[683] Geschlechtliche Auslese (geschlechtliche Zuchtwahl), der Vorgang, durch den im Laufe der tierischen Stammesentwickelung die meist nur dem einen Geschlecht (gewöhnlich dem männlichen) zukommende Ausrüstung mit Schmuckmerkmalen, Körperzierden und Waffen erworben ist. Hierher gehört die lebhaftere Färbung der Hautgebilde (Epidermis, Schuppen, Federn u. Haare), die Bildung von Fleischauswüchsen, Kämmen, Schmuckfedern an Kopf und Schwanz, von Stoßzähnen, Spornen, Hörnern und Geweihen, deren Zusammenhang mit der Geschlechtsfunktion deutlich daraus hervorgeht, daß sie bei länger lebenden Tieren erst zur Zeit der Geschlechtsreife hervortreten, zur Paarungszeit den Gipfelpunkt ihrer Entwickelung, Farbenpracht etc. erreichen und nachher wieder zurückgehen, bei anormaler Unterdrückung der Geschlechtsfunktion auch wohl ganz verschwinden (vgl. Hochzeitskleid). Bei den Hirschen, wo der Schmuck der Männchen ein weniger vergänglicher ist als in den meisten andern Fällen, läßt sich ihre Entwickelung aus ursprünglich geweihlosen Formen historisch verfolgen. Die Erklärung Darwins, daß diese Zieraten, die keinen greifbaren Nutzen mit sich bringen, nicht durch natürliche Auslese entstanden sein können, die nur das Nützliche züchtet, sondern durch eine Wahl und Bevorzugung besser geschmückter Individuen durch das andre Geschlecht bei der Paarung, wenn nicht angeregt, so wenigstens gesteigert worden sein müssen, wird durch die Schaustellung solcher Schmuckstücke (Radschlagen der Pfauhähne und Tänze) bei der Werbung und die Kämpfe der Männchen um die Weibchen unterstützt und hat die größte Wahrscheinlichkeit für sich, zumal sie durch analoge Vorgänge (Gesangsausbildung und Schmuckbauten mancher Vögel zur Paarungszeit) weiter illustriert wird. Wallace u. a. wollen lieber in der mehr in die Sinne fallenden Ausstattung der Männchen die der Art naturgemäß zukommende Bildung oder den Ausdruck eines Kraftüberschusses sehen, der sich bei den Weibchen in der Ernährung und Pflege der Jungen verzehrt, die unscheinbare Erscheinung der letztern (z. B. bei den Hühnervögeln) aber außerdem der natürlichen Auslese zuschreiben, welche die am wenigsten auffälligen Weibchen begünstigte. Das größere Schutzbedürfnis der Weibchen bei der Brutpflege und der ihm gleichenden Jungen ist zweifellos, und man sieht auch solche Männchen, die sich, z. B. unter den Fischen, der Brutpflege unterziehen, in der Schmuckausstattung gegen die Weibchen zurücktreten.