Artel

[822] Artel (Artjel), Name der schon seit alter Zeit in Rußland bestehenden, früher »Drushina« oder »Wataga« genannten, auf patriarchalisch-genossenschaftlicher Grundlage ruhenden Vereinigungen von mehreren Personen, die sich unter solidarischem Eintreten mit Kapital und Arbeit oder nur mit Arbeit allein zur Übernahme von Arbeiten oder zu wirtschaftlichen Zwecken verbinden. Die Organisation der Artelle ist sehr verschieden. Meist wird das Prinzip der gleichen Berechtigung aller Genossen (Artelschtschiki) streng aufrecht erhalten (gleiche Arbeit, gleicher Lohn), vielfach im Interesse der Vertrauenswürdigkeit die Erfüllung bestimmter Aufnahmebedingungen verlangt etc. Die Artelle bildeten sich schon im 13. und 14. Jahrh. zunächst zur gemeinschaftlichen Ausübung der Jagd und des Fischfanges. Neu angeregt durch die Schulze-Delitzsche Genossenschaftsbewegung in Deutschland, haben sie sich auf die verschiedensten Gebiete wirtschaftlicher Berufstätigkeit ausgedehnt. Man unterscheidet gewerbliche, Konsum-, Kredit-, Versicherungsartelle. Die Konsumarielle bezwecken die Beschaffung gemeinsamer Kost und Wohnung, die Kreditartelle die Vermittelung von Personal- und Realkredit; die Versicherungsartelle betreiben Spar-, Hilfs- und Pensionskassen, [822] Feuer-, Hagel-, Viehversicherung auf Gegenseitigkeit etc. Die wichtigsten sind die gewerblichen Artelle, die Handwerker- und Börsenartelle. Die Mitglieder der Handwerkerartelle liefern außer der Arbeit auch Kapitaleinlagen, um Bestellungen auszuführen oder ihre Erzeugnisse durch einen Genossen vertreiben zu lassen. Die Börsenartelle der Hafenstädte, insbes. diejenigen von Petersburg, die 1712 dadurch entstanden, daß Peter d. Gr. zur Förderung der Schiffahrt Löschmannschaften aus Altrußland kommen ließ, besorgen den Transport der Schiffsgüter von und nach dem Lande, die beim Zollamt vorkommenden Arbeiten sowie verschiedene Kontorarbeiten. Sie rekrutieren sich nur aus bestimmten Landesteilen, erheben ein Eintrittsgeld von neuen Mitgliedern, haben feste Taxen für ihre Arbeiten etc. und genießen durch ihre Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit einen guten Ruf. Die bisher erwähnten Artelle sind selbständige, d.h. sie arbeiten auf eigne Rechnung und Gefahr. Daneben gibt es unselbständige, im Dienste Dritter stehende Artelle (Arbeiterartelle), bet denen ein Teil des Ertrags an diese abgeliefert, der Rest an die Genossen verteilt wird. Viele Artelle sind wandernde Vereinigungen, die Arbeiten an verschiedenen Orten ausführen. Vgl. Grünwaldt, Das Artelwesen und die Hausindustrie in Rußland (Petersb. 1877); Stähr, Ursprung, Geschichte, Wesen und Bedeutung der russischen Artels (Dorpat 1890–91); Tschernjawski, Das russische A. (Leipz. 1896); Apostol, Das Artjel (Stuttg. 1898).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 822-823.
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