Arzneipflanzen

[837] Arzneipflanzen (hierzu Tafel »Arzneipflanzen I bis III« mit Text), die zur Bereitung von Arzneimitteln dienenden Pflanzen. Seit den ersten Anfängen der Heilkunde wurden zahlreiche Pflanzen wegen ihrer wirklichen oder vermeintlichen Heilkraft verwendet, und Rosenthal zählt in seiner Synopsis über 8000 A. auf, ohne damit irgendwie Vollständigkeit zu erreichen. Unter diesen Pflanzen gibt es aber sehr viele von geringer oder keiner medizinischen Wirksamkeit, und die neuere Medizin, deren Streben auf Vereinfachung der ärztlichen Verordnungen gerichtet ist, hat sehr viele früher geschätzte A. fallen lassen, während neuere Einführungen, besonders wieder in der jüngsten Zeit, zahlreich auftauchen, aber nur selten als wirkliche Bereicherung des Arzneischatzes sich dauernde Geltung verschaffen. Seit 1870 sind nur etwa zwölf neue Drogen in das deutsche Arzneibuch aufgenommen worden. Das deutsche Arzneibuch von 1900 führt im ganzen etwa 140 Pflanzen auf, von denen eine Anzahl gar nicht als A. zu bezeichnen sind und andre kaum noch von Ärzten angewendet werden. Von den A. gehört etwa der vierte Teil den Kryptogamen und Monokotylen an. Die meisten Drogen liefern Kompositen, Labiaten, Umbelliferen, Solanazeen und Papilionazeen. Nach ihrem Vaterland verteilen sich die A. sehr ungleich. Schon Theophrast suchte 1588 zu beweisen, daß die im eignen Land gewachsenen A. den Bewohnern heilsamer seien als fremde, und dementsprechend gehört auch bei uns die Mehrzahl der A. Europa an, ebenso bevorzugen Indien, Mexiko und Nordamerika, ausgesprochen seit etwa 60 Jahren, vereinzelt auch schon erheblich früher, ihre heimischen Gewächse. Unser Arzneischatz enthält nächst europäischen besonders asiatische, afrikanische und amerikanische A. Einige der wichtigsten A. sind auf beifolgenden Tafeln abgebildet und beschrieben. Die A. werden meist an den Orten gesammelt, wo sie wild wachsen, viele werden auch kultiviert, in größtem Maßstabe besonders der Chinarindenbaum und der das Opium liefernde Mohn. In Deutschland nahm die Kultur der A. ihren Ausgang von dem »Capitulare de villis et hortis« Karls d. Gr. Gegenwärtig blüht sie an wenigen Orten. Feldmäßige Kultur findet sich besonders bei Kölleda, wo Angelika, Levistikum, Wermut, Pfeffer- und Krauseminze, Baldrian etc. gebaut werden. Erfurt liefert Kümmel, Koriander, Anis, Foenum graecum, Mohn, Senf; Schneeberg im Erzgebirge: Angelika, Baldrian, Meum; Schweinfurt und Nürnberg bauen Althäa und Stockrose; Aken a. E.: Königskerze, Minze, Wer mut, Melisse etc. Jenalöbnitz repräsentiert den Typus der Gartenkultur, die sehr zahlreiche A. liefert, in geringerm Umfang auch bei Quedlinburg und andern Harzorten vertreten ist.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 837.
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