Bonn

[205] Bonn, Stadt (Stadtkreis) im preuß. Regbez. Köln, liegt in reizender Gegend am linken Ufer des Rheins, über den hier eine 1898 vollendete schöne Brücke nach dem gegenüberliegenden Beuel führt, 50 m ü. M. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinie Köln-Koblenz und andrer Linien und hat 2 evangelische und 6 kath. Kirchen, eine englische Kirche und eine Synagoge. Unter den katholischen Kirchen ist das Münster, ein imposanter Tuffbau mit fünf Türmen (der Mittelturm 95 m hoch), die älteste und ausgezeichnetste.

Wappen von Bonn.
Wappen von Bonn.

Es ist teils im romanischen, teils im sogen. Übergangsstil erbaut, stammt in seiner jetzigen Form aus dem 11. bis 13. Jahrh. und ist seit 1847 restauriert. Die übrigen Kirchen sind: die Stiftskirche, 1879–81 neu erbaut, die Jesuitenkirche von 1693, die Minoritenkirche (1278–1318 erbaut), die Herz-Jesukirche von 1862 u. die 1892 vollendete Marienkirche. Von hervorragenden Profanbauten sind zu nennen: das 1717, bez. 1777 erbaute ehemalige kurfürstliche Schloß (jetzt Universität), das Rathaus (von 1737), das Theater, das Haus von E. M. Arndt in der schönen Koblenzer Straße, Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse. Auf dem Münsterplatz steht Beethovens Bronzestandbild (von Hähnel modelliert) und auf dem sogen. Alten Zoll, einer ehemaligen Bastion, jetzt Gartenanlage am Rhein, das Arndtdenkmal (von Afinger). Sonst besitzt die Stadt noch ein Denkmal des altkatholischen Bischofs Reinkens. B. hat (1900) mit der Garnison (Königs-Husarenregiment Nr. 7 und ein Infanteriebataillon Nr. 160) 50,736 Einw., davon 10,937 Evangelische und 877 Juden. Die Industrie ist vertreten durch eine Steingutfabrik und Kunsttöpferei, Jutespinnerei und-Weberei, Dampfsägewerke, Fabriken für Fahnen, Zement, Besenwaren aus Reisstroh, Korbmöbel etc., Bierbrauerei, Gerberei, Obst- und Gemüsebau etc. Der Handel, unterstützt durch die Handelskammer, eine Reichsbanknebenstelle, die Bonner Bank und andre Bankinstitute, ist besonders lebhaft in Wein. Unter den wissenschaftlichen Anstalten nimmt die Universität (s. unten) die erste Stelle ein; sie zählte im Wintersemester 1902/1903: 159 Dozenten und 2214 Studierende. Das Universitätsgebäude enthält die Bibliothek von über 230,000 Bänden, die Münzsammlung (ca. 4000 römische u. griechische Münzen) und das rheinische Museum für vaterländische Altertümer, das physikalische Institut und die schöne Aula mit großen Freskobildern. Außerdem gehören zur Universität: das akademische Kunstmuseum (1884), ein chemisches Laboratorium (1868 vollendet), eine Anatomie, ein physiologisches, ein pathologisches und pharmakologisches Institut, 5 klinische Anstalten und eine Sternwarte. In dem benachbarten Poppelsdorfer Schloß (s. Poppelsdorf) am Fuße des Kreuzbergs befindet sich das naturhistorische Museum sowie das botanische Institut der Universität. In einem dem Schloß gegenüberliegenden Gebäude sind die landwirtschaftliche Akademie und das dazu gehörige chemische Laboratorium untergebracht. An sonstigen Bildungsanstalten hat B. ein katholisches Konvikt (Collegium Albertinum), ein königliches und ein städtisches Gymnasium, letzteres verbunden mit Oberrealschule, ferner ein Provinzialmuseum, eine Privatirrenanstalt,[205] eine städtische Irrenanstalt, 2 Waisenhäuser, eine Provinzialirrenanstalt etc. Der Naturhistorische Verein für Rheinland und Westfalen, die Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland, der Landwirtschaftliche Verein für die Rheinprovinz u. a. haben hier ihren Sitz. Auch befinden sich daselbst ein Oberbergamt, ein Land- und Schwurgericht und das Landratsamt für den Landkreis B., die Landwirtschaftskammer der Rheinprovinz sowie der altkatholische Bischof. Die städtischen Behörden zählen 5 Magistratsmitglieder und 30 Stadtverordnete. In der mit den prachtvollsten Promenaden geschmückten Umgebung der Stadt ist zunächst der alte Kirchhof (vor dem Sternentor im W.) mit der 1847 von der Kommende Ramersdorf hierher versetzten zierlichen Deutsch-Ordenskapelle (aus dem 13. Jahrh.) wegen seines Reichtums an Gräbern berühmter Männer (B. G. Niebuhr, A. W. v. Schlegel, die Gebr. Boisserée, R. Schumann, E. M. Arndt u. a.) bemerkenswert. Auch ruhen daselbst Schillers Gattin Charlotte (gest. 1826) und Schillers ältester Sohn, Ernst (gest. 1841). Ein Kriegerdenkmal in karrarischem Marmor (1877 von Küppers in Rom) und ein monumentaler Brunnen nach Afinger (1879) zieren den Kirchhof. Außerdem sind der Kreuzberg mit einer 1627 erbauten berühmten Wallfahrtskirche und schöner Aussicht, weiter entfernt Godesberg, Rolandseck, der Drachenfels etc. Glanzpunkte in der Umgebung der Stadt. Neuere Ausgrabungen haben einen Teil des umfangreichen römischen Castrum am Rhein bloßgelegt. – Zum Bezirk des Landgerichts B. gehören die neun Amtsgerichte zu B., Eitorf, Euskirchen, Hennef, Königswinter, Lechenich, Rheinbach, Siegburg und Waldbröl.

