Herberge

[195] Herberge (althochd. heriberga, ital. albergo, franz. auberge), früher soviel wie Kriegslager, später allgemein in der Bedeutung von Wirtshaus oder Gasthaus (s. d.) gebraucht. Doch machte man in Deutschland schon frühzeitig einen Unterschied zwischen dem Gasthaus, in dem überhaupt Fremde gegen Entgelt beherbergt und verpflegt werden, und der zur Zunftzeit vom Herbergsvater u. der Herbergsmutter verwalteten H. (im engern Sinne), in der wandernde Gesellen ein Unterkommen fanden, auch Arbeit nachgewiesen erhielten und kranke verpflegt wurden. Von den am Orte wohnenden Gesellen wurden die Herbergen (Gesellenherbergen, auch oft »Verkehre« genannt) zu Zusammenkünften benutzt, sowie sie auch als Aufbewahrungsort der Gesellenladen dienten. An Stelle derselben sind heute vielfach die auf Anregung . J. H. Wicherns entstandenen Herbergen zur Heimat getreten, die, aus freiwillig aufgebrachten Mitteln eingerichtet und z. T. unterhalten und unter christlicher Hausordnung stehend, wandernden Gesellen eine billige Unterkunft bieten und dieselben vor den schädlichen Einflüssen der Wirtshäuser bewahren sollen. Eine solche H. wurde 1854 in Bonn unter dem Einfluß des Professors Klemens Perthes gegründet. Seit dieser Zeit hat sich das Herbergswesen in vielen Städten verbreitet. Die meisten Herbergen stehen in Verbindung mit Gesellenvereinen (s. d.) unter katholischer Leitung. Die deutschen evangelischen Herbergsverbände bilden seit 1886 einen deutschen Herbergsverein mit dem Organ »Der Wanderer« (Gadderbaum, 1883–1896: »Die Arbeiterkolonie«), das zugleich Organ des Zentralvorstandes deutscher Arbeiterkolonien und des Gesamtverbandes deutscher Verpflegungsstationen ist. 1902 gab es in Deutschland 462 Herbergen zur Heimat nebst 280 Verpflegungsstationen mit etwa 19,000 Betten (im Ausland, besonders in der Schweiz: 31); 1902 wurden 3 Millionen Nachtquartiere genommen. Es werden Gäste ohne Unterschied der Konfession aufgenommen. Jedem Einkehrenden ist Gelegenheit gegeben, an der gemeinsamen Andacht teilzunehmen, es wird aber niemand dazu gezwungen. Vgl. Perthes, Das Herbergswesen der Handwerksgesellen (2. Aufl., Gotha 1883); Augener, Die Herbergen zur Heimat (Bielef. 1869); Rathmann, Die Herbergen zur Heimat (Hamb. 1876); »Die H. zur Heimat«, Denkschrift des Zentralausschusses für innere Mission (Berl. 1882); »Die H. zur Heimat 1854 bis 1896« (Bielef. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 195.
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