlich. Man versteht darunter die Masse, welche die Raumeinheit enthalten würde, wenn sie derart mit Masse gleichförmig[317] erfüllt wäre, wie sie dem in dem Punkte verschwindenden Elemente zukommt. Ist daher d m die im Raumelemente d v verschwindende Masse, so ist die spezifische Masse ρ = dm/dv und mithin d m = ρ d v. Die spezifische Masse wird auch Dichtigkeit genannt. Manche verstehen unter Dichtigkeit δ den Quotienten aus der spezifischen Masse ρ und der spezifischen Masse ρ0 einer beliebig gewählten homogenen Substanz, z.B. des Wassers, so daß δ = ρ : ρ0 und nur dann δ = ρ wird, wenn man δ0 als Einheit der spezifischen Massen wählt. Aus d m = ρ d v folgt m = ∫ ρ d v, wo das Integralzeichen eine einfache, doppelte oder dreifache Integration anzeigt, je nachdem das Raumelement d v ein Linien-, Flächen- oder Körperelement ist. ρ ist als Funktion der Koordinaten des Punktes gegeben, in welchem d v verschwindet. Das spezifische Gewicht einer homogenen Masse ist das Gewicht der spezifischen Masse, also ρ g.


Literatur: Ueber die Massenbestimmung vgl. insbesondere: Schlömilch, Ueber die Bestimmung der Masse und des Trägheitsmomentes symmetrischer Rotationskörper von ungleichförmiger Dichtigkeit (Abhandlungen d. mathem.-physikal. Klasse der Kgl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, Bd. 2, S. 379 ff., 1855). Ueber das Prinzipielle vgl. A. Voß, Die Prinzipien der rationellen Mechanik, Encykl. d. mathem. Wiss., Leipzig 1901, Bd. 4, S. 51.

(Schell) Finsterwalder.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 317-318.
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