B. ist römisch-keltischen Ursprungs. An die von Tacitus erwähnten »Castra Bonnensia«, die Drusus gegründet haben soll, lehnte sich ein (vorrömischer) keltischer Ort B. an. 70 n. Chr. wurden in der Nähe die Römer unter Herennius Gallus von den Batavern geschlagen. Im 4. Jahrh. zerstört, wurde die Stadt durch Kaiser Julian wieder aufgebaut, dann aber in den Kämpfen der Völkerwanderung öfter, zuletzt 869 von den Normannen, verwüstet. Hier schloß Heinrich I. mit König Karl von Frankreich 921 einen Freundschaftsbund. Befestigt wurde die Stadt vom Erzbischof Konrad von Hochstaden, und Engelbert II. von Falkenburg, von den Kölnern vertrieben, verlegte um 1265 seinen Wohnsitz nach B., das auch bis 1794 erzbischöfliche Residenz blieb. Die Stadt wurde 1673 von den Kaiserlichen und Niederländern, 1689 vom Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg, im Spanischen Erbfolgekrieg von Marlborough und dem Holländer Coehoorn erobert. 1717 wurden die Festungswerke geschleift. Im Oktober 1794 wurde B. von den Franzosen besetzt, kam durch den Lüneviller Frieden 1801 an Frankreich und 1814 an Preußen. Die schon 1777 begründete und 1786 eröffnete Universität wurde von Napoleon I. aufgehoben und erst 18. Okt. 1818 von König Friedrich Wilhelm III. wiederhergestellt. Vgl. Ritter, Entstehung der drei ältesten Städte am Rhein: Köln, B. und Mainz (Bonn 1851); Hundeshagen, Die Stadt und Universität B. (das. 1852); Hesse, Geschichte der Stadt B. während der französischen Herrschaft 1791–1815 (das. 1879); v. Sybel, Die Gründung der Universität B. (das. 1868); »Bilder aus der Geschichte von B.« (hrsg. von Hauptmann, das. 1887–97, 9 Tle.); Führer von Hesse (10. Aufl. 1901) und Hauptmann (1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 205-206.
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